Im Winter auf dem Thunersee
Im Winter auf dem Thunersee
Die Schifffahrt gehört bereits seit mehr als 180 Jahren zum Thuner- und zum Brienzer- see und ist aus der Region nicht mehr wegzudenken. Täglich verkehren die Schiffe auf verschiedenen Kursen und befördern so Touristen und Schiffsbegeisterte zu verschiedenen Ausflugszielen, wie zum Beispiel zur Niederhornbahn oder den Beatushöhlen. Im Gespräch mit Schiffführer Romeo Zurbriggen auf dem Dampfschiff Blümlisalp erfahre ich mehr über die Schifffahrt im Winter in der Thunerseeregion.
Text: Carmen Sonderegger | Fotos: BLS, Carmen Sonderegger
Das Dampfschiff Blümlisalp ist sozusagen das Paradeschiff der Flotte auf dem Thunersee, es ist zurzeit unser einziges Dampfschiff. Auf dem Brienzersee fährt das Dampfschiff Lötschberg. Die Blümlisalp fährt den Kurs 15–16, Thun–Interlaken, und im Sommer die Feierabendfahrten um 18.40 Uhr ab Thun, auf denen man den Sonnenuntergang geniessen kann. Demnächst kommt ein zweites Dampfschiff, das Spiezerli, hinzu. Es ist zurzeit in Sanierung und wird hoffentlich bald erste Testfahrten absolvieren können.
Als Steuermann ist das Dampfschiff schon ein Highlight. Über ein Sprechrohr gibt man die Kommandos in den Maschinenraum zum Heizer und zum Maschinisten, welche diese dann ausführen. Anders als bei den Motorschiffen muss hier das Zusammenspiel und das Vertrauen in der Crew stimmen. Die Crewmitglieder im Maschinenraum sehen nicht nach draussen und müssen dem Kapitän oder dem Steuermann blind vertrauen. Die Crew für dieses Schiff besteht immer aus sechs Leuten: Kapitän, Steuermann, Kassier, Matrose, Maschinist und Heizer, die als Team zusammenarbeiten und so die Fahrt möglich machen.
Ein Dampfschiff hat auch ein ganz anderes Fahrverhalten als die anderen Schiffe, es ist weniger wendig. Man muss mit dem Dampfschiff flacher an die Anfahrtsstelle fahren, sonst klappt das Anlegen nicht. Deshalb läuft die Blümlisalp auch die Station Neuhaus nicht an, dort hat es nicht genug Platz.
Wie kam es dazu,
dass Sie Schiffführer wurden?
Ich bin Quereinsteiger und habe mich vor einigen Jahren als Matrose bei der Schifffahrt beworben. Der Beruf gefiel mir und ich absolvierte 2008 die Prüfung für die kleinen Schiffe bis 300 Personen und 2013 die grosse Prüfung. Zuerst war ich als Matrose auf dem Brienzersee. Nach dem Wechsel auf den Thunersee erlangte ich Schrittweise den Schiffsführer.
Was reizt Sie an
Ihrem Beruf besonders?
An meinem Beruf gefällt mir, dass es jeden Tag etwas Anderes oder Neues gibt. Zum Beispiel hat mal ein Zug Verspätung und wir müssen auf die Passagiere warten, oder die Wetterverhältnisse sind schwierig. Die Gäste sind auch immer anders. Speziell auf dem Dampfschiff hat man oftmals regelrechte «Dampfschiff-Fans», die zusammen fachsimpeln, egal wie das Wetter gerade ist. Sie kommen wirklich wegen dem Schiff. Auch die Crewmitglieder wechseln jeden Tag, man arbeitet immer mit anderen Mitarbeitern und auf verschiedenen Schiffen, manchmal sieht man gewisse Arbeitskollegen den ganzen Sommer über nie!
Was ist anders an der Schifffahrt
im Winter als im Sommer?
Ganz klar ist es besonders, dass man im Winter fast alleine auf dem See ist. Es hat wenige Fischer, und kaum Boote und Schwimmer, auf die man achten muss. Man kann aber trotzdem nicht einfach fahren. Dennoch, es ist ruhiger auf dem See und die Gäste haben mehr Zeit. Einige sind fast täglich auf dem Schiff, das ist speziell und auch sehr schön.
Auf was muss man achten?
Der Wasserstand ist etwa 20 Zentimeter tiefer als im Sommer, dies muss man beim Anlegen beachten und besonders beim Rückwärtsfahren und in der Aare nach Thun. Man muss schön in der Mitte fahren, damit es nicht zu Grundberührungen kommt. Alle vier Jahre wird das Wasser im Thunersee um rund 80 Zentimeter abgelassen, damit die Mauern am Ufer saniert werden können, dies war letztes Jahr der Fall. Für uns ist auch speziell, dass im Winter nur ein Schiff der gesamten Flotte fährt, nämlich die MS Schilthorn. Über die Festtage fährt auch das Dampfschiff. Während dem Sommerfahrplan verkehren wieder alle Schiffe der Flotte auf dem See.
Wie ist die Stimmung
zur Winterzeit auf dem See?
Speziell: Der Lichteinfall ist anders, da die Sonne tiefer steht. Teilweise hat man schon bei den Fahrten am Nachmittag an gewissen Stellen auf dem See keine Sonne mehr. Dazu kommen die Farben, zum Beispiel die gelben Reben oder die weiss angeschneiten Berge, es ist intensiver als im Sommer. Auch habe ich das Gefühl, dass im Winter die Sicht klarer ist. Man kann die Berge besser erkennen, es ist weniger oft dunstig und der Himmel erscheint blauer. So kann man das wunderschöne Panorama mit Eiger, Mönch und Jungfrau noch deutlicher sehen. Manchmal gibt es Dampf über dem Wasser, weil die Wassertemperatur höher ist als die Lufttemperatur.
Natürlich spielt auch das Wetter eine Rolle. Bei Schnee oder schlechtem Wetter ist das Fahren und Navigieren im Winter nicht immer einfach. Zum Beispiel war letztes Jahr an Silvester der Nebel so dick, dass man gar nichts sehen konnte und sich nur auf die Messgeräte verlassen musste.
Fahren Sie gerne im Winter?
Ja, sehr gerne. Die Stimmung ist anders, aber auch die Gäste. Ich habe das Gefühl, im Winter machen mehr Leute einen Tagesausflug mit dem Schiff als im Sommer. Im Sommer steigen sie meist in der Mitte der Rundfahrt aus und machen eine Wanderung oder einen Spaziergang. Im Winter bleiben sie vermehrt für die ganze Rundfahrt und geniessen ein Mittagessen auf dem Schiff mit der Familie.
Welche Ausflüge mit dem Schiff können Sie im Winter in der Region empfehlen?
Über die Festtage fährt das Dampfschiff Blümlisalp als «Winterdampf» am Mittag von Thun nach Interlaken und zurück. Das ist ein tolles Erlebnis und viele Leute kommen jedes Jahr, nicht nur wegen dem See, sondern oft auch wegen dem Dampfschiff an sich. Toll ist natürlich auch ein Ausflug aufs Niederhorn. Die Anreise mit dem Schiff ist problemlos möglich und oben wartet eine wunderbare Aussicht. Auch Spiez ist natürlich zu jeder Jahreszeit einen Ausflug wert!
So können wir uns also freuen – bald ist das «Spiezerli» wieder auf dem Thunersee unterwegs. Auf der Website www.spiezerli.ch können Sie sich über den Zeitplan informieren und zusätzliche spannende Informationen zum Dampfer nachlesen. Ausserdem besteht auch immer noch die Möglichkeit, sich durch eine Spende am Projekt zu beteiligen – jeder Franken kann gebraucht werden. Es steht der Thunerseeregion sicherlich gut zu Gesicht, dass ein solches Stück Schifffahrts- und auch Tourismusgeschichte gepflegt wird und nicht finanziellen Überlegungen geopfert wurde. Gute Fahrt!