Weinbauregion Thunersee – Vielfalt edler Tropfen
Weinbauregion Thunersee – Vielfalt edler Tropfen
Der Thunersee-Wein hat Geschichte und das AOC-Label. In den sieben grössten Rebgebieten ist die aufwändige Winzerarbeit für den nächsten exklusiven Weinjahrgang in vollem Gange.
Text: Beat Straubhaar | Fotos: Rebgesellschaft Thunersee-Bern, Marcus Gyger
In der Region Thunersee fühlen sich eine grosse Vielfalt von Rebsorten heimisch: Blauburgunder, Regent, Cabernet Jura, Cabernet Dorsa, Gamaret, Riesling-Sylvaner, Pinot Gris, Chardonnay, Johanniter, der alteingesessene Elbling und viele weitere. Daraus werden in den Rebbaugebieten rund um den See Spitzenweine kreiert. Neben den sieben grösseren Gebieten sind an verschiedenen Orten private, kleine Rebgärten entstanden, die vorwiegend dem Hobby und privaten Genuss dienen.
Eine grosse Vielzahl von Reben fühlen sich hier heimisch.
Der Rebbau am Thunersee
Der Blick um 200 Jahre zurück würde am Thunersee ein ähnliches Bild zeigen, wie wir es heute vom Bieler- oder Genfersee kennen. Vom Seeufer bis weit in die Landschaft hinauf zogen sich die Rebberge, insgesamt standen Reben auf 250 Hektaren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erlitt aber der Rebbau aus klimatischen Gründen, verbunden mit Krankheiten und Schädlingen, einen empfindlichen Rückgang. Erste Rebberge wurden wegen Misserfolgen gerodet – anfangs des 20. Jahrhunderts war am Thunersee der Rebbau vorübergehend inexistent. Doch schon im Jahre 1915 wurde er von Hans Barben aus Spiez zu neuem Leben erweckt. Der regionale Weinpionier setzte erfolgreich neue Rebstöcke, was dazu führte, dass fünfzehn Jahre später auch in Oberhofen der Weinbau erneut aufgenommen wurde. Der «Spiezer» und der «Oberhofner» waren wieder auf dem Markt. Ab 1990 kamen laufend kleinere Rebgebiete dazu – nicht zuletzt dank wärmer werdendem Klima.«Spiezer» – Spezialitäten im Vormarsch
1942 wurde der Verein Spiezer Rebfreunde in die Rebbau-Genossenschaft Spiez umgewandelt, die heute rund 100 Mitglieder zählt. Ihr Ziel war die Wiederbestockung der Rebberge und ist bis heute die aktive Pflege der Spiezer Weinkultur. Der grösste Teil der Reben steht auf dem Spiezberg, rund ums Schloss und in der Bucht. Zwei weitere Rebberge in Faulensee und Spiezwiler ergänzen den Betrieb auf total 11,5 ha. Etwas mehr als die Hälfte der Rebfläche ist heute mit Riesling-Sylvaner bestockt, knapp 5 Hektaren mit Blauburgunder und die restliche Fläche mit Spezialitäten. Letztere haben in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung und Beliebtheit gewonnen. Kellermeisterin Ursula Irion vinifiziert die zwölf Weinsorten in den alten Gemäuern des Schlosses Spiez. Sie wachsen auf Kalk- und Silikatgestein und bestechen durch Frucht, Frische und Rasse. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, der «Spiezer» sei nicht erhältlich, werden auch Neukunden gerne beliefert. Der Spiezer Läset-Sunntig findet am 14. September 2014 statt.
Rebgebiet
7 Standorte,
total 11,5 ha
80000 Flaschen
Rebbaugenossenschaft Spiez
Schlossstrasse 8
3700 Spiez
www.rebbau-spiez.ch
«Oberhofner» – den Höhenkurven entlang
Was 1933 als Arbeitslosenprojekt aufgebaut wurde, gilt heute als das Weinzentrum der rechten Seeseite. In der Rebanlage «I de Müüre» oberhalb des historischen Heidenhauses terrassieren imposante Mauern den Hang und speichern die Sonnenwärme. Die Rebbaugenossenschaft Oberhofen zählt knapp 400 Mitglieder. Auf den 2,6 Hektaren baut Rebmeister Simon Eberli die Sorten Riesling-Sylvaner, Blauburgunder, Diolinoir und Pinot Gris aus. Der Grossteil der Rebenspaliere ist parallel zu den Höhenkurven ausgerichtet. Die Riesling-Sylvaner-Reben umschliessen die Pinot-Noir-Reben auf drei Seiten. Alle Oberhofner Weine sind mit dem Vinatura-Label, welches für naturnahen und kontrollierten Weinbau steht, ausgezeichnet. Der Verkauf ist kontingentiert, Genossenschafter und Einwohner der Thunerseegemeinden haben Vorrang.
Rebgebiet
I de Müüre
2,64 ha
26000 Flaschen
Rebbaugenossenschaft Oberhofen
Heidenhaus, 3653 Oberhofen
www.oberhofner.ch
«Hilterfinger» – dank vielen Frondienststunden
Der Rebberg in Hilterfingen verfügt über etwas mehr als 4800 Rebstöcke, davon sind 59 Prozent von der blauen Sorte Regent und 41 Prozent von der weissen Sorte Riesling-Sylvaner. Der Rebberg am Rand zum Hilterfingerwald wurde 2001 terrassiert und ein Jahr später angepflanzt. Auch heute noch leisten viele Freiwillige Frondienststunden im Rebberg und haben sich dabei zu richtigen Hobby-Winzern entwickelt. Die Trauben aus Hilterfingen werden im Heidenhaus in Oberhofen weiterverarbeitet und im Weinkeller an der Chartreusestrasse in Hünibach gelagert. Seit 2013 gibt es im Angebot den Regent Rosé. Am Samstag, 18. Oktober 2014 feiert die Rebbaugenossenschaft Hilterfingen ihr Läsetfest im Räbspycher.
Rebgebiet
Hilterfingen
0,96 ha
8000 Flaschen
Rebbaugenossenschaft
Hilterfingen
Postfach, 3652 Hilterfingen
www.hilterfingen.ch
«Steffisburger» – auf alter Tradition aufgebaut
In der Gemeinde Steffisburg wurde, vor allem vom Kloster Interlaken, jahrhundertelang Rebbau betrieben. Michael Lanz hat 1995 die Tradition wieder aufgenommen, nachdem er ab 1980 mit einigen Rebstöcken «Pionierarbeit» für die Aufnahme in den Rebkataster geleistet hatte. Anfang 2010 hat Sohn Andreas Lanz den Betrieb übernommen. Der Familienbetrieb mit einer Fläche von rund einer Hektare Rebfläche und 13 Hektaren Ackerbau wird ganzheitlich biologisch geführt. Alle «Steffisburger», vom Schaumwein über den Rosé und Rotwein bis hin zum Portwein, werden aus der roten Regent-Traube gekeltert. Damit wird eine uralte Tradition fortgesetzt: Das Ortbühl war vor 700 Jahren praktisch der einzige Ort der Weinregion Thunersee mit roten Trauben.
Rebgebiet
Ortbühl
0,97 ha
7000 Flaschen
Rebbau Steffisburg
Andreas Lanz
Ortbühlweg 53
3612 Steffisburg
www.wygarte.ch
«Seftiger» – zu neuem Leben erweckt
Der Flurname lautet auf «Räbeli» an der Rebzelg in Seftigen. Auf dieser Parzelle standen nachweisbar bis im 18. Jahrhundert noch Reben. Der Berner Architekt und Besitzer der Rindisbacher Weinmanufaktur Bern, Matthias Rindisbacher, hat in den Jahren 2005 und 2006 die Rebgärten in Seftigen zu neuem Leben erweckt. Auf 80 Aren pflanzte er die Rotweinsorten Cabernet Dorsa, Gamaret und Pinot Noir, woraus in der Berner Weinmanufaktur Rindisbacher der Wein «Seftiger Versus» gekeltert wird. Als weitere Köstlichkeiten gibts den «Lumi», einen Blanc de Pinot Noir, und den Süsswein «Matur».
Rebgebiet
Rebzelg
0,89 ha
7000 Flaschen
Rindisbacher
Weinmanufaktur
Matthias Rindisbacher
Dählhölzliweg 1
3005 Bern
www.weinmanufaktur.ch
«Thuner» – der mit dem Schloss
Hoch über dem Thuner Aarebecken, etwas unter der Goldiwilstrasse und am westlichen Rand der Cholerenschlucht, liegt der Rebberg der Familie Gerber. Unterhalb ihres Weinguts im Riedboden stehen seit 1989 auf 62 Aren Reben der Sorten Riesling-Sylvaner und Garanoir. Vater Peter und Tochter Daniele sind für die Qualität der Trauben zuständig. Daraus vinifiziert die Firma Riem, Daepp & Co. weissen und roten «Thuner». Davon gehen 60 Prozent in die Hotellerie, 40 Prozent werden privat verkauft. In zwei Jahren feiert der «Thuner» mit dem Schloss auf der Etikette bereits sein 25-Jahr-Jubiläum.
Rebgebiet
Riedboden
0,62 ha
6000 Flaschen
Familie Gerber
Riedbodenweg 4
3626 Hünibach
«Merliger» – Weinberg am Pilgerweg
Die Rebbaugenossenschaft Stampbach in Merligen wurde 1984 durch elf Genossenschafter gegründet und ein Jahr später konnte der Weinberg eingeweiht werden. Wer den Pilgerweg zurücklegt, kommt bei einem steilen Treppenaufstieg nach dem Stampbach an den Reben vorbei. Zwischen dem Chalet Oberstampbach (Tellweg 24) und dem Stampbach-Haus, der ehemaligen Meierei des Klosters Unterseen, gedeihen Reben in einer süd-west-exponierten Lage auf 570 bis 600 Meter über Meer.Wie bei der Rebbaugenossenschaft Hilterfingen gehen auch die Trauben von Merligen-Stampbach ins Heidenhaus nach Oberhofen zur Weiterverarbeitung.
Zur Rebgesellschaft Thunersee-Bern, deren Präsidentin Marianna Wick ist, gehören ausserhalb der Region noch die Rebbaugenossenschaft Reichenbach in Zollikofen, der «Hättenberger» aus Ostermundigen, der «Wileroltiger» vom Weinbau Baumann sowie die Weinkellerei Riem, Daepp & Co. in Kiesen.
Wie der 14er-Jahrgang der Thunerseeweine munden wird, steht natürlich noch in den Sternen. «Da kann bis kurz vor der Ernte noch vieles geschehen», meint Marianna Wick. Doch sei es schon mal sehr positiv, dass bis Mitte Juli alle Rebanlagen von Hagel verschont geblieben seien. Geniessen wir also mit Vorfreude auf den neuen noch die älteren Jahrgänge – auf Ihr Wohl!
Rebgebiet
Stampbach
0,31 ha
1500 Flaschen
Bernische Weine mit klarer Identität
Weine mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung (KUB/AOC) stellen gemäss Weinverordnung die Spitze der Qualitätspyramide dar, gefolgt von den Landweinen (Weine mit Herkunftsbezeichnung) und den Tafelweinen (Weine ohne Ursprungs- oder Herkunftsbezeichnung). Der Kanton Bern hat 2010 die Regelung der kontrollierten Ursprungsbezeichnungen der Berner Weine an die beiden Rebgesellschaften Bielersee und Thunersee übertragen. Bisher waren zwei verschiedene Reglemente in Kraft. Mit dem AOC-Reglement haben die beiden Rebgesellschaften Bieler- und Thunersee ein Instrument geschaffen, das den bernischen Weinen eine klare Identität gibt und die Qualität weiter zu verbessern ermöglicht. Das gemeinsame AOC-Reglement brachte eine einheitliche Regelung und eine klare und stufengerechte Abgrenzung der Produktionszonen. Die Basis der Ursprungsbezeichnung bildet die Bezeichnung «Bern AOC». Darauf aufbauend gibt es die beiden Hauptproduktionsgebiete «Bielersee AOC» und «Thunersee AOC». Zusätzlich zu den Produktionsregionen sind Zusatzbezeichnungen wie Gemeindenamen (zum Beispiel «Spiez», «Oberhofen» usw.) und Lagebezeichnungen (zum Beispiel «Hinter der Kirche») möglich. Der Verschnitt bei Weinen mit Zusatzbezeichnung eines Ortes darf maximal 15 Prozent mit Wein aus der gleichen Region betragen. Bei Zusatzbezeichnungen mit Lagenamen müssen gar 100 Prozent aus der entsprechenden Lage stammen.