Ramon Hunziker: Wenn das «Ufe Abe» vom Fliegen abgelöst wird

Ramon Hunziker: Wenn das «Ufe Abe» vom Fliegen abgelöst wird

Ramon Hunziker: Wenn das «Ufe Abe» vom Fliegen abgelöst wird

Nicht nur die Sportfans dürften über einen kürzlich ausgestrahlten Beitrag im «Sportpanorama» von SRF gestaunt haben, sondern vor allem auch Leute aus der Region Thun, denn berichtet wurde über «einen von ihnen», über Ramon Hunziker. Die Bilder in dieser Reportage sagen mehr als alle einleitenden Worte. Es ist unglaublich, was der Thuner auf seinem Bike vollführt. Wir haben uns für Sie mit ihm unterhalten.

Text: Thomas Bornhauser  |  Fotos: lyingmetal.ch

 

Er ist ein Ass. Ein Ass jedoch ohne jegliche Starallüren; das beweist schon seine Geschäftsadresse: Alpenstrasse in Thun. Und das heisst: Expo-Gelände, jenseits von jedem Glamour. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Jerome führt der 31-jährige Ramon Hunziker das kleine, aber feine Unternehmen namens «Flying Metal», was übersetzt so viel wie «Fliegendes Metall» heisst. Es ist unschwer zu erraten, weshalb …

«E chly schüüch …» 

Geboren ist Ramon Hunziker in Thun, die Schulbank hat er in Steffisburg gedrückt, danach absolvierte er eine Ausbildung als Automatiker. Woher aber seine Passion fürs Velofahren, pardon, fürs Biken, genauer gesagt fürs Freeriding? «Mein Vater hat mich auf den Geschmack gebracht, als ich ungefähr 12 Jahre alt war», sagt er und schmunzelt fast verlegen. Überhaupt ist dieser Ramon Hunziker eine Art Anti-Star, sehr zurückhaltend, man bekommt beinahe das Gefühl, es sei ihm peinlich, dass sich jemand für ihn interessiert. «Är isch halt e chly schüüch», lacht Jerome, der vis-à-vis seines Bruders im rein zweckmässig eingerichteten Büro im zweiten Stock eines einfachen Hauses sitzt. Wobei «rein zweckmässig» leicht übertrieben ist, «spartanisch» wäre treffender. Kein Schickimicki, keine Pokale, Bodenständigkeit pur. Was für ein wohltuender Unterschied zu vielen Möchtegerns. Das gewöhnliche Biken genügte Ramon mit der Zeit nicht mehr, Crosscountry lautete die nächste Herausforderung («wes ufe und abe geit», lautet hierfür Ramons lapidare Begriffsklärung), aber auch das war bald einmal abgehakt. Anschliessend war Downhill angesagt, auch rennmässig. Weil ihn der ganze «Zirkus» aber zu sehr einengte, verschrieb er sich bald darauf dem sogenannten Dirt Jump, bei welchem «Gumpe im Dräck» angesagt ist. Sein in diesem Zusammenhang geäussertes «Das fägt!» lässt keinen Zweifel offen, dass es Ramon Hunziker von jeher darum ging, sich an seine eigenen Grenzen heranzutasten. Die Red Bull-Rampage bot ihm die Gelegenheit dazu: eine Kombination aller bisher erwähnten Disziplinen, inklusive grosse Sprünge für die Darbietung von Tricks. Bike-Freiheit pur.

Das Risiko minimieren

 

«Freeride» in den USA heisst seine (vorläufige) ultimative Challenge, über die auch das Fernsehen SRF berichtete (siehe Kästchen). Was da von den Bikern geboten wird, übersteigt das Vorstellungsvermögen jedes gewöhnlichen Velofahrers: Die Freerider stürzen sich Fels- und Geröllhalden hinab, stehen nach Stürzen (jedenfalls meistens) auf wundersame Weise wieder auf und klopfen sich den Staub von der Ausrüstung. Wie aber kommt man zu einer solchen Veranstaltung? «Man muss sich bewerben, mit allem, was dazu gehört, natürlich vor allem mit Videos», stellt Ramon Hunziker trocken fest. Beispiel 2015 am Rande des weltbekannten Zions Nationalparks im Südwesten von Utah: Nur 35 der weltbesten Freerider erhalten überhaupt eine Starteinladung. Ramon Hunziker als einziger Schweizer unter ihnen. Wie alle anderen Teilnehmer auch, beginnt der Thuner eine Woche vor dem Start mit seinen «Vorbereitungen vor Ort», will heissen: Er schaut sich das Gelände an und entscheidet sich Abschnitt für Abschnitt, welchen Weg er abfahren will. Nichts überlässt er dabei dem Zufall: Mit Pickel und Schaufel bewaffnet, bereitet er seine Strecke vor, fährt sie mit dem Bike – übrigens keine teure Spezialanfertigung, sondern eine Serienmaschine von TREK, lediglich die Stossdämpfer sind härter – Meter für Meter ab. «Mein Sport ist gefährlich genug, ich muss das Risiko minimieren. Wenn ich ein schlechtes Gefühl habe, sehe ich von einem zusätzlichen Risiko ab», erklärt er. Diese Einstellung ist vermutlich auch der Grund dafür, dass er bisher nur wenige Verletzungen erlitten hat – Schulteroperation, Armbruch –, wobei das Mentale eine grosse Rolle spielt, «weshalb regelmässig Kinesiologie angesagt ist», eine Methode, um unter anderem Blockaden sowie Stressreaktionen abzubauen, Potenziale zu fördern und die Leistungsfähigkeit zu verbessern.

 

Zwischen 50 000 und 70 000 Bikes transportiert die Gurtenbahn jedes Jahr zur Bergstation.

Dirt Jump? Pumptracks?

Trotz minutiösen Vorbereitungen bringt ihm die Reise in die USA kein Glück, er stürzt und kann sich nicht wie erhofft unter den Besten klassieren. Dennoch wird er es dieses Jahr wieder versuchen, «wenn ich wieder eine Starteinladung erhalte», schmunzelt er. Kann man denn mit diesem Sport reich werden? Hunziker: «Nein, es reicht gerade so knapp, um den Aufwand und die Reisespesen zu decken, manchmal nicht einmal das.» Wie hält er sich also über Wasser? Wie finanziert er seinen Lieblingssport? Die Antwort steht bereits in der Einleitung dieses Berichts: mit Flying Metal. Das kleine, innovative Thuner Unternehmen bietet Dienstleistungen und Produkte im Bereich Mountain Bike an. Flying Metal baut Bikeparks, Flowtrails und Pumptracks, plant und veranstaltet Events wie das «Swatch Rocket Air», die «Dirt Jump Tour» oder die «Dirt Offspring Series». Stimmt, liebe Lesende: Was sind denn das plötzlich wieder für komische Ausdrücke? Definieren wir es der Einfachheit halber so: Das alles hängt mit dem Bikesport zusammen, der sich immer weiter ausbreitet und entsprechend immer wieder mit Neuheiten aufwartet – mit Flying Metal als Taktgeber.

Schutz von Natur und Wild

Bikeparks werden immer wie populärer und die Dienstleistungen in diesem Bereich sind von Nachhaltigkeit geprägt. Und trotzdem haben Bikeparks meistens mit Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen. Vielfach wissen die betroffenen Gemeinden und Fachstellen nicht, was genau damit gemeint ist, was wiederum ausführliche Abklärungen in Gang setzt und eine entsprechend lange Dauer für ein Baubewilligungsverfahren zu Folge hat, wenn es denn überhaupt zustande kommt. Jerome Hunziker dazu: «Meistens ist eine riesige Überzeugungsarbeit nötig, um den Leuten den Sinn von offiziellen Bikeparks aufzuzeigen, denn eigentlich kann man damit die Sportler sozusagen kanalisieren und Nachteile für Natur und Tiere vermeiden.»

Der Gurten als Vorbild

Der Berner Hausberg, der Gurten, ist diesbezüglich eine Erfolgsgeschichte. Dank der offiziellen Downhill-Strecke hat man den vorherigen Bikestrecken-Wildwuchs quer durch die Wälder und Wiesen in den Griff bekommen. In Zahlen ausgedrückt: Zwischen 50 000 und 70 000 Bikes transportiert die Gurtenbahn jedes Jahr zur Bergstation. Diese Downhill-Strecke wird in den nächsten drei Jahren etappenweise saniert, Flying Metal ist dank ihres Knowhows mit der Ausführung betraut. Ähnliches möchte das Unternehmen auch zwischen Goldiwil und Thun realisieren, Gespräche scheinen auf gutem Weg. Dies gilt auch für einen Bikepark in Davos, der von den Stimmbürgern mit grosser Mehrheit angenommen wurde.

In diesen Tagen und Wochen konzentriert sich die Arbeit von Ramon und Jerome Hunziker mit ihren vielen Teilzeitangestellten auf das «Swatch Rocket Air», den grössten Mountainbike Freestyle Event der Schweiz, der vom 29. bis 30. April in der Eishalle Thun wieder Tausende begeistern wird. Und auch die Vorbereitungen auf die Bike Days Solothurn vom 20. bis 22. Mai haben längst begonnen.

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