Hansueli von Allmen: Über Elsie Attenhofer zum Ehrendoktorat

Hansueli von Allmen: Über Elsie Attenhofer zum Ehrendoktorat

Hansueli von Allmen: Über Elsie Attenhofer zum Ehrendoktorat

Seit über vierzig Jahren sammelt der ehemalige Stadtpräsident von Thun, Hansueli von Allmen, was es über die Schweizer Kleinkunstszene zu sammeln gibt. Für Kleinkunstfans ist das von ihm im Jahr 1972 gegründete Schweizer Cabaret-, Chanson-, Mundartrock- und Mimenarchiv ein wahres Paradies geworden. Hier findet sich nicht nur eine Forschungsstätte, sondern auch eine wichtige Dokumentationsstelle.

Text & Fotos: Christine Hunkeler

 

Hansueli von Allmen kann sich noch gut erinnern, als er sechzehn Jahre alt war und sein Klassenlehrer in der Sekundarschule Strättligen zum Abschluss des Schuljahres ein Schüler-Cabaret-Programm inszenierte. Ihn selber sah man aber nicht auf der Bühne. Viel mehr faszinierten ihn die Form und Art des Cabarets. Darauf folgten viele Besuche in den ehemaligen Räumlichkeiten des Thuner Kinos Scala oder im Keller-Theater, wo die «alten» Cabaret-Helden aus den dreissiger oder vierziger Jahren wie Ruedi Walter oder Elsie Attenhofer auf der Bühne zu sehen waren. 

Vorerst unbewusst, begann Hansueli von Allmen Plakate, Flyer und Programmhefte zu sammeln. Irgendwann erhielt das Ganze eine Struktur und es wurden zahlreiche Briefe an Künstler und Künstlerinnen verschickt, da er die Geschichte des Schweizer Cabarets dokumentieren wollte. Sein Ziel war immer auch, die Personen aus diesem Genre, welche in der Schweiz historisch wichtig sind, persönlich kennenzulernen. Die Gründung des Archivs 1972 erforderte einen enormen Einsatz und eine tiefe Hartnäckigkeit von Seiten des Gründers. Immer an den Leuten dranzubleiben nahm äusserst viel Zeit in Anspruch und manchmal musste von Allmen die Künstler gar beknien. Walter Roderer war so ein Fall: Über dreissig Jahre lang versuchte von Allmen, einen Kontakt aufzubauen. Erst nach Roderers Ableben durfte er für genau einen halben Tag nach Effretikon, um dort sein Auto mit Unterlagen aus dem Nachlass zu füllen. Oftmals werden durch Erbschaftsstreitereien wichtige Handlungen verzögert oder sogar blockiert. 

Hansueli von Allmens Türöffnerin für die ganzen Kontakte zu der Kleinkunstszene war Elsie Attenhofer, ein wichtiges Mitglied beim Cabaret Cornichon. Seine erste Frau war einige Zeit deren Bühnenmeisterin. Zu Elsie Attenhofer war eine tiefe Freundschaft und langjährige Zusammenarbeit entstanden. Das Cabaret Cornichon war wegen der bissigen Satire in der ganzen Schweiz bekannt und bestand von 1934 bis 1951. 

Das Cabaret hat seinen Ursprung in Paris. Unter dem Namen «Le Chat Noir» sollten darin politische Ereignisse parodiert werden. Man wollte damit die Menschen belehren, ihnen die manchmal eigene Dummheit vorhalten oder Schlechtgelaunte in eine bessere Stimmung versetzen. Im Cabaret wird die darstellende Kunst (Schauspiel, Pantomime, Monologe und Dialoge) mit Musik oder Lyrik verbunden. Bis Mitte der achtziger Jahre bestand Hansueli von Allmens Arbeit hauptsächlich aus dem Aufbau der Sammlung und der Recherche nach Dokumenten aus der Zeit seit der Gründung des Cabarets in der Schweiz (Cabaret Voltaire, Zürich 1916). Viele Besuche bei den zum Teil betagten und noch aktiven Künstlern, in Bibliotheken, Archiven und Sammlungen bildeten den Schwer- punkt dieser Aufbauarbeit. Später kamen dann auch Liedermacher wie Mani Matter und Chansonniers dazu, noch später viele Mimen. Auch der Mundartrock fand hier ein Zuhause. 

Eine sinnvolle Zusammenarbeit hat sich mit der Schweizerischen Theater-Sammlung entwickelt, welche durch einen Schenkungsvertrag eines Tages Besitzerin von Hansueli von Allmens Archiv wird.

Das Archiv

 

Manchmal gibt es Besucher, die eine falsche Vorstellung von einem Archiv haben. Es ist kein Museum, sondern ein Archiv. Über sechshundert grüne Archivschachteln finden sich hier in seinem Haus. In der Zwischenzeit braucht es eine hohe Leiter, um zu den obersten Schachteln in den Regalen zu gelangen. Das Schlafzimmer des Ehepaars von Allmen musste schon lange dem Archiv weichen und es wird im Kinderzimmer übernachtet. In den Schachteln finden sich Plakate, Fotos, Medienberichte, Programme, Verträge, aber auch Gerichtsakten. In Hansueli von Allmens Lieblingsschachtel werden die ganzen Zensurakten des Cabarets Cornichon, das während des Zweiten Weltkriegs von den Schweizer Behörden und dem Deutschen Generalkonsul überwacht wurde, aufbewahrt. Zu dieser Zeit mussten einzelne Nummern aus dem Programm genommen oder umgeschrieben werden. Dem Cabaret Cornichon gelang es aber trotzdem, in gewissen Nummern in Mundart und cabaretistischer Verkleidung deutliche Stellungnahmen zu den brennenden Themen der Zeit auf die Bühne zu bringen, die Besucher zu bewegen und in ihrem Widerstandswillen zu stärken. Viele Nummern waren aber einfach auch unterhaltend und unpolitisch.

Auf über 90000 Karteikarten wird sorgfältig Inventar geführt. Noch heute wird alles, inklusive der vielen Schreiben an die Künstler, mit der «alten» Schreibmaschine geschrieben. Hansueli von Allmen gibt ehrlich zu, dass das Ablegen der ganzen Dokumente eigentlich eine trockene Angelegenheit sei. Den Ausgleich machen aber dann die vielen Bekanntschaften und auch tiefen Freundschaften, die so über die Jahre entstehen. 

Im Seewinkel im Gwatt finden sich über 1900 Bücher, 4800 Tonträger, 450 Videos und 380 DVDs. Sämtliche Videos und Kassetten werden zur Zeit digitalisiert. Die Schallplatten wurden in der Zwischenzeit ins Stadtarchiv ausgelagert, da für die Qualitätserhaltung der alten Tonträger dort ein besseres Raumklima herrscht. Requisiten wie zum Beispiel Bühnenbilder aus den 30er- und 40er-Jahren von Alois Carigiet oder Hans Fischer, Kostüme und bedeutende Utensilien, die in bekannten Nummern eine Rolle spielten, sind bereits ins Lager der Schweizerischen Theatersammlung verlegt worden. 

Illustre Gäste im Seewinkel

 

Hansueli von Allmen meint schmunzelnd, dass das Ziel eines jeden Künstlers sein sollte, hier im Archiv eine eigene grüne Schachtel zu haben. Momentan hat Frölein Da Capo dieses Ziel erreicht. Sie war grad vor kurzem hier. Das Archiv hat früher zahlreichen Künstlern auch als Übernachtungsstätte gedient: Ursus und Nadeschkin, Franz Hohler und auch Gardi Hutter haben hier zum Beispiel ihr Nachtlager aufgeschlagen, längst bevor sie zu den bekannten Schweizer Kleinkünstlern gehörten. Solche Momente sind für Hansueli von Allmen sehr wichtig und für sein Leben bereichernd.

 

Ehrendoktorat

 

Viele Studenten haben in Hansueli von Allmens Archiv ihre Arbeiten geschrieben und Recherchen betrieben. Zurück an der Uni Fribourg, haben sie von der eindrücklichen Sammlung hier im Gwatt geschwärmt. Dies gab Anlass dazu, dass Hansueli von Allmen 1996 das Ehrendoktorat von der Uni Fribourg überreicht wurde. Die Übergabe dafür war am gleichen Tag geplant wie die Gemeinderatssitzung im Rathaus in Thun, an der er als Stadtpräsident anwesend sein musste. Er konnte sich glücklicherweise etwas früher aus der Sitzung verabschieden und machte sich auf den Weg nach Fribourg. Hansueli von Allmen staunte nicht schlecht, als dort der ganze Gemeinderat von der vorherigen Sitzung anwesend war. Er erhielt von der Uni Fribourg die Urkunde zum Dr. h.c. und von seinen Politikkollegen am Abend im Stadtrat eine grosse Steinmann-Torte, welche mit dem typischen schwarzen, viereckigen Doktorhut dekoriert war, überreicht. 
 

Cabaret und Politik 

Cabaret und Politik sind in der Regel nicht weit voneinander entfernt. Hansueli von Allmen freut sich über gutes, kritisch beleuchtendes politisches Cabaret. Auf Cabaret mit billigem Schenkelklopfer-Humor kann er verzichten. In seinem Privatleben möchte er Humor, Satire und Gags nicht missen. In seinen Ansprachen und Texten verpackte er, so oft es ging, einiges an Humor und Satire.

«Cabaret und Politik sind in der Regel nicht weit voneinander entfernt.»

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