Christian von Weissenfluh: Ein «Böser» auf dem Kutschbock

Christian von Weissenfluh: Ein «Böser» auf dem Kutschbock

Christian von Weissenfluh: Ein «Böser» auf dem Kutschbock

Als wahre Grösse des Schwingsports hat Christian von Weissenfluh in seiner Karriere fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Das Schwingen war für ihn eine Lebensschule, die ihn in vielen Belangen weitergebracht hat. Seit nunmehr fünf Jahren widmet er sich einer neuen Passion, die auf den ersten Blick wenig mit Schwingen gemein hat: Zusammen mit seiner Partnerin bietet er Kutschenfahrten in der Thunerseeregion an.

Text: David Heinen | Fotos: Luca Däppen, Evelyne Gfeller Photography, Photleeuwengraphy

Das Schwingen war im Leben des Haslibergers immer präsent. Schon als kleiner Junge besuchte Christian von Weissenfluh seine ersten Schwingfeste. Kein Wunder, schliesslich war bereits sein Vater Peter in diesem Sport erfolgreich. Mit zehn Jahren fing er dann selbst an zu schwingen. Doch die Karriere begann eher schleppend: Bei den Junioren war ihm noch nicht viel Erfolg beschieden, und erst mit rund 20 Jahren startete er so richtig durch. Dabei war er weniger ein Naturtalent als ein Arbeiter: «Ich hatte vielleicht weniger Talent als andere, doch ich konnte die Erfolge erzwingen.» Das zeigte sich auch in Bezug auf seine Physis: Wog er zu Beginn seiner Karriere bei einer Grösse von 1 Meter 83 noch ungefähr bescheidene 85 Kilo, waren es zum Schluss ganze 104 Kilo – und fast alles davon Muskelmasse. 


Erfolgreich in Sport und Beruf

Christian von Weissenfluh blickt auf eine äusserst erfolgreiche Karriere zurück: Ganze 23 Kranzfestsiege durfte er feiern – die bedeutendsten davon auf der Rigi und dem Brünig. In seiner erfolgreichsten Zeit zwischen 1990 und 2000 hat er überall, wo er angetreten ist, auch den Kranz gewonnen. Insgesamt 86 Kränze erkämpfte er – zwei davon an einem Eidgenössischen Schwingfest. Auch das Erreichen des Schlussgangs beim Unspunnenfest bezeichnet er als einen seiner grössten Erfolge. Für den Titel hat es damals zwar nicht gereicht, doch man merkt dem 58-Jährigen keinerlei Verbitterung an; er blickt stolz und zufrieden auf seine Karriere zurück. Während der ganzen Zeit als Schwinger war Christian von Weissenfluh berufstätig. Das fing schon vor seiner Sportkarriere an: Von klein auf half er jeweils in den Sommerferien seinem Grossvater auf der Alp. Ab der 7. Klasse war er dann während der Ferien auf dem Bau anzutreffen. «Etwas Arbeit hat noch niemandem geschadet», meint er dazu. Nach der Schule trat er in die Fussstapfen des Vaters und absolvierte eine Berufslehre als Maurer – dem Beruf ist er bis heute treu geblieben. So machte er sich schon während seiner Karriere als Schwinger mit der Von Weissenfluh GmbH, die er noch heute führt, selbstständig. Der Schwingsport war für Christian von Weissenfluh eine echte Lebensschule: «Man braucht Wille, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Wenn man mal verliert, muss man das akzeptieren und wieder aufs Neue kämpfen – das ist in der Berufswelt und allgemein im Leben nicht anders. Auch wenn es schlecht läuft, muss man es durchziehen. Der Sport hat mich gelehrt, nicht sofort aufzugeben.» Auch mit seinem Unternehmen konnte und kann Christian von Weissenfluh von seiner Karriere profitieren: «Die ersten Aufträge habe ich alle wegen meines Namens bekommen, noch heute profitiere ich davon und muss keine Werbung machen.» In den letzten Jahren hat sich der Schwingsport massiv verändert und wurde zu einem Massenphänomen. Diese Entwicklung sieht Christian von Weissenfluh nicht nur positiv. Er gönnt es jedem Schwinger, wenn dieser Sponsoren hat und vom Sport leben kann. «Das hätte ich damals auch sofort gemacht», betont er. Doch er sieht auch die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft, wenn nur etwa zehn Sportler vom Schwingen leben können, der Rest aber nicht. Ob die Veränderung hin zu einem Massenphänomen positiv sei, hänge zu grossen Teilen von den Veranstaltern ab: «Viele wollen immer mehr. Ich bezweifle, ob dies eine gesunde Entwicklung ist. Einige Veranstaltungen sind überdimensioniert, anstatt 60000 Zuschauer würden auch mal 40000 ausreichen.» 

Bei einem Wettkampf wurde er Zweiter und erhielt als Preis ein Pferd namens Viktor. 

Ein Preis mit Folgen

Auf der Alp, auf der Christian von Weissenfluh als Kind jeweils ausgeholfen hat, gab es auch Pferde: «Da wurde wohl meine Faszination für diese erhabenen Tiere geweckt.» Doch viel Bezug zu Pferden hatte er lange nicht. Dies änderte sich, als das Ende seiner Karriere näher rückte. Beim Solothurner Kantonalen wurde er 1999 Zweiter und erhielt als Preis ein Pferd namens Viktor. An seinem letzten Schwingfest, dem Berner Kantonalen von 2000, kam ein zweites Pferd dazu. Er entschied sich, die Tiere zu behalten. Platz hatte er genug: 1997 war er nach Uetendorf gezogen, wo er ein rund 100-jähriges Bauernhaus selbst renovierte. So baute er zuerst einen Unterstand und schliesslich einen Stall für die Tiere. Damit fing die Arbeit mit Pferden an, doch bis zu seiner neuen Passion als Kutscher sollte es noch einige Jahre dauern, obwohl er schon bald einen kleinen Wagen hatte, mit dem er – «nur so zum Spass» – immer wieder ausfuhr. Seit nun fünf Jahren ist Christian von Weissenfluh mit seiner Partnerin Fabienne zusammen – sie war es, die ihn dazu motivierte, das Projekt «Chrigels Kutschenfahrten» zu lancieren. Auch Fabienne ist nämlich ein wahrer Pferdefan und hat eigene Pferde mit in die Beziehung gebracht. 2019 kaufte Christian von Weissenfluh dann eine Hochzeitskutsche, bald folgten noch ein Landauer und ein Planwagen, mit dem sie bis zu zehn Passagiere durch die Gegend kutschieren können. So ist das Paar bestens ausgerüstet für die unterschiedlichsten Angebote: Polter-, Apéro-, Brunch- und Fonduefahrten oder auch mal eine Beizenkehr, bei der man von Beiz zu Beiz kutschiert wird. Für den Kutscher selbst gibt es ab und zu ein Glas Wein oder alkoholfreie Getränke, denn Sicherheit ist bei allen Ausfahrten oberstes Gebot. Die beiden sind immer zu zweit unterwegs; falls mal etwas passiert, braucht es eine Fachperson, da kann nicht einfach jemand von den Gästen aushelfen. Die Pferde werden ganz behutsam an ihre Aufgabe herangeführt. Wenn sie circa drei Jahre alt sind, machen sie ihre ersten Ausfahrten – allerdings mindestens noch ein Jahr lang ohne Passagiere. Zuerst müssen sich die Tiere an die Umgebung und den Verkehr gewöhnen und dürfen auf keinen Fall Angst haben. Inzwischen kann man bei Christian von Weissenfluh und seiner Partnerin schon fast von einer Herde sprechen: Zehn Pferde von unterschiedlichen Rassen sind bei ihnen in Uetendorf zu Hause: «Alle sind sehr charakterstarke, gute Pferde, die man auch bei Verkehr brauchen kann.»

  

Service wie im Luxushotel

Am beliebtesten sind sicher die Brunch- und die Fonduefahrten. «Eier, Müesli, Zopf, Gipfeli, Butter, Konfitüre, Honig, heisse Schokolade, Milch, Kaffee und Tee – beim Brunch gibt es wirklich alles. Das ist wie im Fünf-Sterne-Hotel.» Zuerst fahren sie eine kleine Strecke, dann gibt es einen Apéro, beispielsweise einen Champagner, und schon bald wird gross aufgetischt. Insgesamt acht Passagiere können sie dabei bewirten. Für die Fonduefahrten kochen sie den Käse zu Hause vor und füllen ihn in Thermoskannen ab. In der Kutsche wird dann mit allem, was dazugehört, serviert. Manchmal geht es auf der Kutsche auch feuchtfröhlich zu und her. So erinnert sich Christian von Weissenfluh an einen Frauenpolterabend: «Zu Beginn war die Truppe noch sehr ruhig, es folgte der erste Apéro – zum Schluss war dann richtig Rambazamba!» Ein spezielles Highlight sind für ihn jeweils die Ausfahrten mit den Bewohnenden von Bubenberg Spiez und der Stiftung Uetendorf, beides Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Manchmal hätten sie zuerst noch etwas Angst, auf die Kutsche zu steigen, doch zuletzt bringe man die Passagiere fast nicht mehr hinunter. «Das sind so grundehrliche Leute. Wenn ich ihnen eine Freude machen kann und sehe, wie sie strahlen, ist das einfach ein wunderschönes Erlebnis.» Und lachend ergänzt Christian von Weissenfluh: «Die singen auch ohne Alkohol.»

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