Fabian Recher: «Sport ist meine grösste Leidenschaft»
Fabian Recher: «Sport ist meine grösste Leidenschaft»
Mit dem Handbike konnte der Spiezer Fabian Recher an den Paralympics in Tokyo zwei Diplome ergattern. Im Gespräch mit der ThunerseeLiebi erzählt er von dieser olympischen Japanreise und schildert, wie es dazu kam, dass er auf die Laufbahn eines Spitzensportlers geraten ist.
Text: David Heinen | Fotos: Lebkuchenhaus Productions, swiss paralympic
Seit seiner frühesten Kindheit ist Fabian Recher polysportiv aktiv. Angefangen hat es – wenig überraschend für die Region – mit dem Skifahren. Aber auch Leichtathletik, Basketball und Badminton gefielen dem sportbegeisterten Spiezer. Bald kam das Handbike-Fahren dazu und wurde seine grosse Leidenschaft. Mit etwa acht Jahren kam er erstmals in Kontakt mit dieser Sportart, und in einem schleichenden Prozess nahm sie immer mehr Platz in seinem Leben ein. Mal ein Trainingslager hier, ein nationales Rennen dort, und bald kamen auch die ersten internationalen Wettkämpfte dazu. Auch beim Skifahren nahm er an Wettkämpfen teil, aber auf vergleichsweise tieferem Niveau. Das Fahren mit dem Handbike fungierte zuerst sogar – hauptsächlich im Sommer – bloss als Ausgleich. Es war eine gute Alternative, die er beispielsweise auch nutzen konnte, um mit seiner Familie zusammen Ausflüge zu unternehmen.
Alltag eines Spitzensportlers
In der Oberstufe war Fabian Recher in der Sportklasse; wer dort aufgenommen wird, darf einzelne Lektionen fehlen beziehungsweise durch Trainingseinheiten ersetzen. Spätestens zu dieser Zeit begann der Sport, immer mehr an Wichtigkeit zu gewinnen. Nach der Schulzeit hatte er dann die Möglichkeit, bei der Swisscom in Worblaufen eine Sportler-KV-Lehre zu machen. In diesem spezialisierten Lehrgang dauert die Ausbildung vier anstatt drei Jahre, dafür bekommt man Zeit, um sich dem Training und den Wettkämpfen zu widmen. 2019 schloss Fabian Recher seine Berufslehre ab. Seither arbeitet er – immer noch am selben Ort – im HR in einem 50-Prozent-Pensum. «Das ist ein super Ausgleich. Es ist sicher auch gut, neben dem Körper auch den Kopf zu fordern.» Als Juniorsportler wurde er finanziell hauptsächlich von den Eltern unterstützt. Der zuständige Verband beteiligt sich zusätzlich mit Fördergeldern, und zurzeit baut er sich schrittweise ein Sponsorenteam auf. Preisgeld gibt es an den Wettkämpfen leider kaum bis gar nicht. Inzwischen ist Fabian Recher aber semiprofessionell unterwegs, und so nimmt der Sport noch mehr Raum ein, als dies sowieso schon der Fall war. «Sportler ist man gewissermassen die ganze Zeit, und der Sport nimmt Einfluss auf viele Lebensbereiche.» Er trainiert im Schnitt sechsmal pro Woche, die Dauer ist dabei sehr unterschiedlich, doch er kommt insgesamt auf etwa 11 bis 18 Stunden die Woche. «Mir ist manchmal schon fast langweilig, wenn ich keine Rennen habe.»
Im Jahr 2021 sind einige sportliche Erfolge zusammengekommen. Der wichtigste für Fabian Rechner ist der dritte Platz beim Strassenrennen an der Weltmeisterschaft in Portugal. «Dies war doch eher überraschend für mich, bis dato hatte ich international noch nicht bei den Besten mitreden können. In Portugal merkte ich aber: Doch, ich kann auch ganz vorne mitfahren.» Für Fabian Recher, der von Geburt an auf den Rollstuhl angewiesen ist, hat der Sport aber noch eine zusätzliche Bedeutung: «Mit dem Handbike gelange ich an Orte, die mir mit dem Rollstuhl verborgen bleiben. Das ist schon cool, wenn der Bewegungsradius selbstständig erweitert werden kann. Ich habe auch noch ein E-Mountainbike, damit kann ich diesen noch zusätzlich erweitern.»
«Sportler ist man gewissermassen die ganze Zeit, und der Sport nimmt Einfluss auf viele Lebensbereiche.»
Olympische Reise nach Tokyo
Mitte August dieses Jahrs nahm Fabian Recher seine bisher wichtigsten Wettkämpfe in Angriff: die Paralympics in Tokyo. Davor war aber einiges an Vorbereitung nötig. So mussten sich er und die anderen Schweizer TeilnehmerInnen auf die klimatischen Bedingungen in Japan einstellen. «Temperaturen um die 30 Grad Celsius und zusätzlich noch eine Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent – das ist eine brutale Kombination.» Entsprechend war eine Akklimatisierungsphase angebracht. Dafür gingen die SportlerInnen in die Hitzekammer von Swiss Cycling in Grenchen. Dort werden verschiedene Bedingungen simuliert, und es kann auf einem Rollband trainiert werden. Der Tross von TrainerInnen, BetreuerInnen und AthletInnen bestieg dann eine Woche vor dem ersten Rennen das Flugzeug Richtung Japan. Nur schon für die Überwindung des Jetlags war eine so frühe Anreise nötig. «Von Tokyo selbst habe ich leider nicht allzu viel mitbekommen. Wir waren ausserhalb angesiedelt, etwa drei bis vier Autostunden vom Zentrum entfernt, in einem Erholungs- und Tourismusgebiet. Dort war es sehr schön, doch viel Zeit für Erkundungstouren hatte ich nicht.» Im Hotel, in dem Fabian Recher und sein Team einquartiert waren, logierten ausschliesslich die ParacyclerInnen (Handbike- und Standing-FahrerInnen) – insgesamt etwa hundert AthletInnen. «Es war wie eine kleine Bubble. Mit der Zeit kennt man sich auch innerhalb der Szene, doch vor den Rennen sind die meisten schon sehr auf sich selbst fokussiert und nicht besonders gesprächig.»
Am 31. August war es dann so weit: Mit dem Zeitrennen stand der erste Wettkampf an. Drei Runden à je acht Kilometer warteten auf ihn. Und Fabian Recher war gut unterwegs, doch in der dritten Runde bremste ihn ein Kettenriss abrupt aus. Das war natürlich ärgerlich, doch nun galt es, das Rennen schnell abzuhaken, da bereits am nächsten Tag das Strassenrennen anstand. Dort mussten 79 Kilometer mit 1200 Höhenmetern bewältigt werden. Wenn man bedenkt, dass die Strecken an den anderen Wettkämpfen eher zwischen 30 und 60 Kilometern lang sind, wird einem bewusst, was dies für eine Herausforderung war. Und dieses Mal ging die Rechnung voll auf. Fabian Recher lieferte ein tolles Rennen und konnte den siebten Platz und damit ein olympisches Diplom ergattern. Dieses super Ergebnis konnte er dann am folgenden Tag zusammen mit seinen Teamkameraden im Team-Relay gleich nochmals bestätigen und wiederholen.
Am letzten Tag ihres Japanaufenthalts konnten Fabian Recher und sein Team dann doch auch noch das olympische Dorf besuchen und eine Nacht dort verbringen. «Ich war sehr froh, noch die ganze Stimmung aufsaugen zu können. Es ist schon etwas sehr Spezielles, dort die ganzen Nationen anzutreffen. Halt ein richtiges Dorf – jedoch mit Wolkenkratzern, was für uns aus der Schweiz doch sehr eindrücklich war.» Völlig bescheiden bewertet Fabian Recher sein Olympiaabenteuer: «Ich habe meine Ziele doch weitgehend erreicht. Mit zwei Diplomen nach Hause zu kommen, ist völlig Okay.»
Blick in die Zukunft
Was sind seine weiteren sportlichen Ziele? «Im Handbike-Fahren gibt es neuerdings jährlich eine Weltmeisterschaft. Nächstes Jahr wird diese in Kanada stattfinden, und in drei Jahren sind in Paris schon die nächsten Paralympics. Bereits ab 2022 sind wir gefordert, genügend Startplätze herauszufahren.» Rechers Ziel ist es, sich längerfristig in den Top-8 zu etablieren. Seit Neuestem ist es ParasportlerInnen möglich, die Spitzensport-RS zu machen. Nach einem Einführungsmonat kann sich Fabian Recher dort voll und ganz dem Sport widmen. Nach der RS möchte er aus dem Elternhaus ausziehen und damit noch selbstständiger werden. Der Region wird er aber ziemlich sicher erhalten bleiben. Denn neben Sport und Arbeit bleibt nicht viel Freizeit, und die wenige, die ihm bleibt, verbringt er gerne mit seinen Freunden. Und hegt er auch noch für andere Bereiche ausser Sport eine Leidenschaft? Fotografie oder Film interessieren ihn. Bisher hatte er aber schlicht zu wenig Zeit, um sich intensiver damit zu beschäftigen. Aber wer weiss, vielleicht in Zukunft. Wenn er sich mit dem gleichen Engagement wie beim Sport damit auseinandersetzen könnte, würde er es sicher auch in diesen Bereichen weit bringen. Vielleicht gibt es in ferner Zukunft neben dem Spitzensportler Fabian Recher auch noch Fabian Recher, den gefeierten Fotografen. Zuzutrauen wäre es ihm allemal.