Marcel Furer: «Die Gäste geben ihr Geld in ihrer Freizeit bei uns aus.»

Marcel Furer: «Die Gäste geben ihr Geld in ihrer Freizeit bei uns aus.»

Marcel Furer: «Die Gäste geben ihr Geld in ihrer Freizeit bei uns aus.»

Marcel Furer aus Interlaken ist nicht bloss Geschäftsführer von Kandertal Tourismus, er doziert auch an der Höheren Fachschule für Tourismus in Luzern – und seit vergangenem Februar ebenfalls in Thun, wo sich die HFT in den Räumlichkeiten der Hotelfachschule eingemietet hat. Im Dialog mit dem Schreibenden – von ihm absichtlich als provokatives Streitgespräch geführt – zeigt sich der 50-Jährige mit seinen profunden Kenntnissen und Ansichten sattelfest.

Text & Fotos: Thomas Bornhauser

Eines ist gewiss und das werden Sie, liebe Lesende, in dieser Reportage schnell merken: Mar- cel Furer ist ein professioneller Sparringpartner; wenn es darum geht, kritische Fragen rund um den Tourismus in der Schweiz zu beantworten, durchaus auch selbstkritisch. Erwarten Sie hier bitte kein nettes Gefälligkeitsgespräch mit einem, der sich im Tourismus auskennt. Es wird ausgeteilt und eingesteckt. 

Wechselkurs ausschlaggebend?

Die Frage drängt sich gleich zu Beginn auf: Wie stark beeinflusst der Wechselkurs des Schweizer Frankens zum Euro den Tourismus in der Schweiz? Marcel Furer sieht die Problematik nicht in erster Linie bei den ausländischen Gästen, die seit Jahren schon regelmässig zu uns kommen: «Die Schweiz war schon immer teuer», sagen diese, «jetzt halt noch ein bisschen mehr, aber wir wissen, was wir dafür erhalten.» Heikel werde es hingegen bei potenziellen Touristen, die noch nie in der Schweiz waren, für sie dürfte der Wechselkurs momentan eine eher abschreckende Wirkung haben, vor allem wenn sie extrem preissensibel sind, wie dies in Deutschland und in Holland teilweise der Fall ist. Will heissen: Es ist im Moment sehr schwierig, neue Gäste aus Europa mit Brech- stangen-Methoden oder 08/15-Angeboten anzusprechen und für unser Land zu begeistern. Deshalb sucht Schweiz Tourismus zusätzlich nach neuen Wegen oder Märkten und ruft sich beispielsweise mit gezielter Werbung bei speziellen Interessengruppen in Erinnerung, um diese für einen Aufenthalt in der Schweiz zu motivieren, und das mit zunehmendem Erfolg.

 

Eine 10-Monate-Bahn

Stichwort: das Jungfraujoch. Ziel gewisser Verantwortlicher ist es, im Jahr eine Million Besucher hinaufzufahren. Ist das ein qualitatives, anzustrebendes Ziel, wenn in Interlaken gleichzeitig Hotels zum Verkauf stehen, weil solche Eintages-Touristen nicht bloss möglichst günstig übernachten wollen, sondern zudem wenig Sorge zur Einrichtung tragen, sodass sich das Führen des Hotelbetriebs oft nicht lohnt? Wo bleibt hier der nachhaltige Tourismus? Man darf gespannt sein, wie Marcel Furer auf diese Provokation reagieren wird. 

 «Schön der Reihe nach», schmunzelt er, der selber in verantwortungsvoller Stelle bei den Jungfraubahnen beschäftigt war (siehe Kästchen). Zuerst macht er darauf aufmerksam, dass die Jungfraubahn der eigentliche Antriebsmotor für die Region Jungfrau ist, «wenn nicht sogar für das ganze Berner Oberland». Erstaunlich seine Feststellung, dass die Jungfraubahn eine «10-Monate- Bahn» sei. Wie ist das denn zu verstehen? Zwischen Mitte November und Mitte Dezember herrscht keine Hochsaison, das Gleiche gilt für die vier Wochen nach Mitte April. «Wenn die Bahn Steigerungspotenzial hat, dann in diesen acht Wochen, sicher nicht im Juli oder August, wenn täglich bereits mit angemeldeten Gruppen, unterwegs auf Europareise, 2500 Gäste aufs Joch fahren.» Es gehe also darum, in neuen Märkten gezielt auf potenzielle Gäste primär für diese acht Wochen zuzugehen.

«Die grosse Mehrheit der Gäste sind mit den Dienstleistungen und der Freundlichkeit in der Schweiz zufrieden und kommen wieder.»

Die Schweiz wenig(er) gastfreundlich? 

Nächste Provokation: «Die Schweizer sind im Vergleich zu den Österreichern weniger gastfreundlich, das hat doch nichts mit dem Preisniveau zu tun!» Marcel Furer versucht gar nicht, sich herauszureden, stellt aber unmissverständlich fest, dass die grosse Mehrheit der Gäste mit den Dienstleistungen und der Freundlichkeit in der Schweiz zufrieden sind – und immer wieder kommen. «Klar, es gibt negative Beispiele, schwarze Schafe, und diese werden von den Medien gerne aufgenommen und ausgeschlachtet. Damit haben wir zu leben, auch wenn es schwerfällt und es dem wirklichen Bild nicht entspricht.» Interessant dann seine Feststellung, wie unterschiedlich Hotels bewertet werden, je nachdem, welches nationale Portal man für Feedbacks konsultiert: «Engländer finden es fantastisch, dass sie hier ihre Muttersprache reden können, die Schweizer beschäftigen sich eher mit organisatorischen Belangen, währenddem Asiaten sich vor allem mit dem Essen und der Unterbringung beschäftigten.» Je nach Portal und Land kön- nen die Bewertungen für das gleiche Hotel in der gleichen Zeitperiode deshalb von «Super!» über «Preis-Leistung geht ok» bis «Na ja…» differieren.

 

Die HFT in Rumänien 

Marcel Furer ist auch am Ufer des Thunersees tätig, nämlich an der Höheren Fachschule Tourismus in Thun, die sozusagen als Tochter der Luzerner Fachschule angeschlossen ist. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und versteht sich als Vollzeitlehrgang, obwohl sie pro Woche nur zwei Tage beansprucht. Die «übrigen» Tage arbeiten die Studierenden, die meisten von ihnen im Bereich des Tourismus. Diese Management- ausbildung für Tourismusprofis lehnt sich also an ein Schweizer Erfolgsmodell an (das bekanntlich von den Amerikanern kopiert werden soll), an das duale Bildungssystem, wo Praxis und Theorie parallel gelernt werden und so ineinandergreifen. 

 Beschäftigt man sich mit dem Lehrplan, begegnet man Fächern wie «Tourismuslehre», «Tourismuspolitik und -recht» ebenso wie «Projektmanagement», «Ökologie/Nachhaltigkeit», «English for Tourism Professionals», «Selbstkompetenz» oder «Finanzmanagement», um nur einige aufzuzählen. 

Wie aber steht es mit praxisbezogenen Arbeiten? «Dazu haben wir innerhalb des Lehr- gangs drei Intensivseminare», erklärt Marcel Furer, «wir gehen bewusst ins Ausland, um uns zu informieren, wie erfolgreiche Destinationsvermarkter arbeiten, zum Beispiel in Hamburg.» Aufhorchen lassen anschliessend seine Äusserungen zu zwei Intensivseminaren, die von der HFT Luzern bereits in Rumänien durchgeführt wurden, in Siebenbürgen, auch als Transsylvanien bekannt. 

«Salopp gefragt, Herr Furer, was haben Sie dort getrieben? Ihr Unwesen auf Schloss Bran, wie ein gewisser Graf Dracula?» – «Keine Angst, die Schauermärchen überlassen wir anderen… Die Studierenden leisteten dort Hilfe zur Selbsthilfe. Konkret. Während der ersten – gut vorbereiteten – Reise loteten die jungen Leute in einer kleinen Stadt, Cavasna, die Möglichkeiten eines sanften Tourismus aus und besprachen sie mit den lokalen Behörden. Nach Möglichkeit wurden auch gewisse Ideen bereits umgesetzt. Beim zweiten Aufenthalt gab es eine Art Controlling. Funktioniert es? Wo gibt es noch Verbesserungspotenzial? Völkerverständigung nennt man das dann wohl. Ganz nach dem Leitbild ‹Wir stellen hohe Anforderungen an uns und geben stets unser Bestes. Wir sind kreativ und suchen ständig nach neuen Möglichkeiten und Lösungen. Wir zeichnen uns durch einen hohen Praxisbezug und eine fundierte methodische Verankerung aus›.» Chapeau.

 

Nach seiner Schulzeit hat Marcel Furer «ds KV», eine kaufmännische Lehre, absolviert und sich danach an der höheren Fachschule in Luzern auf Tourismus spezialisiert, später in der Fachrichtung Marketing/Verkauf und Erwachsenenbildung. Er arbeitete unter anderem zehn Jahre lang in verschiedensten Funktionen bei Hotelplan – unter anderem als Reisebetreuer. Fast ebenso lang war er als Verkaufsleiter bei den Jungfraubahnen zuständig für Europa und die USA. Er hat Mandate der UNESCO betreut und war fünf Jahre lang Geschäftsführer bei den Tell-Spielen in Interlaken, auch im Jubiläumsjahr 2012. Seit 2013 leitet er Kandertal Tourismus und ist gleichzeitig Dozent an der HFT Luzern und Thun.

 

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