Markus Stübi: Der Herr der Steine wollte Lokführer werden
Markus Stübi: Der Herr der Steine wollte Lokführer werden
Sein Herz blieb vermutlich für einen Moment stehen, als Markus Stübi aus Wattenwil vor vielen Jahren einmal den beiden Buben
(7- und 9-jährig) von Freunden erlaubte, mit seiner Lego-Modelleisenbahn zu spielen, unbeaufsichtigt. Mit «Passet eifach uuf, häbet Sorg!» glaubte er sich auf der sicheren Seite. Irren ist bekanntlich menschlich. Die Kids hatten – nicht aus bösem Willen – nämlich einiges an Demontage geleistet, sodass der Lego-Fan am nächsten Tag aus Frust die ganze Anlage in Kisten verpackte, weil er keine Lust am Wiederaufbau hatte. Heute kann er herzlich darüber lachen.
Text & Fotos: Thomas Bornhauser
Szenenwechsel: 1991. Nach einem Skiunfall ist der mittlerweile verheiratete 32-jährige Belagstechniker gezwungen, drei Monate zu Hause zu bleiben. Eine unschöne Vorstellung, nicht bloss für ihn, sondern auch für seine Frau Edith. Was nun? Drei Monate die Decke anstarren? Markus Stübi erinnert sich an gewisse Kisten. Und aus dieser vermeintlichen Verlegenheitsbeschäftigung ist inzwischen eine Leidenschaft entstanden, die es verunmöglicht, die grosse Lego-Minieisenbahnanlage auf einem einzigen Bild festzuhalten.
Meistens Eigenbau
Zurück aber sozusagen zum Urknall: Wie hat alles angefangen? Markus Stübi erinnert sich: «Mitte der Sechziger Jahre habe ich als Bueb einmal Lego-Steine geschenkt erhalten. Als dann kurz darauf Lego mit der Spielzeugeisenbahn-Serie auf den Markt kam, hat es mich gepackt.» Will heissen: In den folgenden 50 Jahren ist eine grossartige Miniatureisenbahnanlage entstanden, die ständig erweitert wird, peu à peu. Der Bub im Mann? Markus Stübi lacht: «Sicher auch. Aber vor allem ist das Gestalten einzelner Elemente für mich ein Ausgleich zum stressigen Alltag, da kann ich runterfahren.» Kann er nachts einmal nicht ein- oder weiterschlafen, macht sich Markus Stübi auf den Weg nach oben, beschäftigt sich vielleicht eine Stunde mit seinem Hobby, um anschliessend den Schlaf zu finden.
Das Erstaunliche an seiner Freizeitbeschäftigung: Die meisten Objekte sind nicht mehr original Lego, das sieht man beispielsweise auf den beiden Fotos, die einen deutschen ICE zeigen. Auf der Verpackung ist die Lego-Kreation abgebildet, mit Fenstern in der Lokomotive. Markus Stübi hat dieses durchaus attraktive Fantasiegebilde so umgestaltet, dass es dem Original entspricht.
Zeitaufwändig und kostspielig
«Mein Ziel ist es, bis Ende nächsten Jahres die ganze Anlage auf meinen Laptop umzustellen, so dass alles wie programmiert funktionieren wird.» Ist der Bubentraum dann vorbei, wenn die dreistöckige Anlage, auf der 14 Zugskompositionen und fünf Monorails aufeinander abgestimmt wie von Geisterhand gesteuert umherfahren? Und Markus Stübi bleibt nur noch Zuschauer? «Keine Angst, ich bleibe der Tüftler und werde kein Zuschauer sein.»
Interessant: Eigentlich wollte der sympathische Berner – was für eine Überraschung! – ursprünglich Lokführer werden, nicht zuletzt deshalb, weil er seinerzeit bei seinem Götti in Ostermundigen eine wunderbare Aussicht auf die Eisenbahngeleise und ihre Benutzer hatte. Da sein Vater jedoch ein eigenes Geschäft besass, erübrigte sich die Berufswahl für den jungen Markus.
Über Börsen
Interessant, aber irgendwie nachvollziehbar: Auch bei den Lego-Spielsachen spielt das Internet inzwischen eine grosse Rolle, gefragt ist zum Beispiel 1000steine.de. «Vor allem wenn es um Teile geht, die nicht mehr hergestellt werden, wird auf den bekannten Portalen angeboten und versteigert. Das kann manchmal ganz schön ins Geld gehen.» Um jeden Preis ist bei ihm jedoch kein Thema; «meine Frau hätte dafür kein Verständnis», schmunzelt er. «Und überhaupt: Es ist nicht spannend, wenn man alles für Geld kaufen kann.» In solchen Fällen sei die Fantasie gefragt, Alternativen herzustellen. Apropos: Vieles, das sich in der grossartigen Anlage findet, ist «Eigenproduktion Stübli».
Selber hat Markus Stübli das echte und erste Legoland in Billund, einer von weltweit inzwischen sieben Lego-Themenparks auf der Welt, bereits besucht. Was als Nächstes? «Wenn ich einmal in Hamburg sein werde, ist die Miniatureisenbahn ein Muss.» Das sieht der Mann aber ein wenig falsch: Man besucht nicht einfach das «Miniatur-Wunderland», wenn man in Hamburg weilt. Für die grösste Anlage ihrer Art weltweit auf drei Stockwerken – allein das Mini-Flughafengelände in der Speicherstadt, in unmittelbarer Nähe der Elbphilharmonie, dürfte vier Mal (!) so gross wie die Anlage in Wattenwil sein – fährt man gezielt in die Hansestadt.
Wer darf eigentlich mit der Anlage spielen? Eine Anlage übrigens, die öffentlich nicht zugänglich ist, weil sich noch vieles under construction und working in process befindet, um es Neudeutsch auszudrücken. Markus Stübi sagt abschliessend und ohne Interpretationsspielraum: «Das ist Chefsache.»
«Das Gestalten einzelner Elemente ist für mich ein Ausgleich zum stressigen Alltag, da kann ich runterfahren.»