Alfons Bichsel: In Merligen zu Hause

Alfons Bichsel: In Merligen zu Hause

Alfons Bichsel: In Merligen zu Hause

Aus einfachen Verhältnissen stammend, hat sich Alfons Bichsel mit viel Durch­haltewillen (und etwas Hilfe der Merliger Witze) selbst eine Stellung als Gemeinderat und Grossrat sowie eine leitende Position bei der RUAG erarbeitet. Dabei blieb er nicht nur seinem Arbeitgeber, sondern auch der Thunerseeregion all die Jahre treu.

Text: David Heinen | Fotos: zvg

Es ist nicht zu überhören, dass sich der 57-jährige Merliger sehr stark mit seiner Heimatgemeinde verbunden fühlt. «Hier bin ich geboren – das ist mein Herzensdorf. Wenn man über den See blickt und die Sonne über dem Gwatt untergeht, hat man für einen Moment das Gefühl, im Paradies zu sein.» Bei so viel Verbundenheit fällt es schon fast schwer, zu glauben, dass Alfons Bichsel auch mal woanders gewohnt hat. Allzu weit weg hatte es ihn aber nicht verschlagen – 25 Jahre hat er im Gwatt verbracht. «Die bessere Abendsonne haben wir sicher in Merligen», meint er dazu lachend. Der zweifache Vater und dreifache Grossvater kennt also die unterschiedlichen Seeperspektiven und ist eine wahre Thunerseepersönlichkeit, die dazu noch einiges über ihre Heimat zu erzählen weiss.


Aufgewachsen an, auf und in dem Thunersee

Angesprochen auf seine schönsten Kindheitserinnerungen, erwähnt Alfons Bichsel das gemeinsame Fischen mit seinem Vater und seinem Grossvater. «Wir hatten eine Unmenge an Fischen und eine Artenvielfalt, die grossartig war.» Wenn er heute am Ufer entlanggeht, sieht er dagegen so gut wie keine Fische mehr. Ein anderes Erlebnis, das sich fest in sein Gedächtnis eingebrannt hat, ist die Eröffnung des Strandbads Merligen im Jahr 1975. «Als zehnjähriger Knirps nahm ich damals am ersten Wettschwimmen teil – die Medaille habe ich noch heute!» Wenn Alfons Bichsel über seine Kindheit erzählt, gerät er ins Schwärmen: «Ich durfte wirklich eine wunderbare Kindheit erleben.» Aufgewachsen ist er zusammen mit zwei Brüdern, einer Schwester, seinen Eltern und seinen Grosseltern in einem Drei-Generationen-Haus direkt neben dem Schulhaus in Merligen. Seine Familie bot ihm viele Freiheiten, die er gerne draussen auslebte. Diesbezüglich wird er ein wenig wehmütig, wenn er auf die heutige Generation blickt: «Ich wünsche mir für die Jungen mehr Toleranz und mehr Freiheiten, damit der eine oder andere Blödsinn wieder möglich wird.» Die Begeisterung für das Technische und das Armeewesen hat er sicherlich von seinem Vater geerbt – schliesslich arbeitete dieser in den Artilleriewerken Waldbrand und Schmockenfluh. Was hier so unverblümt preisgegeben wird, war damals ein Geheimnis. Die Kinder durften nichts davon erzählen. Das Geheime, das diese Arbeitsstelle umgab, übte natürlich auch einen speziellen Reiz auf den jungen Alfons aus.


Von Panzern und Parteien

Der berufliche Werdegang von Alfons Bichsel liest sich wie eine klassische Erfolgsstory des Schweizer Bildungssystems: Nach der obligatorischen Schule ergatterte er eine Ausbildungsstelle als Autoelek­triker bei den Eidgenössischen Konstruktionswerkstätten (K+W), die heute Teil der RUAG sind. Im Jahr 1987 erfolgte dann ein einschneidendes Ereignis, das seine berufliche Laufbahn auf Jahre bestimmen sollte: die Einführung des Kampfpanzers Leopard. So betreute er die Abnahme der Fertigung dieser Panzer; und in der Armee leitete er als Unteroffizier die Ausbildung der Panzerelektriker in der ersten Leopard-Rekrutenschule. «Das war grossartig und hat mein Leben entscheidend geprägt.» Mehrere Jahre arbeitete er in der Forschung und Entwicklung und durfte an verschiedensten Projekten mitwirken. 1999 wechselte er dann in die Logistik des Leopards und arbeitete sich bis zum SLA-Manager hoch. Alfons Bichsel sagt heute rückblickend: «Ich gehöre zu den Leuten, die das duale Bildungssystem ideal ausnutzen konnten.» 

Neben der Arbeit engagiert sich Alfons Bichsel auch in der Politik. Der Gedanke, selbst politisch aktiv zu werden, tauchte bereits relativ früh auf. Durch seine Tätigkeit in verschiedenen Vereinen kam er unvermeidlich mit der Verwaltung in Kontakt. «Da stiess ich immer mal wieder auf Umstände mit Verbesserungspotenzial – und etwas verbessern kann man nur auf politischem Weg.» Doch lange bemühte er sich nicht aktiv um ein politisches Amt. Im Jahr 2010 wurde in Sigriswil ein Kommissionssitz im Bereich Bildung frei und Alfons Bichsel wurde angefragt, ob er diesen übernehmen möchte. Bald darauf trat der Kommissionsvorsteher zurück, und Alfons Bichsel wurde der Posten des Gemeinderats angeboten – er sagte zu. Zuerst war er noch parteilos unterwegs, bald merkte er jedoch, dass wirkungsvolles politisches Engagement nur mit einer Partei im Rücken wirklich möglich ist. Auf diese Überlegungen hin folgte die Gründung der Sektion Sigriswil der BDP. Alfons Bichsel schätzt den Umgang in der Partei sehr: «Es ist schon speziell, wenn man merkt, dass viele ähnlich denken wie du selbst. Das motiviert natürlich. Mit jedem Thema fängt das Aushandeln aber wieder von Neuem an. Es ist sehr schön, dass wir diese Diskussionen immer offen führen können.» In der Sommersession 2020 folgte dann der nächste grosse Schritt: Er konnte in den Grossrat nachrücken. Eine Position, in der er bei den folgenden Wahlen 2022 bestätigt wurde. Bei seiner politischen Tätigkeit ist ihm der direkte Austausch mit seinen Wählerinnen und Wählern wichtig. «Man muss hinstehen und seine Meinung vertreten, denn nur im Gespräch mit der Bevölkerung kann man seine Standpunkte bekanntgeben. Und man muss bereit sein, Kritik entgegenzunehmen.»


Merliger Witze und Weitsichten

Alfons Bichsel lebt nach dem Credo «Immer offen, direkt, freundlich und aufgestellt». Dies erwartet er auch von seinen Gegenübern: «Versteckter Groll ist für die Gesellschaft nicht gut. Es ist besser, wenn man Probleme direkt anspricht – auch wenn es mal wehtut. Daran dürften wir in der Gesellschaft meiner Meinung nach noch etwas arbeiten.» Bereits erwähnt wurde, dass Alfons Bichsel in unterschiedlichen Vereinen tätig ist. So sagt er über sich selbst: «Ich bin ein Vereinsmensch.» Lange war er Mitglied im Musikverein, und dem Turnverein ist er bis heute treu geblieben. Abschalten von Arbeit und Politik kann er dagegen am besten mit seiner Familie draussen in der Natur. So ist er sehr viel zu Fuss mit seiner Frau und dem Hund unterwegs oder geht Schneeschuhwandern und Skifahren – wenn denn genug Schnee liegt. Innerhalb von Merligen ist er meistens auf dem Velo unterwegs, und auch den Arbeitsweg legt er oft auf diese Weise zurück.

Apropos Merligen: Über die dortigen Einheimischen werden bekanntlich gerne Witze erzählt, doch Alfons Bichsel sieht das sportlich: «Ein guter Merliger Witz ist immer angebracht.» So ist er sich auch sicher, dass eben wegen dieser Witze die Merliger häufig unterschätzt werden, was diese wiederum zu ihrem Vorteil ausnutzen können. Für Alfons Bichsel haben die Merliger Witze aber noch eine ganz andere Bedeutung – er verdankt ihnen seine Lehrstelle! Zusammen mit einem anderen Schnupperstift durfte er die K+W kennenlernen. In der ersten Pause diskutierten sie eine wenig mit dem Chef und den anderen Mitarbeitenden. Nachdem diese erfahren hatten, dass Alfons Bichsel aus Merligen stammt, wurde er gleich nach dem ersten Witz gefragt – so ging es die ganze Woche. «Ich behaupte heute, dass der andere Schnupperstift besser war als ich, aber ich konnte besser Merliger Witze erzählen – deswegen wurde ich angestellt», erzählt er mit einem Schmunzeln. 

Abschliessend hat Alfons Bichsel noch einen richtigen Geheimtipp parat: seinen Lieblingsort am Thunersee. Von Merligen führt ein Weg rauf nach Beatenberg, den fast nur die Einheimischen kennen. Man folgt zuerst dem Priiswägli und biegt dann ins Chrachewägli ab, das zum Aussichtspunkt Schmockenfluh führt. Dort ist man meistens für sich. Man sieht runter auf Merligen und hat den weiten Seeblick mit dem Niesen und dem Stockhorn im Hintergrund: «Es gibt kein schöneres Gefühl, als dort oben die Ruhe in sich aufzunehmen. Das ist wirklich ein magischer Ort!» 

«Es ist schon speziell, wenn man merkt, dass viele ähnlich denken wie du selbst.»

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