Marianne Kruger: Auf dem Thunersee ebenso Zuhause wie in der Welt
Marianne Kruger: Auf dem Thunersee ebenso Zuhause wie in der Welt
Sie ist eine bewundernswerte Frau, Marianne Kruger, die seit einem Jahr in der Sonnmatt Thun lebt: Sie ist im «Wohnen mit Dienstleistungen», ihr Mann Charly im Bereich der Pflege. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Täglich.
Text: Thomas Bornhauser | Fotos: Thomas Bornhauser, zvg
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Tolle Zeit im Seeland
Nach der Schulzeit versucht sich Marianne 1957 mit einem Zwischenjahr «auf dem Land», bricht das jedoch ab. Anschliessend geht es nach Chur zur Ausbildung als Hauswirtschaftslehrerin. Chur? Marianne Kruger lacht: «Ja, weil man sich dort ohne Handarbeiten ausbilden lassen konnte, darauf hatte ich keine Lust.» Nach Abschluss ihrer Lehre geht sie für fünf Jahre nach Brüttelen bei Ins in das «Erziehungsheim für Mädchen», wie das damals hiess, die heutige Stiftung Brüttelenbad, ein Heim für erwachsene Menschen mit kognitiven und teilweise mehrfachen Beeinträchtigungen. «Dort habe ich gemerkt, dass ich im Vergleich zu den Mädchen noch ganz schön grün hinter den Ohren war», schmunzelt sie, «vor allem in Bezug auf Erfahrungen mit Männern, obwohl die ältesten erst 18 waren.» Die Bewohnerinnen kommen aus zerrütteten Verhältnissen ins Heim, wurden beim Stehlen erwischt oder eben wegen «Mannegschichte» dorthin geschickt. Marianne Kruger hat an diesen fünfjährigen Aufenthalt im Seeland viele gute Erinnerungen, trotz den Umständen. «Wir waren ein wirklich tolles Team, konnten den Mädchen vieles bieten, hatten mit ihnen ein echtes Vertrauensverhältnis.» Es ist damals vieles möglich, zusammen führt man den «Taugenichts» von Joseph von Eichendorff auf und die «Zäller Wiehnacht», geniesst die Zeit in den Sommerlagern. «Ja, ig ha se möge bha», sagt sie belustigt mit Stolz. Und man(n) staunt: Zu einigen der damaligen Kolleginnen hat Marianne Kruger noch heute einen herzlichen Kontakt.
Handarbeit nachbüffeln
Es zieht Marianne Kruger nach ihrer Zeit im Seeland nach Bern zurück. Sie erhält eine Stelle in der Sekundarschule Laubegg, einer Schule, die zu jener Zeit nur für Mädchen vorgesehen war. Bedingung: Sie muss sich doch noch in Handarbeit ausbilden lassen, was sie auch tut und die Prüfung mit Bravour besteht. Am liebsten sind ihr jedoch Schulstunden im «nicht textilen Bereich», also zum Beispiel zur Kartonage. 1974 lernen sich Charly und Marianne Kruger näher kennen, beim Segeln. «Es war Liebe auf den ersten Blick», und diese Liebe ist auch heute, fast 50 Jahre später, zu spüren. Zusammengeführt hat sie eine gemeinsame Bekannte, bei einem Hauskonzert, zu dem Charly Kruger und Marianne Wyss eingeladen wurden. «Charly hat mich kurz danach auf sein Segelboot auf dem Thunersee eingeladen.» 1976 wird geheiratet in der Stephanus-Kirche im Spiegel, Gemeinde Köniz. Logisch: Marianne zieht von Bern nach Thun zu ihrem Ehemann, zuerst an die Riedstrasse, anschliessend für 40 Jahre an die Pestalozzistrasse, bis zum Zeitpunkt vor einem Jahr, als beide Eheleute in die Sonnmatt ziehen (müssen), weil Herr Kruger (93) «schlächt zwäg isch».
Von der GIBT zur IDM
Charly Kruger arbeitet während seiner Berufszeit als Konstrukteur bei der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte (K+W) in Thun, der heutigen Ruag. Er ist als gelernter Maschinenzeichner Spezialist für militärische Geräte, natürlich auch für Panzer, die auf dem Waffenplatz Thun im Einsatz sind.
Marianne Kruger ihrerseits unterrichtet ab 1978 als Berufsschullehrerin an der GIBT (später IDM), dem Berufsbildungszentrum an der Mönchstrasse, Haushaltlehrtöchter und deren Lehrmeisterinnen mit dem Ziel, ihnen zum eidgenössischen Fähigkeitsausweis zu verhelfen. Für Jugendliche eine gute Grundlage für ihre Zukunft. In Zusammenarbeit mit mehreren Kolleginnen aus dem ganzen Kanton Bern wurde dazu ein vielseitiger Lehrplan erarbeitet. Daneben betätigt sie sich als Werklehrerin, zuerst im Pestalozzischulhaus, später im Aarefeldschulhaus. 1992 «rutscht» Marianne in die Baukommission des Alters- und Pflegeheims Schönegg in Hünibach. Dort engagiert sie sich auch über den Stiftungsrat hinaus – Altersturnen, dann Ausbildung zur Pflegehelferin SRK – und lernt in ihrer Anstellung viel Nützliches, was vor allem ihrem Mann später zugute kommen wird, da Marianne ihn bis 2021 zu Hause pflegen kann. Die Frage drängt sich auf: Weshalb ist sie nun selber in der Sonnmatt, nicht in der Schönegg? «Mit der in der Schönegg ebenfalls professionellen Pflege hat das nichts zu tun, es ist die Lage am See.» Und ganz abgesehen davon: Marianne Kruger kommt direkt ins Schwärmen, wenn sie von der Sonnmatt erzählt, wo man ihr «viele Freiheiten» lässt. Kunststück, so wie diese vife und sympathische 81-Jährige «zwäg» ist.
«Reisefüdle»
Was Charly und Marianne Kruger immer begeistert hat, und das nicht erst seit ihren Pensionierungen: die weite Welt, die sie auf so verschiedene Art bereist haben. Sei es mit dem Segelschiff – «wir waren auf allen Schweizer Seen, mit der Zeit wurden unsere Boote immer länger» –, mit den Klappvelos und ihren 14 Gängen oder zum Beispiel im legendären Amtrak rund um Nordamerika. Übernachtet wurde meist in Jugendherbergen, in Youth-Hostels. Was ist ihr von dieser Reise in Erinnerung geblieben? «Die unendlichen Weiten des Landes – und die Hilfsbereitschaft der Amerikaner Touristen gegenüber, immer ein ‹Can I help you?› auf ihren Lippen.»
Dreimal besuchten Krugers Südafrika, weil sie dort in Kapstadt Verwandte haben, um dann aber das ganze Land zu bereisen. Ehrensache auch, auf den Tafelberg zu gehen und wieder hinunterzulaufen. Bei ihrem ersten Besuch lebten die Menschen im südlichen Afrika noch unter der Apartheid, beim zweiten Besuch vergrösserten sich die Townships – nach der Freilassung von Nelson Mandela und dem Ende der Rassentrennung – rund um die Grossstädte zusehends, man konnte sie aber noch erkunden, was bei der dritten Reise zu gefährlich wurde.
Um nicht zu vergessen: Die Schweiz als Reiseland ist in ihr Herz gemeisselt. Was im Gespräch mit Marianne Kruger auffällt: Sie ist selbstlos, war und ist immer für andere da, sei es früher bei Seniorenwanderferien, die sie mit ihrem Mann geleitet hat, bei Arbeiten für eine Pfarrei, wo zum Beispiel Geld für Notleidende in Angola gesammelt und Container mit Kleidern und nützlichen Gegenständen beladen wurden. Auch bei Aktivitäten des SAC oder der CVP, bei der sie heute noch Mitglied ist und die inzwischen «Die Mitte» heisst. Und was wünscht sie sich für die nahe Zukunft? «Dass ich geistig gesund und körperlich fit bleibe, damit ich noch lange Zeit mit Charly verbringen kann.» Dem gibt es nichts hinzuzufügen.