Hansruedi Fehr: Zwischen Praxis und Atelier
Hansruedi Fehr: Zwischen Praxis und Atelier
Medizin und Kunst sind zwei Bereiche, die eher selten in einem Atemzug genannt werden – doch wenn man Hansruedi Fehr beschreiben will, ist genau das notwendig. Der 62-jährige Arzt aus Unterlangenegg ist seit vielen Jahren unter dem Pseudonym HR Federhirn kreativ tätig und fühlt sich in vielen Techniken zu Hause.
Text: David Heinen | Fotos: Luca Däppen, zvg
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Immer wieder Afrika
Den Grossteil seiner Kindheit verbrachte Fehr in der Stadt Bern, wo sein Vater als Keramiker an der Kunstgewerbeschule unterrichtete. Der Hang zum Kreativen war ihm also durchaus in die Wiege gelegt, obwohl er sich des Einflusses des Vaters zu entziehen versuchte. «Er hätte mir sicher gerne viel beigebracht. Rückblickend reut es mich, dass ich das ignoriert habe – manchmal fast kaltschnäuzig.» Fehr versuchte sich in verschiedenen künstlerischen Disziplinen, belegte am Gymnasium Zeichnen als Kernfach und kam während eines Auslandsjahrs in Kalifornien mit Fotografie und Journalismus in Kontakt – eine seiner Fotoreportagen wurde damals sogar ausgezeichnet. Nach der Matura liebäugelte er mit einer Ausbildung zum Grafiker und der Journalismusschule, doch schliesslich entschied er sich fürs Medizinstudium. «Zu lernen, wie man Menschen hilft, die gesundheitliche Probleme haben, erachtete ich als äusserst erfüllend – und das ist bis heute so geblieben.» Doch auch seinem Fernweh wollte er durch diese Entscheidung Genüge tun. «Ich reise sehr gern und dachte mir, Ärzte braucht es überall.»
So liess Fehr Pinsel, Stift und Kamera fürs Erste beiseite und widmete sich seinen Studien in Bern. Während dieser Zeit erfolgte dann die erste Afrikareise: In Kairo belegte er einen Kurs in Tropenmedizin und absolvierte in einem Kinderspital ein Praktikum. Später zog es ihn auch für seine Doktorarbeit wieder in die Ferne und er erledigte in Ghana die notwendige Feldarbeit. In der Schweiz war er dagegen vor allem im beschaulichen Berner Oberland zu Hause und arbeitete an verschiedenen Orten als Assistenzarzt. Mitte der 90er-Jahre folgte dann der bis dahin längste Auslandsaufenthalt; zusammen mit seiner Frau und den drei jungen Töchtern zog er nach Simbabwe, wo er zwei Jahre als Chefarzt ein District Hospital führte. Auch wenn ihm während seiner Ausbildung und der Jahre danach nicht viel Zeit für kreative Tätigkeiten blieb, verlor Fehr diesen Aspekt seines Lebens nie ganz aus den Augen und fertigte vor allem auf seinen Reisen viele Skizzen an. Afrika ist dabei auch eine grosse Inspirationsquelle für sein heutiges Schaffen geworden. Nach den vielen Reisen und unterschiedlichen beruflichen Stationen wurde er im Jahr 2000 schliesslich in Unterlangenegg sesshaft und übernahm eine ländliche Hausarztpraxis. Nach bald 25 Jahren beendigt er diese Tätigkeit nun auf Ende Jahr. «Es hat mich erfüllt und stolz gemacht, all die Jahre die erste Ansprechperson für medizinische Probleme aller Art zu sein. Es gibt Familien, bei denen ich vier Generationen betreuen durfte.»
Eine professionalisierte Leidenschaft
Bei den Betrachtenden seiner Werke möchte Fehr vor allem angenehme Emotionen wecken. «Die Welt ist schon problematisch genug, ich möchte eigentlich positive Aspekte des Lebens darstellen.» So vergleicht er seine Aquarelle, die unterwegs entstehen, mit Erinnerungsfotos, die die Schönheit und die Einmaligkeit einer Situation festhalten und auch Jahre später gute Gefühle wecken. Doch wer aufmerksam durch die Welt geht und die Themen, die ihn beschäftigen, zu verarbeiten versucht, kann nicht immer nur positiv bleiben. So finden sich in Fehrs Schaffen auch politische Werke, die sich beispielsweise mit der Gletscherschmelze oder dem Sturm auf das Capitol in Washington auseinandersetzen. Auch schmerzliche persönliche Erfahrungen greift er auf: «Mein Bruder ist bei einem Bergunfall ums Leben gekommen. Dieses Ereignis habe ich in einer 14-teiligen Tiefdruck-Mappe verarbeitet. Das half mir, Abschied zu nehmen und mich mit den geliebten Bergen zu versöhnen.» Vor wenigen Jahren hat Fehr ein weiteres emotionales Projekt verwirklicht. In Simbabwe war er mit traditionellen Märchen der Shona-Kultur in Kontakt gekommen. Schon damals hatte er die Idee, diese Geschichten in irgendeiner Form für seine Töchter darzustellen, und malte erste Skizzen – doch er verlor das Projekt wieder aus den Augen. Während der Coronazeit, in der eigentlich eine Reise nach Afrika geplant war, griff er die Idee wieder auf. Er schrieb sein Lieblingsmärchen in eigenen Worten neu, illustrierte es und gab das Buch im Eigenverlag heraus. Alle Einnahmen spendet er für gemeinnützige Zwecke.