Hansruedi Fehr: Zwischen Praxis und Atelier

Hansruedi Fehr: Zwischen Praxis und Atelier

Hansruedi Fehr: Zwischen Praxis und Atelier

Medizin und Kunst sind zwei Bereiche, die eher selten in einem Atemzug genannt werden – doch wenn man Hansruedi Fehr beschreiben will, ist genau das notwendig. Der 62-jährige Arzt aus Unterlangenegg ist seit vielen Jahren unter dem Pseudonym HR Federhirn kreativ tätig und fühlt sich in vielen Techniken zu Hause.

Text: David Heinen | Fotos: Luca Däppen, zvg

Wenn man das Atelier von Hansruedi Fehr in Unterlangenegg betritt, sind die Augen fast etwas überfordert. Überall lassen sich Aquarelle, Druckgrafiken, Skizzen, Aktmalereien, Werke anderer Kunstschaffenden und das eine oder andere dreidimensionale Objekt bestaunen. «Mir ist Vielfältigkeit wichtig. Ich möchte in puncto Motiven und Techniken ein breites Spektrum abdecken.» Diese Vielfältigkeit spiegelt auch Fehrs Vita wider: Schon früh begeisterte er sich für alles Kreative und lebte seine Leidenschaft zu Schulzeiten aus. Trotzdem entschied er sich für ein Medizinstudium; ein scheinbar konträrer Weg. «Die Arbeit als Arzt ist nicht kreativ, eher konservativ. Man will den Schaden erkennen und beheben, ist defizitorientiert. Deswegen suchte ich dann wohl bald wieder die kreative Nebenbeschäftigung.» Doch er sieht auch Gemeinsamkeiten der beiden Tätigkeiten: «Bei beiden betrachten wir Menschen und ihre Umgebung und fokussieren auf das Sichtbare oder auch das Unsichtbare. Dann bringen wir dies mit unserer Bildung, Erfahrung und Intuition in Verbindung und versuchen, dem Ganzen eine positive Wendung zu geben.» 
 

Immer wieder Afrika

Den Grossteil seiner Kindheit verbrachte Fehr in der Stadt Bern, wo sein Vater als Keramiker an der Kunstgewerbeschule unterrichtete. Der Hang zum Kreativen war ihm also durchaus in die Wiege gelegt, obwohl er sich des Einflusses des Vaters zu entziehen versuchte. «Er hätte mir sicher gerne viel beigebracht. Rückblickend reut es mich, dass ich das ignoriert habe – manchmal fast kaltschnäuzig.» Fehr versuchte sich in verschiedenen künstlerischen Disziplinen, belegte am Gymnasium Zeichnen als Kernfach und kam während eines Auslandsjahrs in Kalifornien mit Fotografie und Journalismus in Kontakt – eine seiner Fotoreportagen wurde damals sogar ausgezeichnet. Nach der Matura liebäugelte er mit einer Ausbildung zum Grafiker und der Journalismusschule, doch schliesslich entschied er sich fürs Medizinstudium. «Zu lernen, wie man Menschen hilft, die gesundheitliche Probleme haben, erachtete ich als äusserst erfüllend – und das ist bis heute so geblieben.» Doch auch seinem Fernweh wollte er durch diese Entscheidung Genüge tun. «Ich reise sehr gern und dachte mir, Ärzte braucht es überall.»  So liess Fehr Pinsel, Stift und Kamera fürs Erste beiseite und widmete sich seinen Studien in Bern. Während dieser Zeit erfolgte dann die erste Afrikareise: In Kairo belegte er einen Kurs in Tropenmedizin und absolvierte in einem Kinderspital ein Praktikum. Später zog es ihn auch für seine Doktorarbeit wieder in die Ferne und er erledigte in Ghana die notwendige Feldarbeit. In der Schweiz war er dagegen vor allem im beschaulichen Berner Oberland zu Hause und arbeitete an verschiedenen Orten als Assistenzarzt. Mitte der 90er-Jahre folgte dann der bis dahin längste Auslandsaufenthalt; zusammen mit seiner Frau und den drei jungen Töchtern zog er nach Simbabwe, wo er zwei Jahre als Chefarzt ein District Hospital führte. Auch wenn ihm während seiner Ausbildung und der Jahre danach nicht viel Zeit für kreative Tätigkeiten blieb, verlor Fehr diesen Aspekt seines Lebens nie ganz aus den Augen und fertigte vor allem auf seinen Reisen viele Skizzen an. Afrika ist dabei auch eine grosse Inspirationsquelle für sein heutiges Schaffen geworden. Nach den vielen Reisen und unterschiedlichen beruflichen Stationen wurde er im Jahr 2000 schliesslich in Unterlangenegg sesshaft und übernahm eine ländliche Hausarztpraxis. Nach bald 25 Jahren beendigt er diese Tätigkeit nun auf Ende Jahr. «Es hat mich erfüllt und stolz gemacht, all die Jahre die erste Ansprechperson für medizinische Probleme aller Art zu sein. Es gibt Familien, bei denen ich vier Generationen betreuen durfte.»

Eine professionalisierte Leidenschaft

Seit rund 15 Jahren widmet sich Fehr wieder intensiv der Kunst. Als Initialzündung kann die Begegnung mit dem österreichischen Künstler Heribert Mader bezeichnet werden, der ihn für das Aquarell begeisterte. Zusätzlich erkrankte der Vater etwa zur selben Zeit an Demenz, was Fehr ebenfalls wieder näher an die Kunst führte. An der Schule für Gestaltung besuchte er daraufhin verschiedene Kurse und vertiefte autodidaktisch seine Fähigkeiten. Weiter trat er über die Jahre verschiedenen Künstlergruppen wie der Deutschen Aquarell-Gesellschaft (DAG/GWS e.V.), der Gilde Schweizer Bergmaler und Bergmalerinnen (GSBM) oder der Holzschneidervereinigung Xylon bei. In seinem Schaffen kann man grob zwei Schwerpunkte ausmachen: Aquarelle und Druckgrafiken. Für die Aquarelle ist er vorzugsweise draussen unterwegs und bildet die Motive unter freiem Himmel ab – Plein-air-Malerei nennt sich das. Dabei widmet er sich meist Naturmotiven, wobei nicht die möglichst realitätsnahe Abbildung im Mittelpunkt steht. «Ich möchte in erster Linie die Stimmung einfangen. Die Einmaligkeit der Situation ist mir wichtiger als die Wiedererkennbarkeit.» Bei den Druckgrafiken ist die Herangehensweise eine andere, meist steht eine übergeordnete Idee im Zentrum, die auch mal eher abstrakt umgesetzt wird. Neben all der Vielseitigkeit achtet Fehr aber auch darauf, nicht zu viel zu wollen. So malt er beispielsweise nicht mehr mit Ölfarben. Sich in eine spezifische Technik einzuarbeiten, nimmt viel Zeit in Anspruch. «Wenn man alles ausprobieren will, verzettelt man sich – das möchte ich vermeiden.» Einem bestimmten Stil kann man Fehr schwer zuordnen. «Ich möchte eigentlich in keine Schublade passen. Das Wichtigste für Kunstschaffende scheint mir, dass sie sich eine eigene Identität erarbeiten – und das unabhängig von Motiven und Techniken.» Das bedeutet natürlich nicht, dass er im luftleeren Raum arbeitet und nicht von anderen Werken beeinflusst ist. «Bei den Aquarellen wurde ich sicher anfangs geprägt von der modernen österreichischen Malerei.» In der Druckgrafik seien viele technische Aspekte im Spiel. Einige hätten sich seit Rembrandts Zeiten kaum verändert und laden zum Experimentieren ein. «Beim Drucken versuche ich, die Tradition wertzuschätzen und sie trotzdem weiterzuentwickeln und Neues zu schaffen.»


Bei den Betrachtenden seiner Werke möchte Fehr vor allem angenehme Emotionen wecken. «Die Welt ist schon problematisch genug, ich möchte eigentlich positive Aspekte des Lebens darstellen.» So vergleicht er seine Aquarelle, die unterwegs entstehen, mit Erinnerungsfotos, die die Schönheit und die Einmaligkeit einer Situation festhalten und auch Jahre später gute Gefühle wecken. Doch wer aufmerksam durch die Welt geht und die Themen, die ihn beschäftigen, zu verarbeiten versucht, kann nicht immer nur positiv bleiben. So finden sich in Fehrs Schaffen auch politische Werke, die sich beispielsweise mit der Gletscherschmelze oder dem Sturm auf das Capitol in Washington auseinandersetzen. Auch schmerzliche persönliche Erfahrungen greift er auf: «Mein Bruder ist bei einem Bergunfall ums Leben gekommen. Dieses Ereignis habe ich in einer 14-teiligen Tiefdruck-Mappe verarbeitet. Das half mir, Abschied zu nehmen und mich mit den geliebten Bergen zu versöhnen.» Vor wenigen Jahren hat Fehr ein weiteres emotionales Projekt verwirklicht. In Simbabwe war er mit traditionellen Märchen der Shona-Kultur in Kontakt gekommen. Schon damals hatte er die Idee, diese Geschichten in irgendeiner Form für seine Töchter darzustellen, und malte erste Skizzen – doch er verlor das Projekt wieder aus den Augen. Während der Coronazeit, in der eigentlich eine Reise nach Afrika geplant war, griff er die Idee wieder auf. Er schrieb sein Lieblingsmärchen in eigenen Worten neu, illustrierte es und gab das Buch im Eigenverlag heraus. Alle Einnahmen spendet er für gemeinnützige Zwecke.   

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