Ilse Hauser: «Du stehst mit einem Bein im Chefi…»

Ilse Hauser: «Du stehst mit einem Bein im Chefi…»

Es isch fasch geng wie geng: Auch Ilse Hauser in der WiA-Sonnmatt meint zu Beginn, sie hätte gar nicht viel Interessantes aus ihrem Leben zu erzählen – wie schon viele andere vor ihr. Und siehe da: Kaum ist man im Gespräch mit ihr, öffnen sich Türen, die neugierig machen.

Text: Thomas Bornhauser  |  Fotos: Thomas Bornhauser, zvg

Nein. Sie sieht nicht wie eine über 80-Jährige aus, und schon gar nicht, wenn sie aus ihrem Leben erzählt, mit Begeisterung, sich vieler Details erinnernd. Ilse Hauser wird Ende Februar 1939 geboren. In Hütten, einer der drei angrenzenden Berggemeinden zwischen den Kantonen Schwyz und Zug. Sie wächst mit einer Schwester und zwei Brüdern auf, geht auch dort zur Schule. «Eigentlich rechnete meine Mutter vor der Geburt mit einem Bueb», lacht sie, «kein Wunder liess man mich deshalb gewähren, wie einen Buben.» Oftmals sei es vorgekommen, dass Klein-Ilse erst nach Blessuren oder einer blutenden Wunde am Kopf weinend vom Spielplatz heimgekommen sei. Diese Suche nach Risiko ist auch gut auf jenem Foto zu sehen, wo Ilse doch etwas sehr unbekümmert auf dem Dach des Bauernhauses steht, das gerade neu aufgebaut wird. Stichwort Bauernhof: Die Kinder spielten dort oftmals «Versteckis». Einmal wurde Ilse von ihrem Bruder unter einem Heuhaufen ausgemacht, sodass er zurück zum Ausgangspunkt rannte, um sie «anzuschlagen». Ilse, schlau wie sie nun einmal war, wusste, dass er einen Umweg machen musste,  sodass sie eine Abkürzung nahm und über einen Heuballen sprang, wo normalerweise zwei Meter weiter unten ebenfalls Heu lag. Normalerweise…

 

Das Glarnerland als zweite Heimat

Das Leben der jungen Ilse Hauser verlief nicht nach dem von ihr vorgesehenen Regiebuch. Weil die Mutter wegen einer Herzerkrankung nicht mehr auf dem Bauernhof arbeiten konnte, begann die ältere Schwester mit ihrer bäuerlichen Ausbildung, sodass Ilse auf dem Hof weiterarbeitete, mit der Aussicht, nach Rückkehr der Schwester eine Ausbildung als Floristin beginnen zu können. Aber eben: Erstens kommt es bekanntlich anders und zweitens als man denkt. Praktisch zur gleichen Zeit, da ihre Schwester wieder auf dem Hof war, kam im Winter die Anfrage von einem Bekannten ihrer Eltern, «ob Ilse nicht im Betrieb vorübergehend für die Verpackung von Weihnachtsartikeln aushelfen könnte». Konkret: Es handelte sich dabei um einen grösseren Fleischverarbeitungsbetrieb der Gebrüder Kunz in Bilten. Und dort blieb Ilse Hauser hängen, das Glarnerland wurde zu ihrer zweiten Heimat. Im Betrieb wurde ihr immer mehr Verantwortung übertragen, zum Schluss als Verkaufsdisponentin, dies, nachdem sie berufsbegleitend die Handelsschule absolviert und mit Erfolg abgeschlossen hatte. «Ich war für ziemlich viel verantwortlich», sagt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht. «Dazu gehörte auch, dass ich bei grossen Produkte-Auslieferungen dafür verantwortlich war, dass die Etiketten unter anderem genau nach Lebensmittelverordnung und anderen Vorschriften bedruckt waren. Dazu erklärte mir mein Chef einmal mit einem Augenzwinkern, dass ich immer mit einem Bein im Chefi stehen würde, falls … Dann fügte er aber hinzu, dass er selbstverständlich für mich geradestehen würde. Immerhin das.»

 

«Jeg elsker dig!» 

Sommer 1987: Obwohl es tagelang nur regnete, begleitete Ilse Hauser ihre Eltern wie abgemacht in die Ferien nach Sigriswil, um sie nicht zu enttäuschen. Und wieder galt: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Während dieser Ferien lernte Ilse ihren künftigen Mann kennen, Gerhard, der ziemlich älter als sie selber war, in Dänemark lebte – in Gentofte, einem Vorort von Kopenhagen – und nur seine Ferien in Sigriswil verbrachte. Sonne am Himmel, gefolgt vom dänischen «Jeg elsker dig!» und der Heirat 1988 in der Kirche von Sigriswil, wo die beiden Eheleute nach einer einjährigen Art «Wochenendbeziehung» – Ilse war noch in der Zentralschweiz beschäftigt – auch lebten. Trotz ihres, wie sie sagt, «fortgeschrittenen Alters» fand Ilse Hauser, die ihren Mädchennamen behielt, eine Anstellung bei der Stadtverwaltung Thun. Wegen seines Alters waren sich beide bewusst, dass ihr gemeinsames Zusammensein nicht für ewig war. Gerade deshalb genossen Ilse und Gerhard die Zeit auf sehr intensive Weise. Im Sommer 1992 verstarb Ilse Hausers Ehemann.

 

Alters-WG 

 «Zum Glück habe ich mich in Sigriswil immer wohlgefühlt, dazu kam, dass viele Freunde und Bekannte mir über diese schwere Zeit hinweggeholfen haben», blickt sie zurück. Nach und nach fand sie ins Leben zurück, verbrachte Ferien zusammen mit ihrem Bruder Andreas und ihrer Schwägerin Monika, bis «dr Brüetsch und myni fantastischi Schwägere» die Idee hatten, man könne ja zusammenziehen, einen Dreier-Haushalt gründen. Gesagt, getan. Nun ja … fast. Es gab eine mehrmonatige Versuchsphase unter anderem während den Wochenenden, um festzustellen, ob das klappen könnte. Und es klappte! Ilse Hauser tauschte ihre Wohnung in Sigriswil gegen ein neues Zuhause zusammen mit Monika und Andreas in Frutigen. Und plötzlich hatte sie auch drei Grossnichten und zwei Hunde, also eine neue Familie. «Und es war schön!» Es passierte im Laufe der Zeit, was uns allen passiert: Wir werden älter. Und das hatte zur Folge, dass das Auto eine tragende Rolle zu spielen begann, sei es für die Einkäufe oder für ausgedehntere Spaziergänge mit den Hunden. Mit anderen Worten: Andreas, Monika und Ilse mussten sich nach einer neuen Wohnung umsehen, um unabhängig zu bleiben. Dieses neue Zuhause fand sich 2013 an der Freiestrasse in Thun. Diese Möglichkeit ergab sich, als unser Trio schon daran dachte, die Möbel einzustellen und vorübergehend ins Wohnmobil zu ziehen, derart schwierig gestaltete sich die Suche.

 

Gemeinsam gegen die Einsamkeit 

 Schon während der «Züglete» 2013 musste Ilse Hauser aufgrund ihrer Osteoporose-Erkrankung auf eine Mitarbeit verzichten, weil sie deswegen im Spital lag und «meine Familie arbeiten lassen musste». Obwohl an der Freiestrasse sehr glücklich, zogen immer dunklere Wolken auf. Die Krankheit führte schliesslich dazu, dass Ilse Hauser in die Sonnmatt wechseln musste, wo sie sich jedoch ebenfalls sehr wohl fühlt. In ihrem Zimmer schwärmt sie von der Betreuung und zeigt mir die verschiedenen Bilder aus ihrem Leben, die an der Wand hängen, auch eines von Timy, der versucht, Fische zu fangen. Klar, in der Sonnmatt ist das Halten von Hunden praktisch unmöglich, weil man sich den ganzen Tag selber um sie sorgen muss, was für Ilse Hauser nicht möglich ist.  «Es sind vor allem die Gespräche mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern, die mir aufzeigen, dass ich auch hier nicht allein bin, wir sind eine einzige grosse Familie.» Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.

 

Ilse Hauser, wie sie leibt und lebt, mit Freude in den Augen.

Gerhard Breitscheid, der Mann von
Ilse Hauser.

Bruder Andreas und Schwägerin Monika mit ihren Hunden Timy und Smarty.

Ilse Hauser kann es einfach nicht lassen,
hier beim Neubau des abgebrannten Bauernhauses.

Das alte Bauernhaus, wo Ilse aufgewachsen und das noch während ihrer Jugend abgebrannt ist. 

Die Grossfamilie Hauser, mit den Grosseltern und Urgrosseltern.

Ein undatiertes Bild vor dem Bauernhof. Erinnert an Albert Ankers «Der Grossvater erzählt».

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