Cafe Bar Mokka: Der Fels in der Kulturbrandung
Cafe Bar Mokka: Der Fels in der Kulturbrandung
Das Gebäude gibt es seit über 100 Jahren, CAFE BAR MOKKA in der heute bekannten Form jedoch erst seit 1986. Der Verein bringt es auf seiner Website in einem einzigen Satz auf den Punkt: «Schwarzen Kulturlöchern trotzend gelingt es CAFE BAR MOKKA immer wieder, seine Milchstrasse zum Schwingen und Funkeln zu bringen.»
Text: Thomas Bornhauser | Fotos: zvg
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Vor fast 25 Jahren…
2000 war es, als die Migros ihren 75. Geburtstag feierte. Aus diesem Anlass liess die Migros Aare unter anderem auch vom Berner Eisenplastiker Bernhard Luginbühl vier übergrosse Einkaufstaschen realisieren, eine für jede Jahreszeit. Diese waren damals für symbolische 75 Rappen zu haben. Die Einnahmen aus dem Verkauf – jeweils 25000 Franken pro Tasche – gingen an vier kulturelle Institutionen in den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern. Auch das Cafe Bar Mokka sollte davon profitieren. So ganz sicher schien sich der damalige Verantwortliche für das Kulturprozent nicht, weil das «Mokka» kein weisses Schaf in der Kulturlandschaft war. Also erkundigte er sich bei der damaligen Thuner Gemeinderätin Ursula Haller, ob die Behörden mit dieser Unterstützung für MC Anliker einverstanden seien. Ihr grünes Licht kam sofort – ohne Einschränkung.
Tage später traf sich der Migros-Mann mit dem Thuner in der Bar des Hotels Schweizerhof in Bern. Die Blicke der anwesenden Gäste darf man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn auch der Kulturverantwortliche des orangen Riesen war kein Angepasster. Egal. Die beiden Herren unterhalten sich köstlich. Bädu erzählt dann, dass sich sein Sohn neuerdings im «Mokka» engagiert. Mit seinem Salär hat er offenbar Mühe, er fragt seinen Vater, ob er nicht mehr Lohn erhalten könne, was nicht infrage kam, weil niemand aus der «Mokka»-Crew – ob Familienmitglied oder nicht – bevorteilt wurde. MC Anliker fragt Sohnemann, weshalb er denn mehr Geld wolle. Seine Antwort: «Ig ha dänkt, das wär no cool.»
Weil das Leben nicht immer verläuft, wie wir es erwarten oder hoffen, unterhalten wir uns heute nicht mit Bädu, sondern mit Michael «Migu» Schweizer Anliker. Weil das «Mokka» ein lebendiger Betrieb ist, veröffentlichen wir das Gespräch als Interview.
Migu, kannst du dich noch an die soeben beschriebene Episode deiner Anfänge im «Mokka» erinnern? (
Schmunzelt) Ehhh, nicht, dass ich wüsste… Da ist nicht im Ansatz etwas wahr an dieser Geschichte. Zu dieser Zeit arbeitete ich gar nicht fürs «Mokka». Ein paar Jahre zuvor machte ich ein Zwischenjahr im Betrieb, aber mehr Lohn verlangte ich nie. Das «Mokka» war immer etwas, was wir Anlikers und Schweizers – die Familie meiner Mutter – mit Arbeitskraft und auch finanziellen Einlagen unterstützten. Das ist bis heute so. Mein tägliches Brot verdiene ich nur zu einem kleinen Teil mit der Arbeit im «Mokka». Hat er diese Geschichte wirklich so erzählt?
Habe ich aus erster Hand, wasserdicht.
Na ja, dann war das gute Legendenbildung seinerseits. Ist doch eine gute Geschichte, um den Generationenkonflikt zu behandeln, der meines Erachtens die Teuerung auf der psychologischen Ebene anfeuert. Es war ja damals wie heute. Alles wird teurer, aber die Ansprüche werden eben auch grösser. Aber das ist ein anderes Thema.
Und wie sieht es heute aus: Sind alle
gleich vor dem Herrn, vor MC Anliker?
Nein, Herzlose und Arrogante behandle ich den Umständen entsprechend, aber das ist eine persönliche Haltung, die mir Kraft gibt, diese Welt zu ertragen. Was das «Mokka» angeht, sehe ich mich als ein Zahn im Zahnrad. Wir sind schon lange aus diesem One-Man-Show-Modus gewachsen. Der starb mit meinem Vater. Meine Vision für das Cafe Bar Mokka entspringt der Liebe zu meinem Vater und einer Vision, die sich durch das Engagement der ganzen Crew überhaupt erst bilden konnte. Eines gut funktionierenden Teams mit einer Leitung, die sich sowohl für eine offene Zukunft, aber auch für einen in der Vergangenheit verwurzelten Betrieb einsetzt.
War für dich immer klar, dass du
das Werk deines Vaters weiterführen willst?
Nein, das war nie der Plan und ist es auch heute nicht. Ich habe Bädu versprochen, dass ich mich für den Club einsetzen werde. Die ersten Jahre nach Bädus Tod waren für mich sehr schwierig. Ich war damals auch noch in Zürich zu Hause und in den letzten Jahren vor Bädus Tod sehr weit vom Betrieb entfernt. Da hab ich viel beobachtet und Gespräche geführt, hab mich zuerst auf der Seite des Vereins, im Vorstand engagiert und meine Leidenschaft, die Grafik, beigesteuert. Da konnte ich zu Hause an ihn denken, trauern und doch viel beisteuern.
Wie war das erste Jahr, was –
im Rückblick – die Herausforderungen?
(Überlegt lange) Eine schwierige Frage, so im Nachhinein gesehen. Wenn ein Magnet nicht mehr da ist, liegt auch alles orientierungslos herum. Hiess: Wir mussten schauen, dass sich Bisheriges und Zukünftiges verschmelzen. Das ganze Team musste sich neu orientieren, sich über vieles austauschen, was vorher nie zur Diskussion gestanden hatte. Und man musste noch viel mehr darüber reden, was für jeden und jede das Mokka ausmacht. Die Frage «Was ist denn für dich das ‹Mokka›, was macht es aus?» stand omnipräsent im Raum. Das war ein langer Prozess, der die heutige Zusammensetzung der Geschäftsleitung und der Crew erst möglich machte.
Wofür steht das Cafe Bar Mokka heute?
Das Cafe Bar Mokka steht für liebevoll präsentierte Livemusik und gute Tanzmusik. Hier sind alle willkommen, solange du Respekt zeigst. Wir betreiben nebenbei Jugend- und Sozialarbeit im kleineren und grösseren Rahmen, bieten Thun etliche Grossanlässe, Festivals und beleben so die heimische und internationale Musikszene. Wir sind der glitzernde, schillernde und farbige Planet der zeitgenössischen, progressiven Musikszene für Thun und die Umgebung.
Daher die Frage: Wie hat es sich
in den letzten zehn Jahre entwickelt?
MC hat immer gesagt, mit dem «Mokka» kannst du alles machen, du musst nur wissen, wie man es präsentiert. Die Qualität stand über dem finanziellen Erfolg, und wenn er eine Band gut fand, jedoch wusste, dass in Thun zu diesem Konzert vielleicht nur zehn Gäste kommen, hat er mit viel Eigenleistung und zum Teil auch persönlichen finanziellen Einlagen vieles möglich gemacht, und das ist noch heute so. Mit unserem hohen Grad an Eigenfinanzierung – 75 bis 80 Prozent – beleben wir nicht nur die Musikszene, sondern auch den Wirtschaftsplatz Thun.
Über dich wird gesagt, dass du eine natürliche Autorität hast. Stimmst du dem zu?
Ah ja, sagt man? Das musst du das Team fragen.
So leicht kommst du mir nicht davon …
Wie bereits gesagt, die Zusammensetzung der Geschäftsleitung ist optimal, wir profitieren gegenseitig von unseren Stärken, kennen unsere Schwächen und wissen, dass Fehler einfach dazugehören. «Wo gschaffet wird, passierä Fähler», sagte Bädu immer. Man muss eine gewisse Pragmatik entwickeln und gleichzeitig die Liebe zum Detail nicht verlieren. Wichtig ist, dass wir unsere Linie wahren, damit das «Mokka» seine Einzigartigkeit behält und das Mitarbeiten und Weiterentwickeln an dieser Idee für die ganze Crew möglichst viel Freude macht.
Immer wieder kam das «Mokka» früher mit den Behörden in Konflikt, ob zu Recht oder zu Unrecht, das lassen wir bewusst beiseite.
Wie ist das Verhältnis zur Stadt Thun heute?
Seit ich die Behördenkontakte bewusst pflege, kann ich nur sagen, dass es sich merklich entspannt hat und wir eine gute Zusammenarbeit pflegen. Das gilt jedenfalls für die behördlichen Kontakte. Die Politik ist ein anderes Thema. Da arbeiten wir noch dran, was man nur mit viel Humor und Gelassenheit machen kann (schmunzelt). Was uns Kummer bereitet, ist eine Klage eines Bilderbuch-Wutbürgers, der uns Steine in den Weg legt, wo es nur geht. Aber ich denke, auch da wird sich am Schluss alles zum Guten wenden. Ruhig Blut und so.
Stiller Has, Bligg, Gustav, Mich Gerber sowie viele andere Künstlerinnen und Künstler, die heute Kult sind, waren bereits vor 20, 25 Jahren bei euch, auch beim Festival Am Schluss. Wie und wo hört man das kulturelle Gras wachsen?
(Lacht) Das musst du unser Booking-Team fragen! Das besteht aus meinem Geschäftspartner Luca Schär – kulturelle Hauptleitung –, Henry Tomet, der seit den Anfängen als Mitarbeiter, Musiker und Fan mit dabei ist, sowie Lee Zbinden, der gerade mit Herzblut dabei ist, die nächste Generation zu sichern. Ich bin sehr stolz auf diese Truppe. Wir haben sicher das Privileg, dass sehr viel an uns herangetragen wird, da wir eben diesen langjährigen guten Ruf haben. Da kann man sich Stunden lang durch die Bewerbungsmails klicken und sich mit Leuten aus der Branche austauschen.
Welche Höhepunkte aus den letzten
Jahren kommen dir spontan in den Sinn?
Mein Highlight war Liraz letztes Jahr am Festival am Schluss. Das ist ein Weltstar! Da stimmt einfach alles! Dino Brandao war auch ein sehr schöner Abend. Wir haben die letzte Gelegenheit genutzt, die Oase am Wasser hinter dem Hotel Freienhof – nun Hotel Aare – zu bespielen. Die ganze Insel hat geleuchtet und sein Auftritt war der Hammer. Der Rest vermischt sich gerade in meinem Kopf zu einem einzigen Abend hinter dem Lichtpult. 2022 habe ich noch viel mehr Abendleitungen gemacht, was mir einen kleinen Einblick in den Alltag meines Vaters gegeben hat, ohne Kochen und zum Glück ohne Alkohol.
Und wen hättest du gerne einmal
auf der «Mokka»-Programmliste?
Ein Highlight wäre, Sigur Rós als Open Air im Emmental zu organisieren. Irgendwo auf einem Bergspitz für 2000 Leute oder so. Ein Wunschtraum. Eine Entdeckung aus dem Jahr 2020 ist Two and the Sun aus Winterthur. Da scheint Lee dran zu sein, die zu uns zu holen. Alles Weitere würde den Rahmen hier definitiv sprengen.
Kommen wir auf das Team zu sprechen. Wie viele Fest- und Teilzeitangestellte zählt das Cafe Bar Mokka? Wo sind die Teilzeiter sonst beschäftigt?
Wir haben sechs Festangestellte und rund 20 Teilzeitangestellte. Mit den Festivals sind es um die 40 bis 50 Teilzeitangestellte. Es ist eben immer noch, und das soll es auch bleiben, personengebunden, aber auf mehrere Schultern verteilt.
Worauf dürfen wir uns freuen?
Auf Black Sea Dahu, Roman Nowka’s Hot 3 & Stephan Eicher spielen Mani Matter, Kettcar, Steiner & Madlaina, Sona Jobarteh und vieles mehr. Wir planen ein Kinderfest in Zusammenarbeit mit der Stadt Thun und der Jugendarbeit, und viele neue Formate und Ideen sind in Arbeit, die hier noch nicht konkret erwähnt werden dürfen.
Welche Frage haben wir zu stellen vergessen – und hättest du gerne beantwortet?
Die Frage nach der Unterstützung kultureller Veranstaltungen, nicht nur bei uns. Uns widerstrebt es, unsere Seele zu verkaufen.
Das heisst?
Ich möchte nicht, dass unsere Gigs und Festivals zum reinen Kommerz verkommen, wo man einzig Plakate und Stände von Sponsoren wahrnimmt. Hier sind lokale Unternehmen, Burgergemeinden, Zünfte und auch Stiftungen gefordert, die sich bewusst sind, wie wichtig ihre Engagements für unsere Gesellschaft sind, und sich mit dem Dank an sie zu Beginn eines Konzerts und guten Social-Media-Kampagnen zufriedengeben, ohne dass man ihren Namen mit einem Feuerwerk in den Nachthimmel zaubert und das ganze Gelände mit ihrem Namen tapezieren muss. Davon gibt es schon genug.