Zunfthaus zu Metzgern: Der normale Alltag
Zunfthaus zu Metzgern: Der normale Alltag
Thun ohne «Metzgere» wäre wie Paris ohne «Le Train Bleu». Beides undenkbar. Zwei Traditionshäuser, die zu ihren Städten gehören wie das Amen zur Kirche. Also wenn in Thun Kutteln essen, dann bitte im Zunfthaus zu Metzgern.
Text: Martin Jenni | Fotos: Martin Stucki
Die einen verabscheuen sie, die andern lieben sie. Damit meine ich nicht die sympathischen Gastgeber Karin und Urs Wenger des Zunfthauses zu Metzgern in Thun, zu dem die Einheimischen «Metzgere» sagen, sondern das Traditionsgericht Kutteln, an dem sich die Geister scheiden. Kalbskopf gehört auch in diese Kategorie oder Schweinsfüsse, die im Frühling mit frischen Morcheln zur Delikatesse mutieren.
Im malerischen Vallée de la Sagne et Les Ponts-de-Martel in der Nähe von La Chaux-de-Fonds werden in der Schweiz pro Kopf und Jahr die meisten Kutteln verzehrt. Vornehmlich im Januar und Februar. Dann, wenn der neue Jahrgang des Chasselas non filtré auf den Markt kommt, wird in den regionalen Beizen «Tripes à la Neuchâteloise» gegessen. Kutteln, die in einem Gemüsefond im Caquelon mit dem Rechaud auf den Tisch kommen, sekundiert von geschwellten Kartoffeln, fein gehackten Zwiebeln, sämiger Vinaigrette und hausgemachter, luftiger Mayonnaise. Herrlich oder grauslich ist’s, je nach Vorliebe. Dieses Traditionsgericht würde der «Metzgere» gut anstehen, die ihre «Chuttlen», so wie sie vorwiegend in den meisten Gasthäusern der Schweiz gekocht werden, an einer Tomatensauce präsentiert, die unter anderem mit Kümmel gewürzt wird. Dazu gibt’s Brot oder Kartoffelstock. «Lisi’s Fleischchueche» wäre auch noch so eine delikate «Huus-Spezialität», die sich aus Rindshackfleisch und Vorderschinken im Blätterteigmantel zusammensetzt oder «Suuri Läberli», die in der «Metzgere» von der Kalbsleber stammen und mit einer Bilderbuch-Rösti aufgetischt werden.
Wir gehen meilenweit
Und wenn wir schon bei den Spezialitäten des Hauses sind, darf natürlich das Schweins-Cordon bleu nicht unerwähnt bleiben, das mit einem Gewicht von 280 oder 480 Gramm serviert wird, und mit Vorderschinken und Raclette-Käse gefüllt ist, für das diverse Stammgäste meilenweit gehen.
Sowieso! Ein Leben ohne Cordon bleu ist möglich, aber sinnlos. Das mögen Vegetarier und Veganer zwar anders sehen, aber man muss nicht zwingend ein Fleischtiger sein, um sich ab und zu ein Cordon bleu zu gönnen. Wer die einzigartige Mischung aus Käse, Schinken, Fleisch und Panade kennenlernt, verfällt ihr und kommt dem kulinarischen Nirwana mit jedem Bissen näher.
Nur das mit dem Nirwana ist so eine Sache, da das Cordon bleu vielmals ein Ärgernis ist. Nur allzu oft wird für das Cordon bleu billiger Industriekäse und schinken verwendet, bevor es zu guter Letzt in eine pampige Panade eingehüllt wird. Wer das gute Stück frittiert, wer es zu einem Fleischvogel verrollt, oder wer es in zahlreichen Variationen (zum Beispiel Gorgonzola-Ananas-Füllung) beleidigt, der hat den Klassiker nicht verstanden. Bei einem Cordon bleu verstehen seine Verfechter ohne hin keinen Spass und bei der Frage, welches Fleisch und welche Füllung denn nun das Richtige sei, artet die Diskussion mitunter zu einem Glaubenskrieg aus. Schweins- oder Kalbfleisch? Rohschinken, Burgunderschinken, Hinterschinken oder Beinschinken? Tränender Emmentaler, Raclette-Käse, junger Greyerzer oder gar rezenter Appenzeller? Sollen es 200, 300, 400 oder noch mehr Gramm sein? Soll das Fleisch von der Backe, vom Stotzen oder vom Bauchlappen (Bavette) stammen? Fragen über Fragen, bei denen die persönliche Vorliebe entscheidet.
Doch woher kommt eigentlich unsere Liebe zum Cordon bleu, dessen Ursprung sich nicht eruieren lässt? Die Geschichte beginnt in Frankreich, sagen die einen, die anderen sagen falsch und ordnen das Cordon bleu dem Wallis zu – genau definieren lässt sich das aber nicht. Wer mehr zur Geschichte des Klassikers erfahren will, der macht sich schlau im Kulinarischen Erbe der Schweiz. Dort wird in drei Akten dem Ursprung des Cordon bleu auf den Zahn gefühlt. Klar ist nach dem Studium aber nur, das nichts klar ist. Egal! Klar ist, dass das Cordon bleu von der «Metzgere» eines der Besten ist. Oder?
Eine innovative Institution
Nur aufs Traditionelle alleine wollen sich die Köchinnen Sofia Bühler, Jeanine Schmid, Tamara Joos und Anita Galea aber nicht beschränken. Sie können kulinarisch auch andere Wege einschlagen. Zum Beispiel mit einer Pastinaken-Vanille- und einer Thai-Erbsen-Curry-Suppe oder mit Rotkrautpralinen, die in einer Kokospanade gewendet und mit einer Orangen-Rosmarin-Sauce beträufelt sind. Oder wie wäre es mit Bachforellenfilets an einer Mango-Chili-Sauce? Eben! Dass in der «Metzgere» nicht nur Traditionalisten einkehren, hat auch mit den vorzüglichen Vegi-Burgern aus Kichererbsen und mit den beliebten «Teigaffen» zu tun. Nudeln, die mit einer Haselnuss-Orangen-Pesto-Sauce vermengt werden. Alles «fait maison», versteht sich. Das kurze Fazit zum Schluss: Die «Metzgere» ist eine Thuner Institution, die mit Karin und Urs Wenger seit fünf Jahren wieder voll auf Kurs ist und die es als Gast zu hegen und zu pflegen gilt, was von den Thunerinnen und Thunern auch emsig getan wird.
Es ist ein Samstagmorgen nach halb zwölf Uhr und ein Kommen und Gehen. Auf die Schnelle einen Aperitif trinken oder doch sitzen bleiben? Mit den Nachbarn reden, weitertrinken und weiterreden. Gar diskutieren über das, was in der Zeitung steht oder mit seinem Gegenüber lachen und eine Portion «Suuri Läberli» mit Rösti bestellen. Die Besten, wie die Stammgäste sagen, deren unterschiedliche Zusammensetzung so gross wie der Rathausplatz ist. «Hier ein flott gezapftes Helles, dort eine Flasche Roter, da ein Weisser. Zweimal Fondue mit Kirsch, bitte sehr. Zahlen! Komme gleich». Der normale Alltag mitten in Thun. Chapeau.
Klar ist, dass das Cordon bleu von der «Metzgere» eines der Besten ist. Oder?
Kontakt
Zunfthaus zu Metzgern
Karin und Urs Wenger Untere Hauptgasse 2, 3600 Thun
Telefon 033 222 21 41
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag:
10.30–14.15 Uhr und ab 17.30 Uhr,
Samstag durchgehend ab 10.30 Uhr.