Der Pelz- und Fellmarkt Thun

Der Pelz- und Fellmarkt Thun

Der Pelz- und Fellmarkt Thun

Es kommt nicht von ungefähr, dass in der Tagespresse unter dem Titel «Olympiade der Berner Grünröcke» auf den Jägerevent in Thun aufmerksam gemacht wurde. Der Anlass hat eine lange und tief verwurzelte Tradition in der Jägerschaft und auch bei der nicht jagenden Bevölkerung. Längst hat sich das «Jägerfest» in Thun weit über die Kantonsgrenze hinaus etabliert. 

Text: Fred Bohren  |  Fotos: zvg

Schon in früheren Zeiten versuchten die Mitglieder des Jagd- und Wildschutzvereins Thun und Umgebung den Kontakt mit der nicht jagenden Bevölkerung zu pflegen. Gerade in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten wie in den Zwischenkriegsjahren 1919 bis 1938, wurde kein Versuch unterlassen, mit Menschen aus Stadt und Land in Kontakt zu kommen. Wie schwierig die Lebensumstände für viele Bewohnerinnen und Bewohner von Thun und den umliegenden Gemeinden waren, zeigt beispielsweise ein Aufruf des Frauenvereins Thun im damaligen Oberländer Tagblatt vom 9. Januar 1934: «Appell an die Bevölkerung von Thun für Spenden an die Armen unserer Stadt». Über 6000 Kilogramm Nahrungsmittel verschiedenster Art sowie Kleider und Bargeld wurden gespendet. Insgesamt konnten 250 bedürftige Familien und Personen unterstützt werden. 

Viele Vereine und Privatunternehmen versuchten mit verschiedenen Ideen und Aktivitäten die Wirtschaft anzukurbeln und der Bevölkerung in ihrem Alltag etwas Abwechslung zu bieten. In dieser Zeit und aus dieser Situation heraus ist schliesslich auch der heute kaum wegzudenkende und jagdkulturell in dieser Art grösste Anlass im Kanton Bern, oder der Schweiz überhaupt, der Pelz- und Fellmarkt Thun, entstanden.

Gründer und «Vater» des Pelz- und Fellmarktes in Thun war Hans Grunder sen. Als Büchsenmacher und Eichmeister am Bärenplatz in Thun, hatte er natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse daran, dass die Jäger wenigstens einmal pro Jahr in Scharen nach Thun kamen. Andererseits wurde den Jägern und Jägerinnen mit der Schaffung des Pelz- und Fellmarktes eine Plattform geboten, auf welcher sie mit dem Verkauf von Fellen, Decken und Schwarten zu gewünschten Einnahmen kamen. Auch war die Erkenntnis da, dass mit dem Verkauf von Pelzen – insbesondere Fuchspelzen – ein sehr wertvolles Naturprodukt aus der traditionellen Jagd in den Handel gebracht werden kann und so einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird. Der erste Pelz- und Fellmarkt Thun wurde im Bälliz, im damaligen Restaurant Hopfenkranz durchgeführt. Zusammen mit dem am Mittwoch stattfindenden Grossmarkt in Thun, war das für die Grünröcke neben der Jagd der wichtigste Anlass des Jahres und wurde von ihnen nicht selten als «Vatertag» bezeichnet. Das heisst, der zweite Mittwoch im Februar war «heilig» und man musste mit dabei sein. Am ersten Markt im Jahr 1934 betrug die Auffuhr 404 Fuchspelze. Pro Pelz wurden CHF 15.– bis 40.– und für ganz schöne Bälge CHF 70.– bezahlt. Den Höchststand an Auffuhr und Preise für Pelze erfuhr der Pelz- und Fellmarkt im Jahr 1970. Damals gelangten 1700 Fuchsbälge zur Auffuhr. Zusätzlich wurden noch 118 Dachsschwarten, 31 Reh- und 35 Gämsdecken sowie 33 Baummarder, 117 Steinmarder und 42 Hasenfelle gehandelt. Für die Fuchspelze wurden CHF 100.– bis 120.–bezahlt und für Stein- und Baummarder CHF 60.– bis 80.–. 

Preisentwicklung der Fuchsfelle

Die im Ausland entstandenen Tierfarmen und der dadurch lancierte Import dieser Felle war für den Handel der Pelze aus der freien Wildbahn abträglich und hat den Preis bis heute enorm in die Tiefe gedrückt. Beispielsweise galt das Fuchsfell dieses Jahr (2019) nur noch CHF 5–. Für ein Marderfell löste der Jäger nur noch CHF 15.– und für die Dachsschwarte noch CHF 5.–. Die Meinung der Jäger ist klar: Gegenüber diesen sehr wertvollen Naturprodukten grenzen die tiefen Preise an Respektlosigkeit gegenüber dieser Lebewesen. 

Kantonal Bernische Trophäenausstellung

Vom Jagd- und Wildschutzverein Thun und Umgebung wurde im Jahr 1961 gleichzeitig zum Pelz- und Fellmarkt, das erste Mal im Hotel Freienhof, die Kantonal Bernische Trophäenausstellung durchgeführt. Seither ist die offizielle Bezeichnung des Jägerfestes in Thun «Kantonal Bernische Trophäenausstellung, Pelz- und Fellmarkt Thun». 

Bereits im ersten Ausstellungsjahr 1961 wurden 400 Trophäen von Gäms-, Reh-, Schwarz-, Stein- und Rotwild aus der Berner Jagd 1960 gezeigt. Die Anzahl der ausgestellten Trophäen hat sich bis heute zwischen 520 und 620 Trophäen eingependelt. Gegenüber den Anfangsjahren hat sich die Anzahl der Rotwildtrophäen und Gämstrophäen verändert. Heute werden bedeutend weniger Gämstrophäen als früher zur Trophäenausstellung gebracht. Dagegen haben die Rotwildtrophäen an der Ausstellung deutlich zugenommen.  

Obgleich nur zirka 10–12% der «Horn- und Trophäenträger» zur Ausstellung gebracht werden, widerspiegelt die Ausstellung die Vielfalt der jeweiligen Jagdstrecke. Weiter bringt sie den Besucherinnen und Besuchern Einblick in die vorhandenen Altersstrukturen in der Wildbahn beim Gämswild und auf die Geweihentwicklung und -formen bei Reh und Hirsch. Es können auch Rückschlüsse über den allgemeinen Gesundheitszustand der Wildtiere gezogen werden. 

Die Trophäen aus der laufenden Jagdperiode von Hirschstier, Gämsbock, Gämsgeiss und Rehbock, werden von einer eigens dafür bestimmten Bewertungskommission beurteilt und bewertet. Für die Berner Jäger besteht keine Vorzeigepflicht ihrer Jagdtrophäen. Die Kommission legt die Bewertungsnormen selber fest. In der Regel gelten die internationalen Bewertungsnormen. Die Bewertungsnormen sind der entsprechenden Wildart angepasst und sind dementsprechend unterschiedlich.

Auf der Jagd darf der Gedanke an die Hege (Hege mit der Waffe) nicht fehlen. Daher werden nicht nur die grössten und stärksten Trophäen von Reh- und Gämswild, sondern auch die Hegeabschüsse dieser Wildarten von der Bewertungskommission beurteilt und bewertet. Der beste und aussergewöhnlichste Hegeabschuss ist den übrigen Preisgewinnern (stärkste Trophäe) gleichgestellt und wird ebenfalls mit einem Zinnbecher ausgezeichnet. 

Als Hege werden im Jagdrecht Massnahmen zusammengefasst, die die Lebensgrundlage von Wild betreffen. Die Hege ist demnach ein Grundelement des Selbstverständnisses der Jäger, der sogenannten «Waidgerechtigkeit». Das Hegegebot verpflichtet die Jäger, der Artenvielfalt des Wildes nicht zu schaden. Diese Pflicht zur Hege erstreckt sich nicht nur auf solche Wildarten, die durch die Jagd- und Schonzeiten erfasst werden, sondern auch auf Wild, das permanent nicht bejagt werden darf. 

Jagdliches Brauchtum

Zur Weiterentwicklung des Anlasses gehört zweifellos das jeweils stattfindende Konzert der Jagdhornbläser und «Jägerchörli» auf dem Rathausplatz. Unter den Interpretinnen und Interpreten, sowie den vielen Besucherinnen und Besuchern findet das Konzert auf dem Thuner Rathausplatz sehr guten Anklang und erfreut sich grosser Beliebtheit. Diverse Podiumsgespräche über Themen wie «Grossraubtiere in der Schweiz», «Rothirschjagd im Kanton Bern» und «Wildbrethygiene» gehören ebenfalls dazu.

Eine weitere Entwicklung hat der Anlass im Jahre 1999 erfahren. Aufgrund der rückläufigen Besucherzahlen hat sich das damalige Organisationskomitee dazu entschlossen, den Anlass jeweils auf den zweiten Samstag im Februar, zusammen mit dem stattfindenden Grossmarkt in der Stadt Thun zu verlegen. Gleichzeitig ist auf dem Mühleplatz der Jägertreff (mit einem Festzelt für Besucherinnen und Besucher, Jägerinnen und Jäger sowie mit Marktständen) entstanden. In der Rathaushalle des Thuner Rathauses wurden Natur- und Bilderausstellungen geboten und der offizielle Teil des «Pelzmärit» fand im Stadtratssaal statt. So verteilt sich der Event angefangen auf dem Rathausplatz über den Mühleplatz bis hin zum Hotel Freienhof bzw. der Einstellhalle des Hotels Freienhof.

Angefangen auf dem Rathausplatz verteilt sich der Event über den Mühleplatz bis hin zum Hotel Freienhof.

Öffentliche Anerkennung 

Im Rahmen der Umsetzung der UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes wurde die Kantonal Bernische Trophäenausstellung, der Pelz- und Fellmarkt Thun, in Anerkennung und Würdigung für die geleisteten Arbeiten im kulturellen Bereich, im Frühjahr 2012 in die Liste lebendiger Traditionen des Kantons Bern aufgenommen.

Vom Markt zur Messe 

Im Jahr 2018 gab es einen Umbruch beim Traditionsanlass der Berner Grünröcke. «Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit». Diese Überlegung wird sich das Organisationskomitee gemacht haben, als es den Entschluss gefasst hat, den Jägeranlass in Zukunft nicht mehr in der Thuner Innenstadt, sondern neu ab dem Jahr 2018 auf dem Areal der Expo Thun AG durchzuführen. Der Umbau und zugleich die Verkleinerung des Ausstellungssaals für die Trophäenausstellung im Hotel Freienhof, die immer ansteigenden Kosten für die Infrastruktur und gesetzlichen Auflagen für einen eintägigen Anlass, haben zu diesem Entscheid geführt. Von Beginn an war es den Verantwortlichen klar, dass das Jägerfest in Thun ein neues Bild abgeben wird und einen neuen Charakter bekommt.

Mit diesem Entscheid hat man den Schritt, weg vom traditionellen Markt, neu zur Messe gewagt. Nach zweimaliger Austragung (2018/2019) darf festgehalten werden, dass den Verantwortlichen der Spagat gelungen ist und die Jägerschaft, Jagdinteressierte und die nicht jagende Bevölkerung sich gefunden haben. Die Feststellung, dass sich in den Anlagen der Expo Thun AG während des Jägerfestes nicht nur Jäger sondern auch übrige Interessierte eingefunden haben, ist erfreulich. Die ansteigenden Besucherzahlen bestätigen diese Aussage. Auch am neuen Austragungsort stehen der Pelz- und Fellmarkt, die Kantonal Bernische Trophäenausstellung, Demos zu jagdlichen Themen und Bilder oder Naturausstellung im Zentrum des Events. 

Zum Schluss 

Nicht immer ist es einfach, neue Wege zu gehen und dabei von Beginn an Erfolg zu haben. Von den Verantwortlichen gehört viel Mut dazu, Risiken einzugehen und etwas Neues aufzubauen. Gerade ein Traditionsanlass wie es die «Olympiade» der Berner Grünröcke in Thun ist, braucht für die Veranstalter viel Ausdauer, Energie und Überzeugungskraft. In welcher Form der Anlass auch stattfindet, wichtig ist, er verschwindet nicht aus der Kulturlandschaft von Thun!