Nouveauté und Sensation: Thun bekommt 1869 die elektrische Strassenbeleuchtung
Nouveauté und Sensation: Thun bekommt 1869 die elektrische Strassenbeleuchtung
«Splendides Licht»: mit diesen Lobesworten begrüsste anno 1896 die Thuner Lokalpresse eine technische Neuheit, die damals in Thun Einzug hielt. Die elektrischen Bogenlampen als effiziente Beleuchtung für Gassen, Strassen und Plätze in Thun.
Text: Dr. Jon Keller, Historiker | Fotos: Christine Hunkeler, Stadtarchiv Thun
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Vor 1896 war in der Stadt Thun nicht genügend elektrischer Strom vorhanden.
Auf dem Areal des ehemaligen Thuner Hotels Bellevue (letzte Hotelsaison 1980) und der heutigen Residenz Tertianum Bellevue-Park finden sich, wie die Abbildungen zeigen, zwei schön geformte und mit Verzierungen des Jugendstils dekorierte sogenannte Bogenlampen. Sie sind ein Relikt aus dem Fin de Siècle (Ende des 19. Jahrhunderts). Erfreulicherweise wurden sie von der Bauherrschaft der Residenz Tertianum übernommen und stilecht renoviert. Anstelle der ursprünglichen Kohlenbogenlampen wurden sie allerdings mit modernen Beleuchtungsarmaturen (Natriumdampflampen, Metalldampflampen, Sparlampen in LED-Technik) bestückt. Die Installation von elektrischen Bogenlampen in Thun anno 1896 war eine technische Sensation, welche Aufsehen erregte und die Bevölkerung faszinierte. Mit diesem historischen Rückblick soll dieser damaligen technischen Neuheit die Reverenz erwiesen werden. Um was handelt es sich bei einer Kohlenbogenlampe (kurz Bogenlampe)? Die Bogenlampe hat ihren Namen nicht, wie beim Betrachten der Bilder vermutet werden könnte, von ihrer gebogenen Form, sondern vielmehr von einem Lichtbogen, welcher durch eine elektrische Entladung entsteht. Die Bogenlampe ist eine elektrische Lichtquelle mit einem in Luft brennenden Lichtbogen zwischen zwei Elektroden aus Graphit- oder Kohlestücklein, welche durch die hohe Temperatur mit der Zeit abbrennen, weshalb sie von Hand oder automatisch nachgestellt werden müssen.
Das städtische Elektrizitätswerk nimmt den Betrieb auf
Um überhaupt erst Bogenlampen in grösserer Zahl aufstellen zu können, musste als Voraussetzung genügend elektrischer Strom vorhanden sein. Dies war für die Stadt Thun ab 1896 der Fall, als am 26. August das städtische Elektrizitätswerk dem Betrieb übergeben wurde. Schon vorher bestanden einige kleinere elektrische Stromerzeugungs- anlagen von privater, aber auch von städtischer Seite, welche nur sehr geringe Energieleistungen brachten. Der Technischen Kommission der Stadt Thun wurde zu Beginn des Jahres 1896 die Aufgabe übertragen, zuerst diejenigen Stellen zu fixieren, an welchen eine öffentliche Bogenlampe als Strassenbeleuchtung zu stehen kommen sollte. Das war natürlich eine Angelegenheit nicht ohne Zündstoff, denn die Bevölkerung von jedem Stadtteil war begreiflicherweise darauf erpicht, ja auch hinreichend in den Genuss des neuen technischen Lampenwunders zu kommen. Ende April 1896 war es dann so weit, und die Technische Kommission konnte die definitive Anordnung einer ersten Serie von Bogenlampen festsetzen und diese montieren lassen. Eine zweite Serie von Bogenlampen wurde dann rund ein halbes Jahr später in Betrieb genommen, sodass die Strecke von Thun-Hofstetten über den Rathausplatz bis zum Berntorplatz vollständig mit Bogenlampen ausgerüstet war. Zudem waren Bogenlampen im Bälliz und an der Verzweigung Frutigenstrasse-Länggasse aufgestellt worden.
«Hell leuchtende Bogenlampen»
Ende 1896 konnte der Gemeinderat der Stadt mit Befriedigung nicht nur auf die Betriebsaufnahme des Elektrizitätswerkes, sondern auch auf ein ansprechendes öffentliches Beleuchtungsnetz mit den modernen Bogenlampen zurückblicken. Erfreut stellte der Gemeinderat fest, dass bereits zahlreiche Gaslaternen den viel heller leuchtenden Bogenlampen gewichen waren. Ende 1896 waren es immerhin bereits 41 Bogenlampen, welche die Strassen beleuchteten. An einigen Örtlichkeiten konnte gleichwohl noch nicht auf die rund 30 Jahre alten Gaslaternen verzichtet werden, da die Bogenlampen aus Kostengründen nur gestaffelt eingeführt wurden. Die letzte Gaslaterne in der Stadt Thun wurde erst 1940 entfernt.
Anlass zu Diskussionen: Brenndauer der Bogenlampen
Für Gesprächsstoff sorgte im damaligen Thun die Brenndauer der Bogenlampen, das heisst, wann des Nachts sie abgeschaltet werden sollten. Von Seiten der Bevölkerung wurde im Jahr 1896 der Wunsch geäussert, die Bogenlampen bis 24 Uhr brennen zu lassen. Der Gemeinderat verschloss sich diesem Anliegen nicht und beschloss im November 1896, dass die öffentlichen Bogen- lampen bis Mitternacht brennen sollten. Ein Jahr später kam der Gemeinderat allerdings auf diesen Beschluss zurück, indem er für den Sommer zwar die Brenndauer bis 24 Uhr beibehielt, für den Winter indessen das Abschalten um 23 Uhr anordnete, um elektrischen Strom zu sparen. Das Montieren der Bogenlampen generierte erhebliche Kosten. Als bspw. 1898 der Direktor der Licht- und Wasserwerke Thun durch die Technische Kommission ermächtigt wurde, beim Gasthof Hirschen in der Unterstadt an der Marktgasse eine Bogenlampe anzubringen, wurde für die Lampe samt Montage mit Kosten von 150 Franken gerechnet, damals eine ansehnliche Summe.
Neue Technik… mit Tücken
Dass den Bogenlampen namentlich in den ersten Jahren auch «Kinderkrankheiten» anhafteten, dürfte kaum erstaunen. So gelangten im Jahr 1897 einige Bürger an den Gemeinderat und bemängelten, dass zwei Bogenlampen in der Innenstadt «beinahe regelmässig den Dienst versagen würden». Der Gemeinderat wies darauf die Licht- und Wasserwerke an, die Lampen zu reparieren. Wenige Tage später konnte dann der Direktor der Werke dem Gemeinderat mitteilen, dass die schlecht funktionierenden Lampen ausgewechselt worden waren. Doch weitere Pannen waren an der Tagesordnung!
Grand Hôtel Thunerhof geht mit der Zeit
Als 1896 das Thuner Elektrizitätswerk seinen Betrieb aufgenommen hatte und somit hinreichend elektrischer Strom vorhanden war, interessierte sich auch die AG Hôtels Thunerhof und Bellevue für die Übernahme von elektrischer Energie, um in den Hotels und auf den grosszügigen Gartenanlagen das elektrische Licht einführen zu können. Die AG des Thunerhofs entschied sich im Januar 1896, vom städtischen Elektrizitätswerk Energie zur Speisung von 1200 Glühlichtern in den Hoteletablissements und von 15 Bogenlampen zu kaufen. Diese Bogenlampen standen auf dem privaten Grund der AG des Thunerhofs. Die Stadt Thun ihrerseits installierte kurze Zeit später auf Gemeindekosten zwei zusätzliche Bogenlampen bei den Hotels an der Hofstettenstrasse, sodass das Hotelareal für damalige Zeiten hervorragend mit modernster Beleuchtung ausgestattet war.
Heute neu, morgen veraltet
Den Bogenlampen erging es in der Folge wie jeder technischen Errungenschaft: Sie mussten einer besseren, technisch noch ausgereifteren Neuerung weichen. Gerade auch die Notwendigkeit des mühsamen und aufwändigen Nachstellens der Kohlenstücke beschleunigte die Ablösung der Bogenlampen durch modernere Beleuchtungsarten. Im August 1924 musste die Bogenlampe auf dem Thuner Rathausplatz einer Beleuchtung mit einer – wie es damals hiess – «besseren allgemeinen Wirkung» Platz machen. Weiter wurde bemerkt: «Das unschön wirkende Kandelaber, neben dem Brunnen, kann dadurch auch in Wegfall kommen.» Sic transit gloria mundi – so vergeht der Ruhm der Welt. Die beiden, wie eingangs erwähnt, erhalten gebliebenen Bogenlampen auf dem Areal der Residenz Tertianum erinnern indessen auch heute noch an diese einstige sensationelle technische Neuheit.