Ralph Benatzky – der Operettenkönig

Ralph Benatzky – der Operettenkönig

Ralph Benatzky – der Operettenkönig

Der Operettenkomponist Ralph Benatzky (1884–1957) lebte von 1932 bis 1940 und von 1946 bis 1949 mit Ehefrau und Dienerschaft in Thun in einem Haus an der Bächimattpromenade gegenüber vom Schloss Schadau und der Kirche Scherzligen.

Text: Jon Keller  |  Fotos: Stadtarchiv Thun

Im Frühling 1932 bezog Ralph Benatzky an der Bächimattpromenade ein Haus, bei dem es sich um Liebe auf den ersten Blick handelte, schrieb er doch am 11. Februar 1932 in sein Tagebuch: «Wir haben ein Haus gesehen – den Traum aller Träume – gleich war’s um uns geschehen.» Das Haus erstand Benatzky für 180000 Fr. vom Orchesterverein Bern, welcher die Liegenschaft seinerseits von einem Legationsrat geerbt hatte. In diesem Anwesen blieben die Benatzkys bis 1940. Damals, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, hatte sich die Weltlage derart verfinstert, dass eine Annektierung der Schweiz durch das nationalsozialistische Deutschland drohte, weshalb sich Benatzky aus Sorge um seine dritte Ehefrau, die Jüdin war, entschloss, in die USA zu emigrieren. Am 18. Mai 1940 wurde in Genua zur Reise nach New York eingeschifft. Die Jahre in den USA waren harte und wenig erfolgreiche Jahre für Benatzky, weshalb das Ehepaar am 27. November 1946, ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wiederum in Thun eintraf. Allerdings mussten sie zunächst in ein Hotel ziehen, weil in der sechs Jahre verwaisten Villa Schäden behoben werden mussten. Nun war Benatzky wiederum in der Schweiz, was ihn aufatmen liess und wo er sich wieder zu Hause fühlte. Im Februar 1949 zog das Ehepaar Benatzky allerdings endgültig von Thun fort, um in Zürich eine Vierzimmerwohnung zu beziehen.

«Alles ist gepflegt, anständig, solid» schrieb Benatzky

Benatzky fühlte sich damals 1932, bei seinem ersten Eintreffen in Thun, bald einmal heimisch in der Oberländer Stadt. Das zeigte sich unter anderem, als sich der Komponist mit einer Eingabe an den Thuner Gemeinderat für die ansehnliche Gestaltung der Uferpromenade zwischen Thun und Hünibach einsetzte. Gleichwohl war sein Verhältnis zu Thun, seiner Umgebung und zu den Thunern ein zwiespältiges. Im November 1946 notierte er: «Alles ist gepflegt, anständig, solid… Die Luft ist wirklich wie Champagner, klar, frisch, ozonreich, die Bergkette liegt erschütternd unter tiefblauem Abendhimmel.» 

Wenig später indessen befand er Thun als «langweilig, öde und trostlos». Anscheinend war es für Benatzky schwierig, Kontakte zur Thuner Bevölkerung herzustellen, und einmal beklagte er sich in seinem Tagebuch gar, dass es in Thun «sterbensfad» sei. Es wäre fast unmöglich, mit den «Dasigen», diesen «Ursturen» in Verbindung zu treten. Weiter meinte er, die schönste Gegend würde einem schon nach acht Tagen zum Halse heraushängen, geschweige denn nach acht Jahren. Benatzky bemühte sich durchaus, sich in die Thuner Gesellschaft zu integrieren. Er nahm auch an einem Seenachtfest teil und amtete in einer Jury zur Prämierung der Boote.


Exzellenter Golfspieler

Weiter war er Mitglied des «Golf- and Country-Club Lake of Thun», in welchem er namentlich im Jahr 1939 mit ausserordentlich guten Resultaten brillierte. Das Verhältnis der Thuner Bevölkerung zu Benatzky war immer ein ambivalentes. Einerseits wurde aus einer Rezension im damaligen Oberländer Tagblatt von 1935 über eine Uraufführung «unseres Thuner Mitbürgers Doktor Ralph Benatzky» ersichtlich, dass Thun stolz war, Benatzky als Bewohner der Stadt zu wissen. Auch die Benennung des Wegstücks bei seiner Villa als «Benatzkyweg» durch die Behörden darf als hohe Wertschätzung gegenüber dem Komponisten gewertet werden. Benatzky wurde auch vom damaligen Stadtpräsidenten als Schöpfer bekannter Operetten offiziell gefeiert. Andrerseits scheint nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Benatzkys im November 1946 wieder heimkehrten, eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Ausländern geschwelt zu haben. Jedenfalls konstatierte der Thuner Gemeinderat im Juli 1945, als er ein Einreisegesuch Benatzkys behandelte, Benatzky sei hier «nicht beliebt und willkommen».

Die Thuner Behörden erteilten dann aber Benatzky gleichwohl die Einreisebewilligung. Was seinen aufwändigen Haushalt in Thun betraf, hielt Benatzkys Biograf Fritz Hennenberg fest: «Aufwändig hält er Hof.» Für Hausarbeiten waren ein Dienstmädchen und ein Diener, der mit weissen Handschuhen servierte, angestellt. Als Fanatiker des Details schrieb Benatzky für die Diene­rschaft minutengenaue Dienstpläne, welche diese sogar zu ratifizieren hatte…


Benatzky und die schweizerische Bürokratie

Eine eigentliche Tragödie in mehreren Akten – wenigstens aus der Sicht von Ralph Benatzky – waren seine Bemühungen Ende der 1930er-Jahre, das Schweizer Bürgerrecht zu erhalten, um das er sich seit anfangs 1937 bemüht hatte, vor allem, weil eben seine Ehefrau, wie bereits erwähnt, Jüdin war und er glaubte, bei einer allfälligen Annektierung der Schweiz durch das nationalsozialistische Deutschland seine Ehefrau vor einer Verfolgung schützen zu können. Benatzky besass ursprünglich den österreichischen und nach dem Ersten Weltkrieg den tschechischen Pass. Das Einbürgerungsverfahren war äusserst mühsam, befasste sich doch der Thuner Gemeinderat sage und schreibe nicht weniger als elf Mal mit Benatzkys Gesuch! Zu Diskussionen Anlass gaben Steuerfragen und der Umstand, dass – wie im Protokoll vom 5. April 1940 zu lesen stand – «von einer Assimilation des Gesuchstellers nicht gesprochen werden kann». 

Neben der Stadt Thun hatten sich auch kantonale und eidgenössische Behörden mit dem Einbürgerungsgesuch zu befassen. Das zermürbende Prozedere liess Benatzky in sein Tagebuch vom 5. April 1940 schreiben: «Was ich an Demütigungen, Aufregungen, Verunglimpfungen in den Tagen mitmachen muss, kann ich keinem Menschen schildern. Was für eine Qual, diese ewigen Gesinnungs-Prüf-Fragen, Belauerungen, Begutachtungen an Seele und Leib, ständig über sich ergehen lassen zu müssen.» Da sich die politische Lage 1940 immer mehr verschärfte und ein Einmarsch deutscher Truppen in die Schweiz drohte, verliess Benatzky mit seiner Gattin im Mai 1940, wie gesagt, die Schweiz Richtung USA, ohne die schweizerische Staatsbürgerschaft erhalten zu haben. Im August 1946 demgegenüber erhielt Benatzky die amerikanische Staatsbürgerschaft.


«Im weissen Rössl» auf Thuner Freiluftbühne

Seit 2003 werden auf der Seebühne beim Thuner Lachenareal im Sommer Musicals aufgeführt, beispielsweise «Evita» oder «West Side Story». 

Eine ähnlich attraktive Produktion wurde 1952 auf einer Freiluftbühne ebenfalls im Thuner Lachenareal am Thunersee aufgeführt: Es war Benatzkys «Im weissen Rössl». Die Premiere fand am 19. Juli 1952 statt und nicht ohne Stolz wurde in der damaligen Tagespresse auf die Internationalität der Produktion hingewiesen: Eduart Rogatti von der Staatsoperette München als Regisseur, das Ballett der Staatsoper Wien und Darsteller aus Wien, München, Berlin, Zürich, Winterthur und Bern. Die Aufführungen des «Weissen Rössl» waren ein voller Erfolg und die meisten Aufführungen waren ausverkauft, nicht zuletzt auch deshalb, weil Petrus ein Einsehen hatte und es kaum regnen liess.