Schwanen-Geschenke an die Stadt und von der Stadt Thun

Schwanen-Geschenke an die Stadt und von der Stadt Thun

Schwanen-Geschenke an die Stadt und von der Stadt Thun

Die Stadt Thun pflegt seit Jahrzehnten Kontakte zu anderen Städten: seien es Zähringerstädte oder Kyburgerstädte in der Schweiz und in Süddeutschland oder aber die Stadt Gabrovo in Bulgarien. Doch auch Schwäne können zu Kontakten zwischen Städten führen. Tatsächlich! Vor Jahrzehnten schon hat die Stadt Thun hochoffiziell sowohl Schwäne als Geschenke vom Genfersee angenommen als auch Thunersee-Schwäne geschenkweise an die Stadt Granby in Kanada abgegeben.

Text: Jon Keller  |  Fotos: Stadtarchiv Thun

Der Schwan war bei uns bis ins 19. Jahrhundert ein Fremdling und so gut wie unbekannt und tauchte in vergangenen Zeiten einmal einer dieser stolzen Vögel auf, stellte dies eine eigentliche Sensation dar. Im 20. Jahrhundert wurde der Schwan dann am Thunersee heimisch gemacht und heute gilt er als verbreiteter Vogel. Die vom Uferschutzverband veranlasste Vogelzählung ergab für den Thunersee im Jahr 2015 70 Höckerschwäne, 2016 deren 107. Das war aber nicht immer so.

1869: Die Stadt Genf als Donatorin von zwei Schwänen

Angetan von der Schönheit der Schwäne, war es der Thuner Gemeinderatspräsident Wälti persönlich, der im Sommer 1869 eine «Schwanen-Initiative» ergriff und mit einem offiziellen Ersuchen um «Verabreichung von zwei Schwänen» an den Stadtrat von Genf gelangte. Diese Bitte stiess in Genf auf offene Ohren, denn schon wenige Tage später trafen die Schwäne in Thun ein. Den damaligen Tageszeitungen zufolge konnte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Thun eine eigentliche Schwanenkolonie etablieren, für welche ein – wie er genannt wurde – «Schwanenbehälter» als Futterplatz eingerichtet wurde. Die Schwäne erfreuten sich damals einer hohen Wertschätzung und stellten keineswegs eine blosse Alltäglichkeit dar, welche kaum wahrgenommen wurde. So war 1896 der tödliche Unfall eines Schwans, dem im Thuner Bälliz Telefondrähte zum Verhängnis wurden, eine Meldung in der Tagespresse wert. Unter anderem stand zu lesen: «Der arme Kerl musste unter allgemeiner Teilnahme tot vom Platze getragen werden».

1926: ein zweites Mal schenkte die Stadt Genf Schwäne für Thun 

Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) hatte sich die Thuner Schwanenkolonie mehr oder weniger aufgelöst, nur vereinzelte Paare wurden dann und wann beobachtet. Auf Initiative des Verschönerungsvereins kontaktierte der Thuner Gemeinderat 1926 ein zweites Mal die Genfer Stadtbehörden mit dem Ansuchen, ein Schwanenpaar aus der dortigen Schwanenkolonie erstehen zu dürfen, das – wie es hiess – «zur Belebung des Aarebassins» dienen sollte. Die Genfer zeigten sich erneut sehr entgegenkommend und sandten unverzüglich und unentgeltlich ein Schwanenpaar, weshalb die Stadt Thun einzig die Frachtkosten von 25 Schweizer Franken zu berappen hatte. Ein am Thuner Scherzligweg erstelltes Schwanenhäuschen diente als Nist- und Futterplatz.

1928: Genf zum dritten Mal! 

Zwei Jahre später, im November 1928, verschied das Genfer Schwanenweibchen, was den Genfer Schwanenwitwer veranlasste, einem anderen Schwan nach langen und heftigen Kämpfen sein Weibchen förmlich «auszuspannen». Deshalb wandte sich der Thuner Gemeinderat auf Initiative des Verschönerungsvereins (die damalige Tourismusorganisation) ein drittes Mal an die Genfer Behörden mit der Bitte um Überlassung eines Schwanenweibchens. Die Story um den kampfeslustigen und erfolgreichen Genfer Schwanencasanova am Thunersee wurde übrigens in der Genfer Presse genüsslich vermerkt. Die Genfer sagten ein weiteres Mal zu und stellten die unentgeltliche Zusendung eines Schwanenweibchens «zu geeigneter Zeit», also für den Frühling, in Aussicht. Im März 1929 war es dann soweit, und der von Genf geschenkte Schwan wurde vorerst in einer Volière im Lachengebiet aus Gründen der Akklimatisierung untergebracht. 

Seither vermochten sich die Schwäne am Thunersee zu vermehren, sodass heute eben rund 100 Schwäne an den Gestaden des Thunersees weilen. Am Rande sei hier noch erwähnt, dass sich in der Zeit des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) der Thuner Gemeinderat mit Land- und Pflanzenschäden zu befassen hatte, welche durch Schwäne verursacht worden waren, weshalb der Ruf nach Dezimierung laut wurde. Wörtlich stand damals in einem Protokoll des Gemeinderates zu lesen: «Die Schwäne sind eine Plage geworden».

1950: Thuner Schwäne gehen geschenkweise nach Granby in Kanada

1950 trat die Stadt erstmals nicht als Empfängerin, sondern als Schwanendonatorin auf, wobei sich diese Aktion in mehreren Sequenzen abspielte. Im Frühjahr 1949 weilte Pierre Horace Boivin, Bürgermeister der kanadischen Stadt Granby, an einem Kongress in Genf. Die dortigen Genfersee-Schwäne faszinierten den Bürgermeister derart, dass es sein erklärtes Ziel wurde, Schwäne auch in Granby heimisch zu machen. Seine Bitte, Granby Schwäne zu überlassen, gelangte über den schweizerischen Generalkonsul in Kanada an der Verkehrsverband Thunersee und an den Gemeinderat von Thun, der im Herbst 1950 formell die Schenkung von Schwänen an Granby beschloss. Vier ausgewählte Tiere wurden eingefangen, in der kantonalen Fischzuchtanstalt Eichholz bei Wabern domestiziert und schliesslich wurde gar noch eine Namensgebungs-Zeremonie durchgeführt. Die beiden Weibchen wurden nach den Töchtern des Bürgermeisters von Granby auf die Namen Diane und Elise, die zwei Männchen auf die Namen der Söhne des Thuner Stadtpräsidenten Paul Kunz, nämlich Urs und Jürg, getauft. Im Oktober 1950 wurden die Schwäne per Flugzeug ab Kloten in mehreren Etappen (es gab keine Direktflüge damals) nach Granby transportiert, wobei sie von M. R. Hartmann, dem Direktor des Verkehrsverbandes Thunersee, begleitet wurden. An einer festlichen Veranstaltung in Granby konnte dann Hartmann einen goldenen Schlüssel für die Stadt Thun sowie eine Ehrenurkunde für Stadtpräsident Kunz in Empfang nehmen. Hartmann seinerseits überreichte Bürgermeister Boivin eine Freundschaftsurkunde von Thun. Am folgenden Wochenende strömten über 10 000 Besucher herbei, welche die Schwäne aus Thun bestaunen wollten. Auch Presse und Radio in Kanada berichteten über die weissen Vögel ausführlich, was für die Schweiz und das Berner Oberland eine unbezahlbare Propaganda darstellte. Ja selbst Neujahrskarten mit den Thuner Schwänen wurden in grosser Auflage gedruckt. Im Dezember 1950 fand auch in Thun, im Restaurant Simmentalerhof, eine feierliche Zeremonie statt, an welcher sogar der kantonale Regierungspräsident Samuel Brawand teilnahm. Dabei überreichte ein kanadischer Legationsrat die oben erwähnte Urkunde und den goldenen Schlüssel an Stadtpräsident Kunz, der ja an der Feier in Kanada nicht anwesend war. Abgeschlossen wurde die sehr gefällige Aktion im Juli 1951. Damals stattete Bürgermeister Boivin Thun einen Besuch ab und dankte an einem Empfang, den die Thuner Stadtbehörden ihm zu Ehren gaben, offiziell für die vier Schwäne. Das Sprichwort sagt: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft… und das gilt auch für die Thuner Schwanengeschenke.