Als Lehrling in Thun: der Maler Ferdinand Hodler
Als Lehrling in Thun: der Maler Ferdinand Hodler
Der Kunstmaler Ferdinand Hodler verbrachte seine Jugendjahre zum Teil in Steffisburg und Thun, wo er eine Lehre für Kunstmalerei absolvierte und wichtige künstlerische Impulse erhielt.
Text: Jon Keller | Fotos: Stadtarchiv Thun, zvg
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Hodler wurde am 14. März 1853 in Bern geboren und verstarb am 19. Mai 1918 in Genf. In der Stadt am Genfersee, wo er abgesehen von einigen Reisen zeitlebens tätig war, absolvierte er ein Studium der Kunstmalerei. Mit seinem Stil der klaren Formen und Farben avancierte er zum führenden Maler des Symbolismus und des Jugendstils. Hodler gilt als Begründer der modernen Malerei der Schweiz und als bekanntester Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts.
Thun-Lauenen, das Thuner Künstlerviertel
Auch vielen Thunern ist dies nicht bekannt: Ferdinand Hodler absolvierte von Ende 1867 oder Anfang 1868 bis Ende 1870 (die genauen Daten können wegen fehlender Unterlagen nicht mehr eruiert werden) in Thun bei Lehrmeister Ferdinand Sommer (1822 – 1901) eine Lehre als Flach- und Kunstmaler. Den Wohnsitz hatte Familie Hodler zeitweise in Thun, aber auch in Steffisburg. Die Werkstatt von Lehrmeister Sommer lag im Thuner Stadtteil «Hinter der Burg», an der heutigen Burgstrasse. Sommer war zum einen Flachmaler und betreute eine lokale Kundschaft, wobei vor allem die Herstellung von Ladenschildern für Geschäftsleute anfiel. Zum anderen – und das war der wichtigste Zweig im Betrieb von Sommer – produzierte er mit seinen Mitarbeitern und Lehrlingen wie Hodler serienmässig sogenannte Ölveduten, welche im Thuner Touristenviertel, in Thun-Hofstetten, den fremden Gästen aus aller Welt zum Kauf angeboten wurden. Sommer schuf für eine Privatkundschaft auch Einzelgemälde, namentlich Landschaften, kaum aber Porträts. Ausserdem erteilte Sommer Unterricht im Kunstmalen an Privatpersonen. In all diesen Bereichen wurde der Lehrling Hodler gründlich ausgebildet, so dass er dank seiner Lehre über ein breitgefächertes Wissen und viel Praxiserfahrung verfügte.
Hodler betrachtete seine Lehre bei Sommer durchaus als «Eintritt in die Kunst.»
Ölveduten – der damalige Schlager unter Souvenirartikeln
Was die Souvenir-Veduten betrifft, stellte Sommer keine mechanisch vervielfältigten Stiche her, die anschliessend koloriert werden konnten. Er beschränkte sich stattdessen auf Ölveduten, wobei von einem Landschaftssujet – etwa der Kirche Scherzligen, dem Niesen oder der Jungfrau – durch Sommer und seine Mitarbeiter und Lehrlinge Dutzende, ja Hunderte von Exemplaren hergestellt wurden, welche oft nur geringfügige Unterschiede aufwiesen. Bei diesen Ölveduten handelte es sich also um Unikate, die jedoch serienmässig und in grosser Stückzahl produziert wurden. Die Bilder mit Landschaften des Berner Oberlandes zeigten durchwegs Klischees, welche die Touristen zum Kauf als Souvenir ansprachen: neben den bereits erwähnten Sujets wurden auch Alphütten, ein schäumender Bergbach, Kühe mit Hirten und Sennen dargestellt. Kurz: Sujets, die eine Schweiz mit einer idyllisierten Landschaft und mit einer unverfälschten Natur zeigten.Hodlers «Eintritt in die Kunst»
Hodler wurde während seiner Lehrzeit bei Sommer in Thun intensiv für die Produktion von Ölveduten eingesetzt und in die serienmässige Herstellung dieser Souvenirs eingeführt. Signieren allerdings durfte Hodler seine Arbeiten nur ausnahmsweise. Er apostrophierte diese Ölveduten später einmal despektierlich als «Fremden-Helgen». Diese Arbeiten Hodlers indessen als «Jugendsünden» oder gar als «Schandflecke» zu bezeichnen, wie sie in der Fachliteratur bisweilen genannt werden, ist nicht angängig. Hodler betrachtete seine Lehre bei Sommer durchaus als – wie er selbst betonte – «Eintritt in die Kunst», weil eben hier die Brücke vom Kunsthandwerk zur eigentlichen Kunst geschlagen wurde. Kunsthistoriker glauben denn auch, in einigen in Thun entstandenen Ölveduten spätere prägnante Stilelemente Hodlers ausmachen zu können.
Sommer «ein Mann von Geschick und Begabung»
Hodler erinnerte sich zeit seines Lebens an Sommer als sehr geschickten Lehrmeister. Gegenüber seinem Biografen C. A. Loosli äusserte er sich: «Eins ins andere gerechnet, habe ich Sommer in bester Erinnerung behalten, und wenn er auch kein hervorragender Künstler war, so war er doch ein ehrlicher, geschickter und braver Kunsthandwerker, von dem ich besonders im Technischen viel gelernt habe, das mir später vorzüglich zustatten kam. … Er war wirklich ein Mann von Geschick und Begabung». Und weiter: «Mich selbst mochte er recht gut leiden. Da ich anstellig war und er sah, dass es mir ernst mit dem Beruf war und ich es zu etwas bringen wollte, vertraute er mir bald Arbeiten an, die über die Aufgaben eines frischgebackenen Lehrbuben hinausgingen. Einer der besten Lehren, die ich ihm zu verdanken habe, war die Kunst, auch mit beschränktem Material möglichst viel, sowohl in Bezug auf die Arbeitsmenge wie auf die Arbeitsgüte zu leisten. Der alte Praktiker hatte seine eigenen Kniffe und Verfahren, denen ich zum Teil zeitlebens treu geblieben bin und die mir stets gute Dienste geleistet haben». Sommer seinerseits erkannte die Fähigkeiten und die Kunstfertigkeit seines Lehrlings. So meinte Sommer einmal: «Ihr sollt sehen, von Ferdinand Hodler wird man noch einst reden hören, wenn er sich weiter befleisst wie bisher und nicht in seiner Armut umkommt. Der kann schon jetzt mehr als ich, und wenn aus dem kein berühmter Maler wird, dann will ich ein Esel sein».Abruptes Ende von Hodlers Lehrzeit in Thun
Hodlers Lehrzeit bei seinem Lehrmeister Ferdinand Sommer in Thun endete 1870, und zwar auf sehr ungewöhnliche, ja abrupte Art, wie Hodler seinem Biografen anvertraute: «Immerhin hatte ich bei Sommer Pech! Er übertrug mir nämlich eines Tages das Bemalen einer seidenen Fahne und schärfte mir ganz besonders eindringlich ein, ja recht sorglich zu arbeiten, damit der kostbare Seidenstoff nicht verdorben werde, sonst setze es etwas ab. Ich will noch heute wetten: Hätte er mir nicht so Angst eingejagt, hätte ich die Arbeit entschieden zu seiner Zufriedenheit ausgeführt, nun aber hatte ich richtig den Tatterich und verdarb die ganze Sache. Jetzt war der Teufel los; ich getraute mich nicht mehr, dem Meister unter die Augen zu kommen und brannte durch, ohne mich erst zu verabschieden. Zwar bin ich überzeugt, dass er mich nicht gefressen hätte, aber ich hatte einfach Angst und ging».
«die gewaltige Pracht der Stockhornkette»
Der Anblick der Berner Alpen und der Voralpen wusste den jungen Lehrling Hodler tagtäglich tief zu beeindrucken. So steht in seiner Biografie zu lesen: «Ich konnte nie genug bewundern und schauen. Die gewaltige Pracht der Stockhornkette, des Niesens, des leuchtenden Hochgebirges fesselten mich derart, dass ich gar nicht mehr an Essen, Trinken und andere Genüsse dachte. Alle diese Eindrücke sog ich auf wie ein trockener Schwamm und konnte nie genug davon kriegen. Ja, die farbigen Eindrücke verstärkte ich noch, indem ich der Landschaft gelegentlich den Rücken kehrte, mich bückte und sie durch die gespreizten Beine hindurch bewunderte. Wenn mir nämlich das Blut zu Kopfe stieg, dann empfand ich die Farben noch viel leuchtender, und wer mich bei derartiger Naturbetrachtung etwa angetroffen haben mag, wird mich wohl für halb verrückt gehalten haben».
Hodlers «Parallelismus»
Auch als bestandener und berühmter Maler kam Hodler von Genf aus immer wieder an den Thunersee. Oft malte er von der Örtlichkeit «Finel» ob Leissigen aus den Thunersee, eingerahmt von den Bergketten des Niederhorns und des Stockhorns. Dank diesen Gemälden wird von Hodlers «Parallelismus» gesprochen, verlaufen doch die genannten Bergketten quasi parallel zum Thunersee.