Der Dichter J. V. von Scheffel als Gast im Chalet Klose in Thun
Der Dichter J. V. von Scheffel als Gast im Chalet Klose in Thun
Viele Dichter der absoluten Spitzenklasse, Dichter, die auch heute noch gerne gelesen werden, haben im Laufe der Zeit Thun und das Berner Oberland besucht. Zu nennen wären etwa Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich von Kleist, Romain Rolland und Rainer Maria Rilke. Der Dichter, der in vorliegendem Beitrag vorgestellt wird, gehörte allerdings nie der höchsten Gilde der deutschen Dichterfürsten an: Es handelt sich um Joseph Victor von Scheffel, der im 19. Jahrhundert sehr populär war und dessen Werke sehr verbreitet waren und oft gelesen wurden.
Text: Dr. Jon Keller, Historiker | Fotos: Luca Däppen, Stadtarchiv Thun, zvg
Joseph Victor von Scheffel wurde am 16. Fe- bruar 1826 in Karlsruhe geboren und starb ebenda am 9. April 1886. Äusserst bekannt und populär wurde er durch seinen Long- und Bestseller, den Roman «Ekkehard», der Dutzende von Auflagen erlebte und zeitweise als eigentliches Kultbuch galt. Im «Ekkehard» geht es um die Liebe einer Herzogin von Schwaben mit Mönch Ekkehard vom Kloster St. Gallen, im Mittelalter natürlich ein absolutes No-Go, wie man heute sagen würde. Sehr verbreitet waren auch sein Versepos «Der Trompeter von Säckingen» und seine Liedersammlung «Gaudeamus», die zahlreiche sogenannte Burschenlieder vereinigt. Seine Dichtungen sind gekennzeichnet durch romantische Naturfreude, freiheitliche Gesinnung, aber auch durch die Schilderung einer heroischen vaterländischen Vergangenheit, woraus Scheffel ein deutsches Nationalgefühl propagierte.
Karl Klose, Scheffels Freund in Thun
Scheffel weilte einige Male in Thun, und das kam nicht von ungefähr und auch nicht durch Zufall zustande, denn in Thun wohnte sein Freund Karl Klose, der ein schönes Chalet, das Klosehaus, an der Klosestrasse bewohnte. Leider musste das Klosehaus mit seinem grossen, parkähnlichen Garten im Herbst 1971 einer grossen Überbauung weichen. Der bevorstehende Abbruch des Chalets und die Errichtung eines Hochhauses riefen eine Opposition hervor, sowohl im «Thuner Tagblatt» und im Thuner Stadtrat als auch in der Bevölkerung, was sich unter anderem in einigen Leserbriefen manifestierte. Doch der Abbruch, der den gesetzlichen Bestimmungen entsprach, konnte nicht verhindert werden. Die Thuner Klosestrasse wiederum erinnert auch heute noch an den einstigen Besitzer des Chalets. Wie ist es zur Freundschaft Scheffels mit Karl Klose und seiner Familie gekommen? Scheffel wurde 1826 im gleichen Hause in Karlsruhe geboren wie acht Jahre früher, anno 1818, sein späterer Freund Karl Klose. Die Väter von Karl Klose und von Joseph Victor von Scheffel waren gut befreundet und diese enge Freundschaft setzte sich dann auch in den beiden Söhnen Karl und Joseph Victor über Jahrzehnte fort. Auch nach dem Wegzug von Karl Klose nach Thun blieben sich Karl und Joseph Victor freundschaftlich verbunden, was sich unter anderem in den Besuchen Scheffels in Thun zeigte. Karl Klose war Berufsoffizier und nach seiner Pensionierung zog er um 1869 nach Thun.
Sprüche von Scheffel am Chalet Klose
Scheffel war vom Haus Karl Kloses sehr angetan, was sich in Briefen äussert, in denen er auf das Chalet hinwies. So schrieb Scheffel am 28. Juli 1870 in einem Brief an einen befreundeten Arzt: «Mein alter Freund, Hauptmann Klose, ist nach der Schweiz übergesiedelt, in Thun oder Oberhofen angekauft; wenn Sie in die Nähe kommen, erfreuen Sie ihn durch einen Besuch.» Und am 18. Mai 1873 schrieb Scheffel an Emil Rothpletz, Oberrichter in Aarau und Professor für Kriegswissenschaft: «Wenn Sie einmal nach Thun kommen, so treffen Sie dort, im prächtigen Simmenthaler Holzhaus, das einst Dr. Mani gebaut, meinen Freund, den österreichischen Hauptmann a. D. Klose, dem es am Thunersee besser behagt als im Sand von Carlsruhe.» Das Chalet Klose war mit eingeschnitzten Sprüchen verziert, die aus der Feder von Scheffel stammten. Ein Beispiel: «Dein Leib verwest, dein Haus verfällt, Staub wird einst alle Erdenwelt, doch niemals stirbt, was Menschenkraft im Geist und in der Wahrheit schafft.»
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Gesundheitsstärkender Aufenthalt in Thun
Was die Aufenthalte Scheffels in Thun im Hause Klose betrifft, sind wir auf Briefe Scheffels angewiesen, denn Tagebücher des Dichters liegen nicht vor. Aber er war auch kein passionierter Briefeschreiber wie etwa Rainer Maria Rilke, dessen zahlreiche Briefe es gestatten, eine eigentliche Lebenschronik von Tag zu Tag zu erstellen. Joseph Victor von Scheffels Briefe sind im Oberrheinischen Literaturarchiv verwahrt, und zudem sind sie in einigen Briefwechseln gedruckt. Aber seine Briefe sind keineswegs vollständig erhalten geblieben, weshalb vermutlich auch nicht alle Aufenthalte Scheffels in Thun nachgewiesen werden können. Im Herbst 1875, in den Monaten September und Oktober, weilte Scheffel in Thun im Klosehaus, wie aus einem Brief vom 1. Oktober 1875 an Ignaz Heim, einen damals bekannten Komponisten und Chordirigenten, hervorgeht: «Hier in Thun war ich etliche Tage bei einem Freund, Hauptmann Klose. Er hat, von Maler Gleichauf gemalt, ein grosses Bild, Heini von Steier, den Tanzreigen aufspielend, in seinem Saal. Der Thuner Gesangverein unter Leitung von Prof. Horrer hat, leider vor meiner Anwesenheit, in diesem Saal deine Komposition zur Aufführung gebracht.» Auch 1882 weilte Scheffel in Thun, wie aus einem Brief an Emilie Heim, die Gattin von Ignaz Heim, zu erfahren ist. Diesen Brief schrieb Scheffel am 22. Juli 1882 in der Villa Klose, wie Scheffel die Liegenschaft Klose bezeichnete: «Nach einem guten gesundheitsstärkenden Aufenthalt bei meinem Freund Klose werde ich Mittwoch, 26. Juli, von hier über Bern, Olten, Waldshut die Heimreise antreten.»
Die Klosestrasse in Thun
Die Thuner Strassenverbindung zwischen Frutigenstrasse und Länggasse erhielt in den 1940er-Jahren durch Beschluss des Thuner Gemeinderates den Namen Klosestrasse. Dies geschah zu Ehren des Sohnes von Karl Klose: Friedrich Klose (1862–1942), der ein bekannter Komponist und Professor für Musik an diversen Akademien des In- und Auslandes gewesen war. Er war in Wien Schüler des österreichischen Komponisten Anton Bruckner. Seine Schulzeit verbrachte Friedrich Klose zeitweise in Thun, wo er auch konfirmiert wurde. Zur Konfirmation, die anno 1877 stattfand, erhielt Friedrich Klose eine kleine sogenannte Schatztruhe, für die Scheffel einen sinnreichen eingeschnitzten Spruch verfasst hatte.