Kaiser Napoleon der Dritte… einst bernischer Hauptmann in Thun
Kaiser Napoleon der Dritte… einst bernischer Hauptmann in Thun
Charles Louis Napoleon Bonaparte, der spätere französische Kaiser Napoleon III., war in den 1830er-Jahren einige Male gern gesehener Schüler in der Thuner Militärschule, und 1865, nunmehr als franzö- sischer Kaiser, besuchte er ein weiteres Mal die Stadt Thun, wo er mit Entourage im Hotel Bellevue übernachtete.
Text: Jon Keller | Fotos: Adrian Aellig, Stadtarchiv Thun, zvg
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
In der Eidgenössischen Militärschule in Thun
Charles Louis Napoleon Bonaparte, geboren 1808 in Paris, wurde 1852 durch eine Volksabstimmung französischer Kaiser. Er starb 1873 im Exil in England. Im August 1829, im Alter von 21 Jahren, erhielt Napoleon auf sein Ersuchen hin von der bernischen Regierung die Erlaubnis, im darauffolgenden Jahr Ausbildungskurse an der 1819 eröffneten Eidgenössischen Militärschule in Thun zu besuchen, an welcher der spätere General Guillaume Henri Dufour als Hauptinstruktor lehrte. Dufour war denn auch der Lehrer von Napoleon. Dieser freute sich auf die Ausbildung in Thun und war äusserst motiviert. So schrieb er am 5. Juli 1830 an Dufour: «Mit Vergnügen und mit Bereitwilligkeit werde ich mich der Disziplin unterziehen und den eingebürgerten Vorschriften, denn mein einziges Ziel besteht darin, mich auszubilden, und mein einziger Wunsch, mich durch meine Führung auszuzeichnen. Adieu, mein Oberst, seien Sie des Vergnügens versichert, welches mir die Bekanntschaft mit Ihnen machen wird.» Nachdem Napoleon seine Ausbildung in der Thuner Militärschule begonnen hatte, zeigte sich Dufour bald einmal sehr zufrieden in Bezug auf die Dienstauffassung und Einsatzbereitschaft des jungen Bonaparte. Am 18. Juli 1830 schrieb Dufour an seine Ehefrau: «Er hat noch zu wenig lange in der fürstlichen Erhabenheit gelebt, um sich nicht an unsere Lebensweise gewöhnen zu können. Er hat sich ganz angepasst. Er logiert sehr bescheiden, hat nur einen alten Soldaten als Diener bei sich und zeigt sich sehr arbeits- und lernbegierig. Ein Hauch von Melancholie umgibt ihn, welcher ihn besonders interessant macht.»
Ausgefülltes Tagesprogramm
Wie sah ein Tagesprogramm Napoleons an der Thuner Militärschule aus? Tagwache war um 5 Uhr, um 6 Uhr war Theorie angesagt, und um 7 Uhr begannen die praktischen Arbeiten (Schiessübungen, Artillerie, Geniearbeiten, Befestigung), welche bis 19 Uhr andauerten und bloss durch Mahlzeiten unterbrochen waren. Am Abend folgte bisweilen ein Ausgang in die Stadt, wobei Dufour das Rauchen von Pfeife oder Zigarre untersagte. Das strenge, anspruchsvolle Tagesprogramm zeitigte einen gesunden Appetit, wie Napoleon in einem Brief an seine Mutter vom 21. Juli 1830 festhielt: «Liebe Mama! Seit drei Tagen haben wir unsre Arbeit begonnen. Das Exerzieren bekommt mir sehr gut: Ich habe doppelte Esslust. … Das beste Einvernehmen herrscht hier unter allen; ich habe alle Ursache, dem Obersten Dufour zu danken; er erweist mir die verbindlichste Aufmerksamkeit.»
Dankbarkeit gegenüber Dufour
Nach Beendigung seiner Dienstzeit in Thun richtete Napoleon am 6. Oktober 1830 einen Dankesbrief an Dufour, worin unter anderem zu lesen war: «Ich will nicht aus der Schweiz abreisen, ohne Ihnen zu schreiben, um Ihnen noch meine ganze Freundschaft, die ich zu Ihnen hege, auszudrücken und auch die ganze Dankbarkeit, die ich wegen Ihrer guten Fürsorge mir gegenüber empfinde. Jeden Tag, der vergeht, bedaure ich es mehr und mehr, dass ich nicht von Ihnen erzogen und unterrichtet worden bin; ich wäre dadurch mehr auf der Höhe der Ereignisse.»
Ein Hauch von Melancholie umgibt ihn, welcher ihn besonders interessant macht.
Militärische Publikation über die Schweiz
Auch in den Jahren 1832 und 1833 weilte Napoleon zeitweise auf dem Thuner Waffenplatz, wo er unter Anleitung von Dufour militärwissenschaftliche Probleme bearbeitete. Daraus hervor ging 1833 seine Studie «Politische und militärische Betrachtungen über die Schweiz». Ein Jahr später, anno 1834, nahm Napoleon in Thun an Manövern teil, und zwar im Rang eines bernischen Hauptmanns. Napoleon III. als bernischer Hauptmann? Wie war das möglich? 1832 hatte Napoleon von der Gemeinde Salenstein im Kanton Thurgau das Ehrenbürgerrecht erhalten, wodurch er Schweizer Bürger wurde, was auch die Beförderung zum bernischen Hauptmann ermöglichte. Napoleon fühlte sich sehr geehrt und er schrieb an den bernischen Regierungsrat: «Ich erhalte soeben den Entscheid der bernischen Regierung, wonach ich zum Hauptmann der Artillerie ernannt werde, und ich beeile mich, Ihnen meine Anerkennung auszusprechen in der Erfüllung eines meiner heissesten Wünsche. Mein eigenes Vaterland oder vielmehr die französische Regierung hat mich verstossen, weil ich der Neffe eines grossen Mannes bin. Sie sind mir gegenüber verständnisvoll. Ich bin stolz, mich eingereiht zu wissen in die Reihen der Verteidiger eines Landes, ich welchem die Volkssouveränität die Grundlage der Verfassung bildet.»Teilnahme an Manövern
Napoleon pflegte weiterhin den Kontakt zu Dufour. 1835, als er Dienste in Thun absolvierte, traf er sich mit ihm in dessen Vaterstadt Genf. Und auch 1836 nahm Bonaparte, als stolzer bernischer Hauptmann, an Manövern in Thun teil. Rechnet man die Diensttage zusammen, welche Napoleon von 1830 bis 1836 auf dem Thuner Waffenplatz verbrachte, kommt man auf rund vier Monate, eine beträchtliche Zeit, die ihm in bester Erinnerung blieb. Jedenfalls erwähnte Napoleon dann und wann seine «belles années passées à l’école de Thoune».
Als französischer Kaiser im Hotel Bellevue in Thun
1865, drei Dezennien nach seinen Aufenthalten auf dem Thuner Waffenplatz und in der Militärschule, weilte Napoleon, nunmehr als französischer Kaiser, anlässlich einer Schweizer Reise wiederum in Thun. Seine Reise führte ihn von Arenenberg am Untersee nach Luzern, dann über den Brünig nach Meiringen und Interlaken und schliesslich nach Thun, das er am 23. August 1865 erreichte. Am 26. August 1865 meldete das Thuner-Blatt: «Letzten Mittwoch, den 23. im Nachmittage halb 5 Uhr, langte der französische Kaiser nebst Gemahlin und Gefolge, in Fuhrwerken von Interlaken kommend, in Thun an und nahm das Nachtquartier im Hotel Bellevue. Bald nach seiner Ankunft hatte er eine kurze Unterredung in seinem Zimmer mit alten Bekannten und dem Gründer des Hotels Bellevue, Herr Oberstleutenant J. J. Knechtenhofer. Abends spazierte das Kaiserpaar längere Zeit in den dortigen Anlagen angesichts eines zahlreichen Publikums, welches sich daselbst eingefunden hatte. Kaiser und Kaiserin bezeigten sich sehr freundlich gegen Jedermann und bei dem erstern mochte wohl die Erinnerung an früher hier verlebte frohe Tage, angenehme Gefühle erregen. Am Donnerstag Morgen fuhr derselbe bloss von General Fleury begleitet auf die Allmend, wo er einst als bernischer Artilleriehauptmann militärische Studien gemacht, und richtete dabei seinen Blick auch auf den neuen Casernenbau, von welchem er zu einem Anwesenden sagte: Vous aurez là une jolie caserne. Um ½ 10 Uhr morgens, nachdem vorher noch die wunderschöne Aussicht vom Pavillon des Jakobshubels bewundert worden war, erfolgte mit einem Extra-Zug die Abreise nach Bern; es hiess hier, der Kaiser werde sich daselbst nicht aufhalten, sondern in Neuenburg das Nachtquartier nehmen und am folgenden Abend in Fontainebleau eintreffen.»
«Letzten Mittwoch, langte der französische Kaiser nebst Gemahlin und Gefolge, in Fuhrwerken von Interlaken kommend, in Thun an und nahm das Nachtquartier im Hotel Bellevue.»