Eisenbahnprobleme in Thun vor 150 Jahren
Eisenbahnprobleme in Thun vor 150 Jahren
Probleme im öffentlichen Verkehr sind jedermann bekannt und mitunter allgegenwärtig. Aber auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Eisenbahn das Berner Oberland eroberte, gab es Probleme, die allerdings von ganz anderer Art als heute waren: zu reden gaben gute Anschlüsse, Spätzüge und direkte Billetts.
Text: Jon Keller | Fotos: Stadtarchiv Thun
Beat Künzi, im Juli wird für Sie ein Kindheitstraum wahr. Sie spielen im Musical-Klassiker CATS mit, der vom 12. Juli bis 24. August auf der Thuner Seebühne aufgeführt wird. Warum ist CATS ein Kindheitstraum?
Ganz einfach: CATS war eines der allerersten Musicals, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich kannte ja bereits die Musik – insbesondere der Hit «Memory», den die alte Katze Grizabella singt, begleitete mich viele Jahre. Nun selbst in diesem für mich so prägenden Musical auf der Bühne stehen zu dürfen, ist toll! Als Laie in einer professionellen Produktion mitwirken zu dürfen, macht mich sehr stolz. Die Bühne – und insbesondere die Thuner Seebühne – bringt eine riesige Faszination mit sich. Das Gefühl, vor einem so grossen Publikum im Rampenlicht zu stehen, ist einmalig. Und macht süchtig (lacht).
Welche Rolle spielen Sie in CATS?
Ich bin als Chormitglied Teil des Ensembles. Welchen Charakter meine Katze haben wird, wird sich bei den Proben herausstellen. Ich bin sicher, dass sich unsere Regisseurin und Choreografin Kim Duddy etwas Tolles ausgedacht hat.
Als die Eisenbahn 1859 Thun und 1861 Scherzligen erreichte, wo auf die Thunerseeschiffe umgestiegen wurde, erkannten die damaligen Hoteliers, der Verkehrsverein, aber auch Gemeinderäte von Thunerseegemeinden die Wichtigkeit und die Chancen des neuen Verkehrsträgers, der bald einmal Touristen zu Hundertschaften ins Berner Oberland brachte. Dabei galt es, mit den Bahngesellschaften Probleme zu diskutieren und zu lösen. Man war sich damals sehr wohl bewusst, dass der Stellenwert eines Touristenortes nicht unwesentlich von guten Bahnverbindungen und Bahnanschlüssen abhing.
Das Problem der Spätzüge
Viel zu reden gab damals das Problem der Spätzüge, auf Thun bezogen also die Spätverbindung von der Kantonshauptstadt nach Thun. Damals allerdings forderte man keineswegs einen Bern um Mitternacht verlassenden Zug, wie er heute existiert. Vielmehr schätzte man sich glücklich, um 21 Uhr einen letzten Zug nach Thun besteigen zu können. Zahlreiche Vorstösse des Thuner Gemeinderates, die sich über Jahre hinwegzogen, waren nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Er gelangte an das Regierungsstatthalteramt, das jeweils dem Gemeinderat die sogenannten Projektfahrpläne zur Vernehmlassung einreichte, aber auch an die kantonale Eisenbahndirektion. Ja schliesslich schaltete sich gar das Eidgenössische Eisenbahn- und Handelsdepartement ein. Steter Tropfen höhlt den Stein, und so war es 1879 so weit: Thun bekam wenigstens in den Sommermonaten einen Spätzug mit Abfahrt in Bern um 21 Uhr. Dadurch wurde es möglich, eine Reise nach Zürich, Basel oder Luzern in einem Tag zu unternehmen, wobei in den genannten Städten ein genügend langer Aufenthalt gewährleistet war.
Das Problem der Anschlüsse
Eine Herausforderung der damaligen Eisenbahnverbindungen waren die Anschlussverhältnisse, in jenen Tagen ein besonders heikles Problem, weil die SBB damals noch nicht bestanden. Sie wurden erst 1902 gegründet. Verschiedene grössere Privatbahnen bedienten damals die Hauptstrecken. So gehörte etwa die Strecke Bern –Thun der Schweizerischen Centralbahngesellschaft, die Strecke Bern – Luzern dagegen der Jura-Bern-Luzern-Bahn. Weitere wichtige Bahngesellschaften waren damals die Nationalbahn, die Nordostbahn und die Gotthardbahn. Der Gemeinderat bemängelte gegen Ende des 19. Jahrhunderts einige Male die schlechten Anschlussverhältnisse in Bern an andere Strecken. Recht eigentlich der neuralgische Punkt, welcher oft zu reden gab, war Gümligen, wo die Reisenden von Thun Richtung Luzern in die Jura-Bern-Luzern-Bahn umzusteigen hatten. Die Strecke Thun – Konolfingen der Emmental-Burgdorf-Thun-Bahn bestand damals noch nicht. In Gümligen musste der Reisende einen Aufenthalt von rund einer Stunde in Kauf nehmen, bis er dann Richtung Luzern weiterreisen konnte. Diese
unbefriedigenden Anschlussverhältnisse versuchte der Thuner Gemeinderat in zahlreichen Vorstössen zu verbessern, aber nur mit sehr mässigem Erfolg.
Das Problem der direkten Billette
Mit einer weiteren Initiative gelangte der Thuner Gemeinderat in den 1870er-Jahren an zahlreiche Bahngesellschaften des In- und Auslandes, wobei es um die Vermehrung der sogenannten direkten Billette von Stationen der Schweiz und des Auslandes nach Thun ging, ferner um die Ausgabe von Rundreisebilletten mit Erwähnung der Station Thun. Die direkten Billette (also etwa Köln–Thun) boten damals etwelche Vorteile: Nur einmaliges Lösen des Billetts für die ganze Strecke, im Gegensatz zur Vergangenheit, in welcher für jede Bahngesellschaft und ihre Strecke ein Fahrschein gelöst werden musste, also ein sehr aufwändiges und kompliziertes Prozedere. Weitere Vorteile waren: Möglichkeit der direkten Gepäckaufgabe, Unterbringung in den direkt durchlaufenden Wagen, Vorzugsrecht zur Beförderung vor anderen Personen sowie Taxenermässigungen. Mit der Vermehrung dieser Fahrscheine erhofften sich der Thuner Gemeinderat und die Verkehrsvereine des Berner Oberlandes eine Ankurbelung des Fremdenverkehrs. Neben Bahnen in der Schweiz schrieb der Gemeinderat auch Bahnen des Auslandes an, so die Kaiserlich-königlich privilegierte Vorarlbergbahn, die Grossherzoglich Badischen Staatseisenbahnen und die kaiserlichen Eisenbahnen in Elsass-Lothringen. Die Antworten der Bahngesellschaften sind erfreulicherweise im Stadtarchiv Thun erhalten geblieben. Sie fielen allerdings eher ernüchternd und unbefriedigend aus. Die Gesellschaften bekundeten wohl ihre allgemeine Bereitschaft zur Kooperation, meinten aber handkehrum, es seien solche Fahrscheine bereits in hinreichendem Mass vorhanden. Weiter wurde betont, derartige Initiativen sollten von der Centralbahn, welche die Strecke von Bern nach Thun betrieb, erfolgen. Steter Tropfen höhlt den Stein … und so kam dann Jahre später im Jahr 1880 die Centralbahn den Wünschen der Oberländer Tourismuskreise nach. Der dankbare Thuner Gemeinderat gab damals zu Protokoll: «Es soll dieses freundliche Entgegenkommen aufs Beste verdankt werden».
«Um 1900, in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, setzte im Berner Oberland ein eigentlicher Eisenbahnboom ein.»