August Macke – ein Deutscher Maler am Thunersee

August Macke – ein Deutscher Maler am Thunersee

August Macke – ein Deutscher Maler am Thunersee

Der deutsche Maler August Macke, Mitglied der Künstlergemeinschaft «Der Blaue Reiter», wohnte von September 1913 bis Juni 1914 in Oberhofen.

Text: Dr. Jon Keller, Historiker |  Fotos: Christine Hunkeler, zvg

August Macke wurde 1887 in Meschede (Ruhrgebiet in Deutschland) geboren. Er fiel im Ersten Weltkrieg in einem Gefecht im September 1914 in der französischen Champagne, noch nicht 30 Jahre alt. Macke gehör­te der Münchner Künstlergemeinschaft «Der Blaue Reiter» an, die 1911 gegründet wurde und mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs aufgelöst wurde. Zu dieser Künstlergemeinschaft gehörten Maler wie Wassily Kandinsky, Franz Marc, Paul Klee, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, Künstler, die auch 100 Jahre später keineswegs vergessen, sondern ganz im Gegenteil nach wie vor aktuell sind. Die Mitglieder des «Blauen Reiters» waren wichtige Wegbereiter der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, der Abstraktion und des deutschen Expressionismus.

Im Haus Rosengarten mit Seeanstoss

August Macke lebte mit Familie von Ende September 1913 bis Anfang Juni 1914 im Haus Rosengarten, das sich auf dem Gebiet der Einwohnergemeinde Oberhofen befindet. Das Haus Rosengarten gehörte indessen zu Mackes Zeit zum Postzustellkreis Hilterfingen, weshalb in der Literatur als Mackes Aufenthaltsort meistens Hilterfingen und nur ausnahmsweise Oberhofen vermerkt ist. Mackes Aufenthalt am Thunersee war geprägt von sehr intensivem und fruchtbarem Kunstschaffen. Daneben blieb Macke und seiner Familie aber auch Zeit, Ausflüge zu unternehmen, seien es Wanderungen oder Bootsfahrten auf dem Thunersee. Auch die Stadt Thun stand immer wieder auf dem Programm. In Thun empfing Macke künstlerische Impulse, die sich in seinem gestalterischen Werk niederschlugen. Daher soll in diesem Beitrag den diversen Motiven aus der Stadt Thun nachgegangen werden sowie der daraus resultierenden künstlerischen Verarbeitung.

Thuner Lauben in der Altstadt

Ein Motiv, das einige Male in den im Haus Rosengarten entstandenen Werken auftritt, sind die Lauben, die zwar in Thun nicht in so grossem Umfang wie in Bern vorkommen, sondern mehr rudimentär anzutreffen sind. Welche Laubenabschnitte Macke genau inspirierten, ist nicht mehr auszumachen. Festzuhalten ist aber, dass die Lauben als gewichtiges Element der städtischen mittelalterlichen Architektur Macke zu beeindrucken wussten, weshalb er sie denn auch in der Folge während seiner Zeit am Thunersee etliche Male künstlerisch verarbeitete. Prägnant dargestellt sind die Lauben beispielsweise auf dem Gemälde «Modegeschäft» (Öl auf Leinwand, 1913). Der Laubenteil, der auf der Kohlezeichnung von 1913 «Szene unter den Lauben in Thun, Laubengang in Thun» dargestellt ist, erinnert stark an die schlossbergwärts gelegenen Lauben beim Zunfthaus zu Schmieden an der Oberen Hauptgasse.

Attraktive Thuner Hochtrottoirs

Erstaunlich ist, dass die markanten und als besondere Sehenswürdigkeit bekannten Hochtrottoirs in der Oberen Hauptgasse (mit Schaufenstern auf Höhe der Gasse, aber auch auf Höhe der Trottoirs) nur ein einziges Mal ihren Niederschlag in Mackes Werk fanden, obwohl er sie bei seinen Besuchen in der Oberländerstadt immer wieder gesehen haben wird. Es handelt sich um die Kohlezeichnung auf Detailpapier «Leute auf der Strasse (gross)» von 1913. Gezeichnet ist im unteren Teil der Darstellung die Gasse mit Schaufenstern und im oberen Teil die Hochtrottoirs, beide Ebenen bevölkert mit Passanten. Dargestellt sind allem Anschein nach die Hochtrottoirs beim Mühlegässli, das von der Oberen Hauptgasse zum Mühleplatz führt und auf der Zeichnung gut zu erkennen ist.

Stadtkirche mit mächtigem Turm

Auf zwei Werken verewigte Macke die Thuner Stadtkirche, ein markantes Gebäude auf dem Thuner Schlossberg. Der Turm wurde um 1330 errichtet, der Predigtsaal jedoch ist viel jünger, er stammt aus dem Jahr 1738. Auf der Kohlezeichnung «Szene unter den Lauben in Thun (Laubengang in Thun)» von 1913 ist die Stadtkirche nur andeutungsweise mit wenigen Strichen dargestellt. Auf dem Gemälde «Helle Frauen vor dem Hutladen» (Öl auf Leinwand, 1913) dagegen ist der markante Uhr- und Glockenturm sehr deutlich wiedergegeben, namentlich die grossen, langen, rundbogigen Fenster und der Übergang vom viereckigen unteren Teil des Turmes zum darüberliegenden, achteckigen Oberteil, dem so­genannten Anzug, wie die Fachbezeichnung lautet.

Modegeschäfte: Mackes Faszination

Auf fünf Werken von Macke sind Thuner Modegeschäfte dargestellt, deren Auslagen in den Schaufenstern Macke zu faszinieren wussten. Beispielsweise auf dem Aquarell «Eine Ladenstrasse unter Lauben» von 1914, auf dem das Modegeschäft mit der Affiche «Modes» versehen ist. Vor allem ist aber das Gemälde mit dem Titel «Modegeschäft» (Öl auf Leinwand) von 1913 zu nennen, das in Publikationen zu Mackes Schaffen immer wieder abgebildet wird und durch seine Farbensinfonie besticht. Obwohl Thun zur Zeit Mackes eine Kleinstadt war mit rund 12 000 Einwohnern, gab es damals etliche Verkaufsgeschäfte, in denen Kleider und Modeartikel angeboten wurden und die Macke inspiriert haben dürften. Es waren Modegeschäfte, die jahrzehntelang existierten und bei der Thuner Bevölkerung einen sehr guten Ruf genossen.

Hutgeschäfte, damals in, heute vergessen

Auf sechs Werken von August Macke sind Hutgeschäfte dargestellt, in deren Schaufenstern Hüte ausgestellt sind. In Thun gab es zur Zeit von Mackes Aufenthalt drei Verkaufsgeschäfte für Hüte, die Macke inspiriert haben könnten und die mittlerweile alle verschwunden sind. Hutgeschäfte waren vor 100 Jahren in und entsprachen einem Bedürfnis, während sie heute kaum mehr anzutreffen sind. Was Thun betrifft, ist das Hutgeschäft Staufer an der Oberen Hauptgasse zu nennen, das eine lange Tradition aufweist. Während fünf Generationen führte die Familie Staufer das renommierte Hutgeschäft. Die Liegenschaft des Hutgeschäfts Staufer weist Lauben auf, weshalb angenommen werden darf, dass dieses Verkaufsgeschäft Macke ins­piriert hatte, da ja Werke Mackes mit einem Hutgeschäft teilweise auch Lauben aufweisen.

Seiltänzer Knie in Thun

Einige Male verarbeitete Macke das Motiv eines Seiltänzers und einer Seiltänzerin künstlerisch. Den Impuls dazu erhielt er auf dem Thuner Rathausplatz, wo Ende Oktober 1913 die Seiltänzertruppe von Ludwig Knie gastierte. In einem Inserat wurde eine «grosse Elitevorstellung» mit einem «Brillantfeuerwerk auf dem hohen Seil» angepriesen. Im Tagblatt der Stadt Thun vom 25. Oktober 1913 wurde darüber berichtet: «Die Seiltänzertruppe Knie ist wieder in Thun, und Alt und Jung freut sich an ihren altbekannten Darbietungen, und in Staunen und Bewunderung verhärtet sich die Freude, wenn das hohe Seil bestiegen wird, Poesie der Landstrasse!» Das Motiv des Seiltänzers erscheint auf sechs Werken von Macke, so auf fünf Zeichnungen. Beispielsweise auf der Kreidezeichnung «Seiltänzer» (1914) oder auf der Kohlezeichnung «Zirkusszene: Seiltänzer, Kunstreiterin und Clown» (1913/14), aber auch auf dem Gemälde von 1914 mit dem Titel «Seiltänzer» (Öl auf Leinwand). Neben dem gespannten Seil und dem Seiltänzer sind auch Häuser und das Publikum dargestellt. Der Thuner Rathausplatz mit seinen markanten Häusern ist dabei nicht auszumachen. Einzig auf der Kohlezeichnung «Seiltänzer, Häuser im Hintergrund» (1913) könnten das Zunfthaus zu Metzgern und das Platzschulhaus gesehen werden, allerdings haben sie nur sehr geringe Ähnlichkeit mit den realen Gebäuden.

«Thun ist ja so entzückend»

August Macke und seine Familie genossen den Aufenthalt am Thunersee, äusserte sich doch Mackes Ehefrau Elisabeth in einem Brief sehr lobend über die Gegend: «… und fühlen uns sehr wohl und glücklich hier.» Und in einem anderen Brief von Elisabeth Macke steht zu lesen: «Thun ist ja so entzückend.» Die Stadt Thun darf sich glücklich schätzen, auf diversen Zeichnungen und Gemälden von August Macke eindrücklich verewigt zu sein.