Verschwundene Brücken und ihre Spuren

Verschwundene Brücken und ihre Spuren

Verschwundene Brücken und ihre Spuren

Die Ableitung der Kander in den Thunersee 1714 führte am Unterlauf von Kander und Simme zu einer bedeut- samen Umgestaltung der Verkehrswege und der Brückenlandschaft. Im zweiten Beitrag der Serie «Brücken- geschichten» verfolgen wir die Spuren dieser verschwundenen Brücken.

Text: Rudolf Schneiter   |  Fotos: zvg

Glütschbachtal

Beginnen wir mit unserer Spurensuche zunächst im Glütschbachtal und werfen einen Blick in die Archive. Als die Kander zwischen 1711 und 1714 in den Thunersee abgeleitet wurde, setzte ein Prozess ein, der die Landschaft nachhaltig veränderte. Gemäss dem Plan aus dem Jahr 1717 von Samuel Bodmer – dem Initianten und ersten Leiter der Bauarbeiten an der Ableitung der Kander in den Thunersee – befanden sich ursprünglich zwischen Reutigen und der ehemaligen Einmündung in die Aare unterhalb von Thun mehrere Brückenübergänge. 

Der auch heute noch gültige Flurnamen «Brüggmatt» unterhalb der Gwattegg gibt uns einen Hinweis auf den ersten Übergang des Weges in Richtung Simmental. Hier stand eine gedeckte Holzbrücke, die «dekte Brugg bey Strättligen». Etwas weiter flussabwärts folgte die «Brugg über die Cander gegen Amsoldingen», auch «Amsoldingersteg an der Steghalden» genannt und nochmals weiter flussabwärts, von Thun über die Allmend nach Thierachern führend, stand eine dritte Brücke, die «Zollhausbrücke im Lerchenfeld».

Brücke über die Kander, mit altem Kanderlauf und Glütschbach Ausschnitt, Samuel Bodmer, 1717 (Staatsarchiv Bern, AA V 413).

Bild oben: «Die alte Wasserbrugg», Ausschnitt, Samuel Bodmer, 1717 (Staatsarchiv Bern, AA V 413). Hervorgehoben die Linienführung des Bewässerungskanals, zum Teil als Stollen,  der in der Talmitte eingezeichnete Graben («Scheidgraben») wurde  nie angelegt.

Bild unten: «Amsoldinger Steg» Ausschnitt, Samuel Bodmer, 1717,
(Staatsarchiv Bern, AA V 413).



Die Brücke an der Brüggmatt –  «dekte Brugg bey Strättligen» 

Die Brücke an der Brüggmatt wurde 1539/40 erbaut und von der Stadt Thun finanziert: «ein gantze gmeind zu Thun zwöyhundertt pfund an die nüw gemachte brügk an Zwyselberg über die Cander zestür geben». Dieser Übergang ist auf der Karte von Thomas Schöpf (1578) dargestellt und wird in der Landschaftsbeschreibung erwähnt. Schöpf berichtet von der halbverfallenen Burg Strättligen («Strätlingen») am rechten Ufer der Kander und einer neuen, hölzernen und überdachten Brücke. So finden wir sie ebenfalls auf dem Plan von Bodmer mit weiteren Details wie den vier Jochen und dem trockengelegten Lauf der Kander abgebildet. Spärliche Überreste des südlichen Brückenkopfs sind noch heute in der Nähe der Alten Schlyffi im Gelände sichtbar.


Wasserbrücke 

Mit dem im Plan von Bodmer als «Die alte Wasserbrugg» bezeichneten Bauwerk begegnen wir einer Besonderheit der damaligen Zeit, einem Aquädukt. Bereits vor der Ableitung der Kander in den Thunersee wurde Wasser in einem Kanalsystem durch das Glütschbachtal geleitet und sorgte in Trockenzeiten für Brauchwasser und die Bewässerung von Weideland im Gebiet Allmendingen und Strättligen. Das Kanderwasser eignete sich nicht zur Bewässerung der Weideflächen und war nach Unwettern stark sedimenthaltig. Zur Verbesserung der Wasserqualität wurden ab 1697 verschiedene westlich von Reutigen gelegene Quellen gefasst und kanalisiert. Teilweise verlief der Kanal in Stollen und auf der Höhe der Gundelsey wurde er mittels eines Aquäduktes durch eine hölzerne Leitung über das alte Kanderbett auf die rechte Flussseite geführt. Von der ehemaligen «Wasserbrugg» sind leider keine Spuren mehr vorhanden, gut im Gelände erkennbar sind heute dennoch Teile des Wasserkanals und einige Stollen. Nach der Ableitung der Kander trocknete das alte Flussbett im Glütschbachtal aus und die am alten Kanderlauf liegenden Gemeinden Allmendingen, Thierachern, Uttigen und Uetendorf sassen nach 1714 buchstäblich auf dem Trockenen. Der Grund- wasserspiegel hatte sich, mit fatalen Folgen für den Bodenertrag und für das Mühlenwesen, stellenweise bis zu zwölf Meter abgesenkt. Der damalige Rat der Zweihundert beschloss daraufhin, den Glütschbach vom Hani bis zur Steghalten ins alte Kanderbett zu leiten. Von dort aus schuf man einen neuen Kanal bis zur Thierachern-Mühle. Das kanalisierte Wasser floss weiter bis zur Mühle Uttigen und mündete alsdann in die Aare. Der ursprüngliche Kanal im oberen Teil des Glütschbachtales wurde nach einem Rechts- streit zwischen den Konzessionsinhabern des Kanals und den zinspflichtigen Abnehmern des Kanalwassers aufgelassen und der im Plan von Bodmer eingezeichnete sogenannte Scheidgraben wurde nicht aus- geführt.


Amsoldingersteg

Die älteste Nachricht zur Brücke, die damals «die brugge ze Ansoltingen» genannt wurde, stammt aus dem Jahr 1328 und enthält den Hinweis, dass das Bauholz vom Stift Amsoldingen aufgebracht wurde. Spätere Aufzeichnungen sprechen von Streitigkeiten zwischen den zum Unterhalt der Brücke verpflichteten Gemeinden. In einem Bericht von 1712 steht, dass es sich bei diesem Bauwerk um eine gediegene Holzkonstruktion mit fünf in den Flussgrund gerammten Grundjochen handle, welchen wir wieder im Plan von Bodmer begegnen. Die Zeichnung zeigt aber auch, dass die Brücke bereits abgebrochen worden war. Die spärlichen Mauerreste der Brückenkopffundamente liegen heute gut versteckt am Westhang des Glütschbachs und sind nur für den Fachmann erkennbar.

Brückenübergang bei der Strättligburg, Ausschnitt, Thomas-Schöpf- Karte,
1578 (Privatbesitz).

Fragmente  des südlichen Brückenkopfs bei  der Alten Schlyffi in Zwieselberg
(Foto Via Storia).

Zollhausbrücke

An der Strasse von Thun über die Allmend nach Thierachern befand sich ein dritter Übergang, die «Zollhausbrücke im Lerchenfeld». Hier erhob die Stadt Thun von den Reisenden einen Brückenzoll. Diese Brücke wurde ebenfalls nach der Ableitung überflüssig, blieb aber dennoch einige Jahre bis zum Abbruch in den 1730er Jahren stehen. Das Holz konnte 1738 in Steffisburg beim einstigen Siechenspital für den Bau einer Brücke über die Zulg verwendet werden. Diese altehrwürdige Brücke, die den Siechensteg ersetzte und offensichtlich ganz aus Eichenholz konstruiert war, diente dem Verkehr bis 1851.  

Die Zollbrugg der Statt Thun», Ausschnitt, Samuel Bodmer, 1717 (Staatsarchiv Bern, AA V 413), Brückenübergang beim heutigen «Zollhaus» im Lerchenfeld.

Der «Höch Stäg», Plan von J. L. Reinhardt aus den 1740er Jahren (Ausschnitt). Der Plan zeigt, dass es sich um eine Holzbrücke handelte, auf zwei Joche gebaut, ungedeckt und nicht bekiest. (Staatsarchiv Bern).

«Atlas  Suisse» Meyer-Weiss, 1798 (Ausschnitt). Die punktierte Linie zeigt die Verbindung Wimmis–Kandertal über den «Hohen Steg».

Kanderbrücke bei Einigen

Durch die 1714 entstandene Kanderschlucht wurde die alte Frutigstrasse, die vorher von Gwatt über die Strättligegg nach Gesigen und Lattigen führte, aber auch der Weg nach Einigen, unterbrochen. Bis zum Bau einer neuen Brücke wurde während mehr als zwei Jahren die Verbindung durch einen Fährbetrieb auf dem Thunersee aufrechterhalten. Die 1716 fertiggestellte Steinbogenbrücke stürzte im Frühjahr 1746 ein und wurde durch eine erste gedeckte Holzbrücke ersetzt. Bis heute sind unterhalb der Eisenbahnbrücke die Überreste des rechtsufrigen Brückenkopfes der ersten Holzbrücke sichtbar. 

Doch auch die erste Holzbrücke musste bereits 1749 wieder ersetzt werden. Wie in der Rechnung für «Die Neüw Erbauwte Cander Brugg» festgehalten wird, konnte beim Neubau kein Holz von der alten Brücke verwendet werden, da dieses ganz faul gewesen sei. Aus diesem Grund musste für die zweite gedeckte Holzbrücke viel neues Tannen- und Eichenholz gekauft werden. Aus der Abrechnung ist ersichtlich, dass Eichen von Strättligen und Holz von der Schwarzenegg, Leissigen und andern Orten zugeführt wurden. Ein weiterer Neubau mit grösserer Spannweite erfolgte 1764, ein Bauwerk, das verschiedentlich abgebildet wurde. Bis zum Bau der neuen linksufrigen Thunerseestrasse 1843/44 diente diese Holzbrücke dem sämtlichen Verkehr. lm Rahmen dieses Strassenprojektes wurde eine neue, steinerne Brücke über die Kanderschlucht gebaut, die 1938/39 und 1960/61 verbreitert wurde und noch heute rege benutzt wird. 

Hoher Steg

Von der ursprünglichen Verbindung von Wimmis ins Kandertal – in den Dokumenten als «Hoher Steg» bezeichnet – sind keine Spuren mehr zu finden. Einzig der Name «Stegweid» zwischen Spiezwiler und Emd- thal erinnert noch an diesen Übergang. Er befand sich rund 1,5 Kilometer oberhalb der heutigen Brücke Wimmis-Spiezwiler. Bereits 1474 wurde dieser in einem Spruchbrief als «Höche Stäg» erwähnt und war immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten um Schwellenrechte zwischen den Herrschaftsleuten von Spiez und den Landleuten des Amts Wimmis. Zudem beschädigten oder zerstörten Hochwasser immer wieder diese Brücke. Nach 1800 begann man mit der Planung eines weiter flussabwärts gelegenen, sichereren Übergangs. Dieses Projekt kam erst 1841 zur Ausführung und die steinerne Brücke, verschiedentlich erweitert und verstärkt, stellt heute noch die Verbindung zwischen Wimmis und Spiez sicher.