Überlebenskünstler

Überlebenskünstler

Überlebenskünstler

Was hoppelt da durch die verschneite Alpen-Landschaft? Schneehasen – perfekt an das Leben in der Kälte angepasst mit ein paar tollen Tricks in petto, die ihnen das Überleben in der rauen Gegend erleichtern. Doch leider sind die Überlebenskünstler stark von der rasanten Ausbreitung des Klimawandels betroffen. 

Text: Laura Spielmann Bilder: Speedy Füllemann, zvg

 

chneehasen gelten als Eiszeitrelikt – eine abgetrennte Population, die in sogenannten Kälteinseln lebt. Die grösste Population von Schneehasen lebt in Skandinavien und Russland. Die Population in den Alpen lebt isoliert von dieser. Schneehasen sind während der letzten Eiszeit in die Alpen eingewandert – und geblieben, da es in den tieferen Lagen zu warm für sie wurde.

Hierzulande bevorzugen Schneehasen Höhen ab ca. 1300 Meter. Vornehmlich sind sie nachts und bei Dämmerung im Bereich der Wald- bzw. Baumgrenze bis hin zur Gipfelregion anzutreffen. Die Kombination zwischen offenen alpinen Weidflächen und Schutz bietenden Bäumen, Büschen und Felsblöcken sind für sie der perfekte Lebensraum. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Gräsern, Kräutern, Knospen, Baumrinden, Zweigen und Wurzeln – richtet sich aber immer nach dem örtlichen Angebot und der Jahreszeit. Auf der Suche nach Nahrung legen die ca. 3,5 Kilogramm schweren und etwa 60 Zentimeter grossen Vegetarier oft weite Strecken zurück. Zwischen Ruhestätte und Nahrungsplatz können bis zu zwei Kilometer mit einer Höhendifferenz von 200 Metern liegen.

Schneehasen sind scheue Tiere und standorttreu. Die Paarung findet jeweils von März bis April statt, die Tragzeit beträgt sieben Wochen. Die Häsin kann bis zu drei Würfen pro Jahr haben mit jeweils bis zu vier Jungen. Als Nestflüchter haben die Jungen bei Geburt bereits ein Fell, können sehen und sich selbstständig fortbewegen. Einmal in der Nacht sucht die Mutter sie auf, um sie zu säugen. Nach rund vier Wochen werden sie entwöhnt und sind ab da auf sich selbst gestellt. Als Beutetiere sind Schneehasen Fressfeinden ausgesetzt, dies sind zum Beispiel Greifvögel, Füchse, Marder oder Rabenvögel. Auch Krankheiten, der Klimawandel, harte Lebensbedingungen und der Mensch führen zu hohen Sterblichkeitsraten unter den jungen Schneehasen.


Perfekte Anpassung

Alles an den Schneehasen ist auf ihre Lebensumstände angepasst, eine Kombination von körperlichen Merkmalen und besonderen Verhaltensweisen machen sie zu wahren Überlebenskünstlern. Im Winter ist zudem alles darauf getrimmt, dass sie so wenig Wärme verlieren wie nur möglich: Angefangen bei ihrer Gestalt, die anders als bei ihren nahen Verwandten, den Feldhasen, viel gedrungener und kleiner ist – auch die Löffel sind viel kleiner als bei ihren Verwandten. Als besonderes Merkmal sind deren Spitzen das ganze Jahr hindurch schwarz. Auch ihr Fell hat sich angepasst: Das weisse, dichte Fell, das im Winter aus einer feinen Unterwolle und längeren Grannenhaaren besteht, dient nicht nur der Tarnung, sondern auch der Isolierung.

Die weissen Haare sind aufgrund der fehlenden Farbstoffe hohl und wirken so isolierend. Gleichzeitig hilft das dem Tier, seine Körpertemperatur zu regulieren, sodass es weniger Energie dafür aufwenden muss. Ihre breiten, kräftigen Hinterpfoten, deren lange, behaarte Zehen sich besonders gut spreizen lassen, bieten eine grosse Auflagefläche, somit können sie sich wunderbar im Schnee fortbewegen, ohne einzusinken. Sie dienen also als eine Art Schneeschuhe. Schneit es, lässt sich der Schneehase einfach einschneien. Diese so gebildete Schneehöhle hat nämlich dieselbe Funktion wie ein Iglu – der Schneehase nutzt also die dämmenden Eigenschaften des Schnees aus. Eine kleine Öffnung dient der Sauerstoffversorgung. Auch für die Spuren, die sie hinterlassen, haben sie eine Lösung gefunden: Um ihre Feinde zu verwirren, laufen sie auf ihren eigenen Spuren zurück und machen zwischendurch grosse Sprünge, um die Spuren zu unterbrechen.

Schneehasen sind aber auch in den anderen Jahreszeiten richtige Tarnungskünstler: Im Frühjahr und im Sommer wechselt ihr Fell die Farbe: im Frühjahr zu graubraun, im Sommer zu braun – somit sind sie auch in diesen Jahreszeiten perfekt an ihre Umgebung angepasst. 

Der Kot als kostbare Nahrung

Energie ist in den rauen Bergwintern das A und O des Überlebens. Doch im Winter ist das Nahrungsangebot knapp, und da die Schneehasen keine Fettreserven anlegen, müssen sie auf die Suche nach Nahrung gehen, und das nehmen, was sie kriegen können. Somit müssen sie also ihre Ernährung umstellen. Rinden, Zweige, Knospen oder Fichtennadeln sind zwar trotz Schnee erreichbar, doch diese Nahrung ist nicht besonders nährstoffreich. Also haben die Tiere eine Methode entwickelt, um trotzdem an diese Nährstoffe zu kommen: Sie fressen ihren eigenen Kot. Im Blinddarm werden schwer verdauliche Pflanzenteile mithilfe von Mikroorganismen aufgeschlossen. Im Winter ist dieser durch den Blinddarm ausgeschiedene Kot feuchtweich; durch das Wiederaufnehmen gelangen die im Blinddarm bereitgestellten Vitamine wieder in den Magen, wo sie vom Körper aufgenommen werden können. 

Auswirkungen des Klimawandels

Schneehasen sind vom Klimawandel stark betroffen. Durch den immer wie stärker fortschreitenden Klimawandel ändern sich die Lebensbedingungen der Tiere schneller, als sie sich daran gewöhnen können. Schnee und Eis prägten die Alpen, doch immer wie mehr liegt der Schnee kürzer und es gibt davon auch weniger – und so schwindet der Lebensraum der Schneehasen und die Vernetzung einzelner Populationen nimmt ab. Die Schneehasen sind auf den Schnee angewiesen, denn durch ihr weisses Fell sind sie im Winter getarnt, ohne diesen logischerweise nicht. Durch den Klimawandel sind sie aber «zu weiss». Denn das Fell bleibt länger weiss, als der Schnee hält, oder ihr Fell ist schon weiss, obwohl noch gar kein Schnee gefallen ist, was ihre sonst so perfekte Tarnung zunichte und sie anfällig für Fressfeinde macht.

Als Anpassungs-Spezialisten können Schneehasen durch Evolution den Fellwechsel zwar anpassen, da aber der Klimawandel zu schnell voranschreitet, ist diese Anpassung an neue Bedingungen für sie nicht mehr rechtzeitig machbar. Auch die Beschaffenheit des Felles kann ein Problem darstellen: Ist es draussen zu warm, können sie ihre Körperwärme nicht mehr abgeben, dadurch könnte es zu einem Überhitzungsproblem kommen, wenn die Hasen sich nicht abkühlen können. Der Rückzug des Schneehasen in höhere Lagen dürfte zudem zu einem Bestandsrückgang führen, denn ein weiteres Problem, dem sie sich ausgesetzt sehen, ist die Hybridisierung mit den Feldhasen: Aufgrund steigender Temperaturen ziehen sich auch die Feldhasen in höhere Lagen zurück – ins Gebiet der Schneehasen. Sie werden so zu Konkurrenten, und die Feldhasen verdrängen die Schneehasen an für sie ungeeignete Nahrungsplätze – ihr Lebensraum verkleinert sich. Zudem können sie sich mit den Feldhasen verpaaren und fruchtbare Nachkommen zeugen, wodurch die Anzahl der Schneehasen sinkt.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Erforderlich