Die Wildhut: Einheimische Tierwelt erhalten und fördern

Die Wildhut: Einheimische Tierwelt erhalten und fördern

Die Wildhut: Einheimische Tierwelt erhalten und fördern

Wildhüter sind für alle Aktivitäten zuständig, die dem Schutz und der langfristigen Überlebensfähigkeit des Wildes dienen und das Zusammenleben von Mensch und Wildtier vereinfachen. Dazu gehören eben  nicht nur jagdplanerische und jagdpolizeiliche, sondern auch hegerische Funktionen. 

Text: Beat Straubhaar  |  Fotos: Beat Straubhaar

Die Wildhut im Kanton Bern ist seit dem 1. Januar 2014 in drei Regionen (Mittelland, Oberland und Berner Jura/Seeland) eingeteilt. Die einzelnen Wildhüter sind zuständig für mehrere Gemeindegebiete. Um das Zusammenleben von Wildtieren und Menschen für beide Seiten bestmöglich zu gestalten, plant und realisiert das kantonale Jagdinspektorat verschiedene Projekte und Konzepte. Oft geht es darum, Störungen des Wildes in wichtigen Einstandsgebieten zu vermeiden oder mindestens zu minimieren. Dabei reicht es meist, die Störung zu kanalisieren, sie also örtlich oder zeitlich einzugrenzen.  

Umfassendes Tätigkeitsgebiet 
Einer der Wildhüter in der Thunersee-Region ist Paul Schmid, seit 28 Jahren im Dienst der bernischen Volkswirtschaftsdirektion. Der 57-Jährige war früher selber Jäger, bevor er in die Wildhut eintrat. Sein Einsatzgebiet im Wildraum 15 geht vom linken Thunerseeufer bis nach Leissigen, zudem ist er zuständig für das eidgenössische Jagdbanngebiet Kiental. Wie alle seine Kollegen hat er neben der Jagdpolizei und aufsicht bestimmte weitere Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören die Beratung der Landwirte, Waldbesitzer und der übrigen Bevölkerung bei Wildschäden sowie die Schadeneinschätzungen und die Vergabe von Entschädigungen. Generell ist die Wildhut für die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt der einheimischen Tierwelt und deren Lebensräume sowie für den ausreichenden Schutz bedrohter Wildarten zuständig. «Bei Verkehrsunfällen mit Wildtieren rücken wir nicht mehr wie früher rund um die Uhr aus, sondern von 7 bis 19 Uhr – ausserhalb dieser Zeit ist die Kantonspolizei zuständig», erklärt Schmid.

Die Wildtiere passen wegen der Anwesenheit des Luchses ihre Lebensgewohnheiten an.

Wildzählungen und Beobachtungen

Zu den Aufgaben der Wildhüter gehören aber auch Wildzählungen, Beobachtungen und die Förderung der Wildtierforschung. Dabei sind besonders die Erfahrungen der Wildhüter mit dem Luchs und dem Wolf gefragt. Obwohl der Luchs in den Augen Schmids bei uns seinen Platz haben soll, müsse sein Aufkommen gut überwacht werden. «Am Niesen hat es mehr Jungluchse, als man allgemein annimmt», ist er überzeugt. Mit Fallen hat er dies mehrmals beweisen können. «Jeder Luchs hat ein anderes Fellmuster, womit klar erkennbar ist, dass nicht immer das gleiche Tier in die Falle geht», so Schmid. Für ihn ist sehr schade, dass die Studie mit den besendeten Rehen wegen eines technischen Fehlers abgebrochen werden musste. «Die ersten Resultate waren vielversprechend.» Allgemein geht man davon aus, dass die Reviergrösse Eurasischer Luchse in Abhängigkeit der Walddichte, der Waldstruktur, der Deckungsmöglichkeiten, der Dichte von potentiellen Beutetieren, der Besiedelung durch Menschen sowie der topografischen Verhältnisse stark variieren. Untersuchungen in den Schweizer Nordalpen haben eine durchschnittliche Reviergrösse von 250 Quadratkilometern ermittelt, wobei das kleinste Revier 96 und das grösste 450 Quadratkilometer umfasste. Im Jura, wo der Waldanteil höher ist, wurde dagegen ein Aktionsraum von 100 bis 150 Quadratkilometern ermittelt.  

Ein Gämsrudel beim Wechsel seines Einstandsgebietes.

Die Hörner des Steinbocks sind praktische Kratzhilfen.

  Gämsen bilden einen «Kindergarten» in sicherer Distanz.

«Die Gämsbestände in der Schweiz befinden sich auf einem unerwünscht tiefen Niveau.»

Die Gämse ist unter Druck

Beobachtungen Schmids zufolge passen die Wildtiere wegen der Anwesenheit des Luchses ihre Lebensgewohnheiten an. So beobachtet der Wildhüter im eidgenössischen Jagdbanngebiet des Kientals, wie die Gämsen sich wieder vermehrt höher, oberhalb der Waldgrenze aufhalten. «In diesem offenen Gebiet fühlen sich die Gämsen sicherer, ein Luchs wird früher entdeckt», sagt Schmid. Damit entsteht aber eine andere, zwischenartliche Konkurrenz zwischen Gämsen und grossen Schafherden. Gemäss Studien ist bekannt, dass Steinwild, bekannt als Steinböcke, welches durch sömmernde Schafe aus ihrem Gebiet vertrieben wird, auf Gämseinstände ausweicht. Der Ruf nach einer besseren Kontrolle des Vollzugs der Direktzahlungsverordnung des Bundes der alpwirtschaftlichen Planung von Schafalpen ging erst kürzlich durch die Presse. Reinhard Schnidrig-Petrig, Chef Sektion Wildtiere und Waldbiodiversität des Bundesamts für Umwelt, zog im Schlussbericht der diesjährigen Tagung über die Gämse in der Schweiz das Fazit: «Als Ausgangslage ist klar: Die Gämsbestände in der Schweiz befinden sich auf einem unerwünscht tiefen Niveau. Hierfür sind mehrere Faktoren verantwortlich.» Zum Beispiel kämen die Gämsen auch vom Rotwild unter Druck, das sich in den letzten Jahren stark vermehrte. Die Gämsen weichen auch hier nach oben aus. 

Störungen der Wildbahn durch Freizeitaktivitäten sind heute leider an der Tagesordnung.

Konflikte mit Individual-Touristen

Störungen der Wildbestände durch Freizeitaktivitäten sind heute leider an der Tagesordnung: Egal ob Heliskiing, Speedflying oder Gleitschirmfliegen – für Steinböcke und Gämsen hegen die modernen Fluggeräte grosse Erschreckungsgefahr von oben und führen zu unkontrollierter Flucht. Unter solchen Störungen leiden zum Beispiel die Steinböcke und Gämsen am Gemmenalphorn. Obschon ein Startplatz für Gleitschirmpiloten auf dem Niederhorn angeboten wird, starten immer wieder Piloten verbotenerweise vom Grat im Gebiet Burgfeldstand. Im Winter sind Störungen noch viel weitreichender, weil Fluchten mit einem hohen Energieverbrauch verbunden sind, in einer Zeit, in der der Energieverbrauch möglichst niedrig gehalten werden sollte. Speziell angesprochen sind Schneeschuhläufer, Skitouren- und Variantenskifahrer. Auf der Oberen Dündenalp im eidgenössischen Jagdbanngebiet Kiental sind im letzten Sommer Signalisationen zum Schutz der Raufusshühner aufgestellt worden. Speziell angesprochen sind die Tourengänger auf dem Bundstock. Die «Stop-Tafeln» zur Lenkung der Touristen seien in der Tourensaison «zu 90 Prozent befolgt worden», vermeldet der zuständige Wildhüter Schmid. Sobald die neue Skitourenkarte des Schweizer Alpen Club SAC veröffentlicht ist, müssen «Fehlbare» mit einem Anzeigerapport rechnen.  

 Damit unsere Wildtiere, besonders die stark gefährdeten, langfristig überleben können, sind wir alle gefordert. Speziell auch die Jagdplanung. Hanspeter Egli, Präsident Jagd Schweiz, stellte anlässlich der erwähnten Gäms-Tagung fest: «In vielen Kantonen wurde zu lange zu viel geschossen und zu spät oder gar nicht auf die sich verändernden Faktoren reagiert. Es braucht somit eine flexiblere Jagdplanung und -ausführung bei der Gämse, aber auch Geduld aller Beteiligten, da sich die Bestände nur langsam erholen können.»

Damit unsere Wildtiere, besonders die stark gefährdeten, langfristig überleben können, sind wir alle gefordert.

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