Das Konkrete im Abstrakten

Das Konkrete im Abstrakten

Das Konkrete im Abstrakten

In einem alten Holzhaus in Spiez oberhalb des Sees wohnt und arbeitet der Kunstmaler Christoph Flück. Mit Blick auf das Niederhorn, das Sigriswiler Rothorn und natürlich den Thunersee entstehen in seinem Atelier farbenprächtige Kunstwerke, die vom Spiel zwischen dem Gegenständlichen und dem Allgemeinen, dem Konkreten und dem Abstrakten leben.

Text: David Heinen  |  Fotos: zvg

Der Weg zur Kunst war für Christoph Flück, der in Schwanden bei Brienz aufwuchs, eigentlich bereits vor seiner Geburt vorgezeichnet. Schliesslich waren bereits sein Grossvater (Johann Peter Flück) und sein Vater (Martin Peter Flück) erfolgreiche Kunstmaler. Sie schufen viele Porträts, doch auch die Landschaftsmalerei war ein bestimmendes Thema. So kann man sagen, dass Christoph Flück regelrecht in das Kunsthandwerk ­hineingeboren wurde. Der Bezug war immer da: Malen war sein ­Hobby, und er richtete mit seinem Vater viele Ausstellungen ein. Doch er suchte auch das Gegensätzliche, und so machte er eine Lehre als Hochbauzeichner – da waren die geraden Linien bestimmend. Einige Zeit arbeitete er auf dem Beruf, doch nach Jahren in der Architektur verspürte er den Drang danach, sich freier auszudrücken. Von da an widmete er sich voll der Malerei. Eine klassische Kunstausbildung hat Christoph Flück nicht, er besuchte jedoch diverse Kurse der Schulen für Gestaltung in Bern, Zürich und ­Paris und bildete sich damit ­situativ weiter. Ab und an hatte er zwar ­verschiedene Gelegenheitsjobs, doch die Malerei blieb immer im Zentrum.

Christoph Flück in seinem Atelier.

Zwischen Landschaft und Mensch

Früher schuf Christoph Flück viele Aquarelle, immer vor Ort. Entsprechend unternahm er viele Studienreisen, um sich die Natur und die Landschaft anderer Länder zu erschliessen. Mehrmals besuchte er ­Norwegen, und auch nach Dänemark und Frankreich zog es ihn. Seit vielen Jahren malt er aber fast ausschliesslich mit Ölfarben in seinem Atelier. Ölfarben muss man Zeit lassen, jede Farbe trocknet unterschiedlich schnell; da wären beispielsweise Acrylfarben umgänglicher – dafür rieche es aber im Atelier nicht so gut, meint Christoph Flück lachend. An der frischen Luft entstehen zwischendurch immer mal wieder einzelne Land-Art-Projekte, teilweise auch in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und Künstlerinnen.

Sein Schaffen wurde von verschiedensten Kunstschaffenden und Stilrichtungen inspiriert, doch den grössten Einfluss übte wohl der Expressionismus aus. Das Farbige und Dynamische dieser Epoche hat Christoph Flück stets fasziniert. Obwohl ihm ­viele zeitgenössische Werke sehr gefallen, liegen die Inspirationsquellen eher in der Vergangenheit. Und natürlich sind es auch die Motive selbst, die ihn immer wieder aufs Neue anregen. In den letzten Jahren waren das vielfach Personen, die er auf die Leinwand übertrug. Seit jeher ist es zudem die Natur, die sein Schaffen beeinflusst. So begeistern ihn dramatisch aussehende Wetterwechsel – bloss kein blauer Himmel, der ist ihm zu eintönig. Die Landschaftsmalerei macht jedenfalls den Hauptteil seines Schaffens aus. «Doch Menschen sind ja auch Landschaften, da gehört alles zusammen», präzisiert er. Gerade Wasser ist eines seiner Lieblingsmotive: «Wasser verändert sich immer, es entstehen neue Formen, neue Farben und Stimmungen – deswegen war mir immer klar, dass ich an einem See oder am Meer wohnen will.» So überrascht es kaum, dass sich in seinem Werk viele ­Bilder des Thunersees finden.

Die Gemälde von Christoph Flück leben vom Spiel zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten. Wenn er beispielsweise Personen malt, ist er nicht an einer realitätsnahen Abbildung interessiert; es ist spannender für ihn, mit den Formen, den Kleidern zu spielen: «In meiner Kunst existiert grundsätzlich die Idee, dass die betrachtende Person im Bild weiter schauen kann, weil nicht von Anfang an klar ist, was dargestellt wird. Dass sich im Abstrakten auch Konkretes versteckt. Ich finde es spannend, wenn die Deutung nicht abschliessend ist. Die betrachtende Person soll gefordert werden, es soll in ihr ein Prozess ausgelöst werden, währenddessen sie das Bild besser kennenlernt.»

Mit seinen Bildern möchte er im optimistischen Rahmen bleiben. Sie sollen bei den Betrachtenden positive Gefühle auslösen, also Freude machen, Kraft geben oder beruhigen. Doch dies ist teilweise schwer zu steuern. So durfte er einmal die Praxis eines Psychologen einrichten. Dafür wählte er abstrakte Gemälde mit Personen in starken Rottönen. Der Psychologe meinte daraufhin, dass dies so nicht gehe. Er habe Patientinnen und Patienten, die damit möglicherweise das Fegefeuer assoziieren würden. «Nicht im Traum hätte ich bei diesen Bildern an so etwas gedacht», meint Christoph Flück.

Eindrücke aus dem Atelier

Musikalische Untermalung

Wenn ihm ein Motiv begegnet, das ihn inspiriert und das er malen möchte, speichert er den Eindruck mental ab – eher selten macht er dafür Fotografien oder Skizzen – und bringt ihn dann im Atelier auf die Leinwand. Dabei ist die Musik eine wichtige Begleiterin im Schaffensprozess. Sie unterstützt ihn meistens am Anfang des Werks, dann, wenn er die Grundstruktur festlegt. In dieser Phase arbeitet er vor allem mit dem Spachtel und nicht mit dem Pinsel, sodass schnell eine Grundstruktur zustande kommt. Dabei ist er nicht auf ein bestimmtes Musikgenre fixiert: «Es muss einfach Musik mit viel Energie sein. Etwas, was einen aufputscht. Man kreist in Gedanken um ein Thema, bereitet sich vor – da passiert noch nichts auf der Leinwand. Wenn man dann startet, ist Musik der richtige Kick, um in die Gänge zu kommen.» Musik hat für Christoph Flück noch einen weiteren hilfreichen Aspekt: «Das Gute am Musikhören ist für mich, dass ich dann weniger denke. Häufig ist es das Schwierigste beim Malen, dass man nicht zu denken beginnt. Es muss einfach malen. Ich mache keine intellektuellen Bilder. Sie sollen Gefühle und Stimmungen ausdrücken.»

Auf die Frage, wie lange er für ein Bild braucht, antwortet Christoph Flück: «Ein ­Leben lang. Damit meine ich, dass man jedes Bild nur malen kann, weil man all die Erfahrungen in seinem Leben gemacht hat.» Der erste Teil des Bildes ist meist schnell fertig, beim Finalisieren kommt wieder die Trocknungszeit der Ölfarben ins Spiel. Wenn nicht lange genug gewartet wird, zerstört man die darunterliegenden Farbschichten. So ein Prozess kann sich über Wochen oder Monate hinziehen. Wegen der langen Wartezeiten malt er häufig 10 bis 20 Bilder gleichzeitig. Je nach Luftfeuchtigkeit und Temperatur muss er bis zu mehreren Tagen warten, bis er weitermachen kann. Doch es gibt auch Bilder, die schon gleich von Anfang an sitzen. «Das Problem ist vielfach, dass man zu Beginn das Gefühl hat, es sei ein Wurf, und nach einem Monat kommt man wieder ins Zweifeln.» 

Die Formate betreffend hat Christoph Flück eigentlich keine Präferenzen, dies entscheidet sich von Motiv zu Motiv. So findet man in seinem Werk sehr kleine, aber auch sehr grosse Gemälde. Doch ihm fällt es meistens leichter, grosse Bilder zu malen. Er braucht den Platz, die Offenheit. Christoph Flück ist nicht das ganze Jahr über gleich produktiv. So gibt es immer wieder Phasen – so zwei, drei Wochen –, in denen er keinen Pinsel oder Spachtel in die Hand nimmt. Solche Pausen braucht er, um sich auf neue Projekte einzulassen, denn der Schaffensprozess benötigt viel geistige Kraft.

Wer sich mit den Werken Christoph Flücks auseinandersetzen will, kann dies bald bei der Atelier & Kunstgalerie Hodler in Thun machen. Dort präsentiert er vom 3. bis zum 23. April eine Auswahl seines aktuellen Schaffens. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, das Atelier in Spiez zu besuchen oder einen Blick ins Atelier zu werfen über die Webcam auf seiner Website www.christophflueck.ch.

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