Modedesign ein facettenreiches Handwerk
Modedesign ein facettenreiches Handwerk
Alle paar Jahre verleiht die Stadt Thun ihren Grossen Kulturpreis an eine Person, die mit ihrem künstlerischen Gesamtwerk ausserordentliche kulturelle Leistungen erbracht hat. In diesem November durfte die Modedesignerin Sabine Portenier diese Auszeichnung entgegennehmen.
Text: Patrick Leuenberger | Fotos: Pascal Zaugg, zvg
Nach ihrer verkürzten Lehre zur Bekleidungsgestalterin unterrichtete sie selbst zwei Jahre lang angehende Bekleidungsgestalter*innen, bevor sie an der Basler Modedesignschule ihr Design-Studium antrat. Der Druck bei der Aufnahmeprüfung muss enorm gewesen sein, denn von ungefähr 120 Prüflingen würden gerade mal neun einen Studienplatz erhalten. Als sie in der Aula ankam, wäre sie am liebsten direkt wieder nach Hause gegangen, ohne die Prüfung zu absolvieren, erzählt mir Sabine lachend. Ein Glück, dass sie sich dann doch überwinden konnte! Für Sabine zeigt dieses Erlebnis, dass man einfach versuchen muss, seine Ziele zu erreichen und nicht aufgeben darf, wenn man etwas wirklich will.
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Sabine arbeitet hauptsächlich mit natürlichen Materialien, zudem nimmt sie oftmals «Materialüberhänge», die bei den Lieferanten überschüssig sind.
Nachhaltigkeit
Den Einstieg in die Modewelt fand Sabine bei einer der grossen Firmen der Branche. In den sechs Jahren, die sie dort verbrachte, sah sie viele Dinge, mit denen sie nicht einverstanden war. Als sie sich, zu Beginn noch gemeinsam mit Evelyne Roth, selbstständig machte, war es ihr deshalb von Anfang an wichtig, dass gewisse Dinge anders gehandhabt würden. Da man als Kleinbetrieb nicht über die Ressourcen eines Grosskonzerns verfügt, unterscheidet sich die Arbeitsweise ohnehin bereits grundsätzlich. Es geht darüber hinaus aber auch um Themen wie die Nachhaltigkeit: Die Transportwege sollen möglichst kurz bleiben und die Produktentwicklung soll nicht outgesourct, sondern in den Prozess integriert werden. Die Kleidung soll als Ganzes nachhaltig sein, nicht «nur» die Rohstoffe, aus denen sie gefertigt wurde. Der Entwicklung soll ein angemessener Stellenwert zugestanden werden, sodass auch das Design an sich nachhaltig ist. Und es sollen schlussendlich Kleider entstehen, die man für mehr als nur eine Saison tragen kann.
Selbstverständlich sind die Rohstoffe aber ebenfalls wichtig für ein nachhaltiges Gesamtkonzept. Sabine arbeitet hauptsächlich mit natürlichen Materialien, zudem verwendet sie oftmals «Materialüberhänge», die bei ihren Lieferanten überschüssig sind. Aus Letzteren gibt es dann jeweils Produkte in begrenzter Stückzahl, natürlich müssen diese aber den gleichen hohen Qualitätsansprüchen genügen, wie alles andere auch; das Material ist schliesslich keineswegs schlecht, sondern lediglich überschüssig. Daneben gibt es im Sortiment diverse Basisprodukte, die immer erhältlich sind.
Hohe Kunst aus Thun
High Fashion bedeutet, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem Design passiert. Es wird nicht einfach ein 0815-Hemd genommen und dieses dann in ein paar verschiedenen Farbvarianten verkauft. Stattdessen setzt sich jemand damit auseinander und erarbeitet ein Leitmotiv, versucht dabei gleichzeitig mit der Körperform zu harmonieren, probiert verschiedene Dinge aus – es ist schlussendlich ein Entwicklungsprozess, der dahintersteckt. Ein zweiter Aspekt ist die Qualität, denn High Fashion beinhaltet sowohl die Verwendung hochwertiger Materialien als auch die hochwertige Verarbeitung derselben.
Dabei muss es nicht immer so ausgefallen sein, wie man es von Modenschauen kennt, denn dort sind die Prioritäten etwas anders. Bei einer Modenschau erzählt der Stylist oder Designer mit den Zusammenstellungen und Outfits eine Geschichte, die Präsentation ist eine Show. Es geht dabei zu einem gewissen Grad auch um die Medienwirksamkeit, die mit den extravaganten Kreationen erreicht werden kann. Entsprechend entwickeln Designer andere Kollektionen, wenn sie für eine Modenschau arbeiten, als wenn sie Kleidung direkt für den Verkauf designen. Und oftmals sind die Einzelstücke gar nicht so extrem, wie sie in den Zusammenstellungen auf der Bühne vielleicht wirken mögen – kombiniert mit einer einfachen Jeans kann so ein knalliges Oberteil dann plötzlich ganz bodenständig daherkommen.
Die Kunst der Kreation
Modedesign ist ein sehr facettenreiches Handwerk, bei dem es unzählige unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Arbeitet man zum Beispiel für eine fremde Marke, dann muss man sich in diese hineindenken. Jede Marke hat eine klare Designsprache, innerhalb der man sich bewegen muss. Wenn man für die eigene Marke designt, muss man sich ein solches Thema selbst vorgeben. Einerseits braucht es einen roten Faden, der dem Label als Ganzes eine Richtung vorgibt, andererseits benötigt jede Kollektion ein eigenes Grundkonzept, welches darauf aufbaut.
Bei Sabine Portenier beginnt dieser Schaffensprozess in der Regel mit einer Recherche, bei der sie einfach mal alles sammelt, was spontan ihr Interesse weckt. Dabei kommt so gut wie alles in Frage, sei es Architektur, eine Farbe, historische Ereignisse oder Zeitzeugen, ein Film, Essen oder ein Geruch. Aus dieser Ideensammlung wird dann Unpassendes wieder herausgefiltert, bis nur noch das übrig bleibt, was schlussendlich die Essenz der neuen Kollektion sein wird. Sabine fasst das Ergebnis jeweils in einem kurzen Kollektionskonzept zusammen und macht diese Essenz damit in Form von geschriebener Sprache sichtbar. Beim effektiven Schaffensprozess gibt es ebenfalls verschiedene Vorgehensweisen, wobei die meisten direkt über das Zeichnen auf die Formen und Volumen der Kleidungsstücke kommen, die sie entwerfen. Sabine arbeitet gern mit einer Büste, mit der sie wirklich unmittelbar die Materialien abformen kann und sieht, wie welche Wirkungen zustande kommen.
Andere Projekte
Neben der Arbeit für ihr Modelabel engagiert sich Sabine Portenier in diversen anderen Bereichen. Zum Beispiel übernahm sie vor fünf Jahren die Projektleitung für die Überarbeitung der Ausbildungsgänge im Nähwerk IDM. Neben der Ausbildung zum Bekleidungsgestalter, die dort absolviert werden kann, kam damals jene des Bekleidungsnähers hinzu. Deshalb musste das System überarbeitet werden, sodass eine für beide Ausbildungswege sinnvolle Struktur entstand. Bei dieser Gelegenheit wurde der Betrieb auch hinsichtlich Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf den heutigen Stand der Zeit gebracht, damit die kommenden Generationen von Bekleidungsgestaltern und -nähern bereits während der Ausbildung diese wichtigen Werte aufnehmen können.
Überschuss ist bei Sabine Portenier unerwünscht, denn die Ressourcen auf unserem Planeten sind begrenzt – eine Tatsache, der das Modebusiness aktuell zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Sabine ist zudem ein Teil des dreiköpfigen Suburban Collective, welches sich mit Innenarchitektur beschäftigt. Gegenstand sind textile Lösungen für alles im Bereich Möbelentwicklung, Farbkonzepte und Inneneinrichtung an sich. Aktuell steckt das Projekt noch in den Anfängen, aber wir dürfen gespannt sein, was daraus noch entstehen mag.
Kontakt
Sabine Portenier
Suburban Collective GmbH
Fashion Studio & Production
Scheibenstrasse 6
3600 Thun
Telefon 033 221 85 03
E-Mail sabine@portenier.ch