Auf den Spuren der Dreidimensionalität
Auf den Spuren der Dreidimensionalität
In der schönen Spiezer Bucht lässt Christine Lanz mit viel Leidenschaft und den verschiedensten Materialien Skulpturen, Bilder und Stelen entstehen. Aktuell arbeitet sie mit Zement und Ton an der figürlichen Dreidimensionalität. Es entstehen kleinere humoristische, aber auch lebensgrosse Figuren.
Text: Patrick Leuenberger | Fotos: Pascal Zaugg, zvg
Sie erzählt, dass sie noch nie im eigentlichen Sinne zeichnen konnte, was sie jedoch nicht stört. Ohne Erwartungen, aber mit viel Neugierde, nahm sie daher vor zwölf Jahren an einem Kurs von Martin Stucki teil. Als sie in der Sommerkunstschule Hünigen diese Maltechnik anzuwenden lernte, hat es ihr den Ärmel reingezogen. Sie merkte rasch, dass es hierbei nicht ums Zeichnen, sondern ums dreidimensionale Gestalten ging. Völlig fasziniert widmete sie sich in den nächsten Jahren – neben ihrer Arbeit in einer sozialen Institution – dieser neu entdeckten Kunstform und es entstanden zahlreiche, mehrheitlich kleinformatige Materialbilder, die auch ein bisschen an Collagen erinnern.
Nach diesem intensiven Schaffen war sich Christine Lanz im Klaren, dass ein neuer Abschnitt folgen musste, um ihre eigene Ausdrucksweise verkörpern und leben zu können. Es folgte eine kreative Phase mit blechernen, rostigen Sachen, aber auch mit alten Schriften, die sie mit den verschiedensten Materialien kombinierte und unter anderem in Bilder verwandelte.
Erste Experimente mit Ton folgten und schon bald fand sie Gefallen an diesem wunderbaren Material. Vor drei Jahren besuchte sie zudem einen Nachmittagskurs in welchem mit Zement und Jute gearbeitet wurde. In dieser Zeit wurde der neue Richtungswechsel gefestigt: Figürliches entstand.
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Genau genommen ist es gar nicht so erstaunlich, dass sie den Fokus auch auf die Arbeit mit Zement gerichtet hat.
Eine neue Richtung
Aus Ton entwickelten sich kleine, aus Zement grössere Figuren. In der Zwischenzeit konnte sie ihr Arbeitspensum auf 50% reduzieren, so dass sie die restliche Zeit diesem neuen künstlerischen Ansatz folgen konnte. Genau genommen ist es gar nicht so erstaunlich, dass sie den Fokus auch auf die Arbeit mit Zement gerichtet hat – hatten doch ihre Eltern ein Baugeschäft in Spiez, welches heute ihr Bruder führt. Immer mal wieder stöbert sie auf dem Werkhof nach brauchbaren Materialien; auch «Schrott» aus der Schuttmulde hat sie bereits zu eigenwilligen Werken animiert.
Die Arbeitsweise, wie die Figuren geschaffen werden, hat sie selber entwickelt. Ausgangspunkt einer Zementfigur ist ein Kunststoffrohr. Um dieses wird zum Beispiel mit Zement und Stoff ein Jupe trapiert. Nach einer ersten Phase des Trocknens folgt der weitere Aufbau: Schritt für Schritt mit Zement und Stoff entstehen Oberkörper, Arme, Kopf und Haare. Je nachdem wird die Figur noch mit einem passenden Hut oder einer Handtasche ergänzt. Mehrheitlich sind es weibliche Figuren, die sie aus Zement entstehen lässt. «Die wallenden Röcke bieten sich sozusagen an», erklärt sie. Ab und zu entsteht jedoch auch ein sogenannter «Quotenmann». Den Figuren wird bewusst kein Gesicht gegeben. Das lässt dem Betrachter mehr Raum für eigene Interpretationen.
Christine Lanz ist gerne alleine als «stille Schafferin» in ihrem Atelier. Die Figuren erwachen sozusagen zum definitiven Leben, wenn sie Einzug in eine Galerie erhalten und so der Aussenwelt präsentiert werden. Für ihre Figuren erhält sie sehr viele positive Rückmeldungen und dies ist immer auch ein Teil ihres Lohns nach monatelanger intensiver Arbeit «im stillen Kämmerlein».
Die Tonfiguren, welche kleiner als die aus Zement ausfallen, haben oft einen humoristischen Ansatz. Mit entsprechenden Titeln wird dieser pointiert unterstrichen, was bei der betrachtenden Person auch immer wieder mit einem Schmunzeln bestätigt wird. Dank Titeln wie «düre Wind», «Handymania», «Gänggeli-Täsche» und vielen mehr, haben die Figuren schon oft einen neuen Besitzer gefunden.
Bindemittel Zement
Zement ist genau genommen ein Bindemittel und der wichtigste Baustoff unserer Zeit. Seit Jahrhunderten ist es ein weiterentwickeltes Hightech-Produkt aus der Natur. Zement wird in Zementwerken produziert. Zur Herstellung verwendet man die natürlichen Rohstoffe Kalkstein und Ton, die oft als natürliches Gemisch vorliegen. Diese werden zu Rohmehl gemahlen und anschliessend auf etwa 1450 Grad Celsius erhitzt, bis sie teilweise miteinander verschmelzen. Das nun kugelförmige Material wird abgekühlt und zum Endprodukt Zement gemahlen. Für die unterschiedlichsten Bedürfnisse werden heute in der Schweiz rund 25 verschiedene Sorten produziert. Deshalb ist Zement dank seiner herausragenden Eigenschaften nicht einfach nur ein simples Bindemittel, sondern Sinnbild für Energie, Mobilität und Lebensraum, welches für die Zivilisation Entwicklung und Fortschritt ermöglicht. Zement erhärtet durch die chemische Reaktion mit Wasser und bleibt danach fest. Dieses Material eignet sich daher für Christine Lanz bestens, um ihren Zementfiguren ein langes Leben zu ermöglichen.
Das Atelier 32
Das Haus, in welchem das Atelier 32 in der Spiezer Bucht angesiedelt ist, gehörte einst ihren Grosseltern, ihr Vater ist in diesem Haus aufgewachsen. Haus und Garten sind ein idealer Ort, um sich kreativ zu entfalten. Drei Zimmer werden aktuell von weiteren Kunstschaffenden genutzt, so dass das Haus seit 2015 als kleine Ateliergemeinschaft genutzt wird. Durch ihre starke Verbundenheit zu Spiez und dem Thunersee fühlt sich Christine Lanz wohl und kann hier ihre Leidenschaft voll und ganz ausleben. Sie kann in ihrem Atelier mit der Arbeit gehen, und die Figuren in Ruhe entstehen lassen. Seit 2010 stellt Christine Lanz ihre Werke regelmässig aus und es stehen bereits wieder die nächsten Ausstellungen vor der Tür.
Kontakt
Atelier 32, Christine Lanz
Schachenstrasse 32
3700 Spiez
Tel. 079 736 56 72
E-Mail: chrige.lanz@bluemail.ch
Atelierzeiten: Dienstag, Freitag und Samstagvormittag.
Bitte telefonisch anmelden.