Bergmalerei als Kraft der Ruhe

Bergmalerei als Kraft der Ruhe

Bergmalerei als Kraft der Ruhe

Mächtige Berge im Fokus: Der Unterseener Gustav Ritschard malte damals die alpine Gebirgswelt auch so, als würden sie als Felsmonumente die Ruhe selbst ausstrahlen.Mächtige Berge im Fokus: Der Unterseener Gustav Ritschard malte damals die alpine Gebirgswelt auch so, als würden sie als Felsmonumente die Ruhe selbst ausstrahlen.

Text: Heinz Schürch  |  Fotos: zvg

Dieses Jahr wäre Gustav Ritschard 109 Jahre alt geworden. Seine Bilder strahlen die Kraft der Berge aus und vermitteln bildhaft eine Oase der Ruhe, von der  Ritschard selbst schöpfte, wenn er seine Bilder malte. «Als mein Vater jeweils vom Malen nach Hause zurückkehrte, war er stolz und strahlte eine besondere Gelassenheit und Zufriedenheit aus», erinnert sich seine Tochter Irmgard Zenger-Ritschard an ihren Vater. Die Bergmalerei faszinierte Gustav Ritschard: Bis ins letzte Detail, so als wäre das Gebirge hautnah vor dem Betrachter, zeigte er, was er von unten vor dem riesigen Monument sah. Mächtig, ins momentane Licht gestellt, zum Beispiel mit einer Wolke, die wortwörtlich am Berg andockt und so das Ende ihrer Wirkungsreise im Einklang mit dem Berg gefunden hat.

«Die Berge werden auch in ihrer Natürlichkeit verändert.»

Die Ruhe finden 

Sohn Urs Ritschard hält in Kürze fest: «In der Abgeschiedenheit der Bergwelt und ­zufrieden mit einfachsten Übernachtungsgelegenheiten in Alphütten erlebte mein ­Vater jeweils intensive Maltage und liess sich von der Wucht der Felswände, Graten und Zacken faszinieren. Mit virtuos rascher Arbeitsweise in Aquarelltechnik oder Spachteltechnik mit Ölfarben ging es ihm darum, die Einmaligkeit des Augenblicks, die eindrücklichen Stimmungen zu erfassen. Zufrieden und gestärkt kehrte er dann jeweils zurück.» Und dieses Krafttanken brauchte der wohl vielseitigste ­Bergmaler des Berner Oberlandes. Denn er war unter anderem auch Architekt und seinem heimatverbundenen Naturell entsprechend prägend im oberländischen Chaletbau. Als einer der ersten schuf er Restaurantbauten im rustikalen Stil, wovon die «Alte Taverne» in Adelboden das beste Zeugnis ist.


Nachhaltiger Tourismus 

Die Berge sehen, aber nicht überrennen: Das dürfte auch die Absicht von Gustav Ritschard gewesen sein, als er als weiteres Projekt am Thunersee das Hotel-Restaurant Neuhaus und den Campingplatz Manorfarm erwarb. Auch heute gehört der Gesamtbetrieb den Nachkommen von ihm. «Wir sind heute der einzige so grosse Hotel-Familienbetrieb am oberen Thunerseeufer. Das verdanken wir unserem ­Vater», sagt Irmgard Zenger-Ritschard, welche mit 72 Jahren noch immer das Restaurant leitet. Die Nachfolgegeneration ist übrigens bereits involviert. 


Unzählige Plätze und die Gilde 

Auf dem Neuhausgelände hat man zwar einen schönen Ausblick auf See und Berge. Für Gustav Ritschard war dies jedoch nicht der Ort, um seine Bilder zu malen. Er wollte dem Berg nah sein, um seine kraftvollen Details darstellen zu können. Deshalb wählte er unzählige andere Plätze im Berner Oberland aus.

Den besonderen Platz finden, Berge malen und in seiner Natürlichkeit darstellen: Diese Passion wollte Ritschard mit gleichgesinnten Herzblutbergmalern teilen, respektive eine Nachhaltigkeit und Motivation schaffen. Deshalb gründete er 1988 die Gilde Schweizer Bergmaler in Grindelwald.


Wunsch und Gegenwart 

Auch heute gibt es diese Gilde noch, sie wird präsidiert von Madlen Fähndrich Campiche, Berg- und Kunstmalerin. 64 Mitglieder, die sich der Liebe zur Berg­malerei bekennt haben, sind dabei. «So wie man sich die natürliche Kraft und Macht eines Berges vorstellt, steht bei vielen ­Malern noch im Fokus. Doch es wird immer schwieriger für sie, dies zu zeigen, denn die Berge werden auch in ihrer ­Natürlichkeit verändert», bedenkt die Gilde-Präsidentin und erklärt: «Heute zeigen sich vor den Augen des Malers schwindende Gletscher und eine stark belebte Bergwelt mit zunehmenden Verbauungen für die Touristen. Dies vermittelt so nicht mehr den Berg, wie er in uns Menschen ­ursprungshaft verankert ist. Es gilt daher mit der inneren Sehnsucht und Moti­vation des Malers das neue Bergbild in der heutigen veränderten Bergwelt zu kreieren.» 

«Als mein Vater jeweils vom Malen nach Hause zurückkehrte, war er stolz und strahlte eine besondere ­ Gelassenheit und Zufriedenheit aus.»

Gustav Ritschard (1911 – 1997)

Gustav Ritschard wurde im Februar 1911 geboren. In Interlaken absolvierte er die Primar- und Sekundarschule. Anschliessend lernte er Sattler-Tapezierer. Danach erlernte er die französische Sprache und erarbeitete sich Kenntnisse im Zeichnen. Schon während dieser Zeit faszinierten ihn die Berge und er trat dem Schweizerischen Alpenclub bei. Ab 1933 besuchte Ritschard die Fachschule für Architektur und Innenausbau in Frankfurt am Main, welche er mit 24 Jahren erfolgreich abschloss. 1942 heiratete er. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Als er 35 Jahre alt war, wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Unzählig-Vielseitiges ist während dieser Zeit entstanden. Prägend ist das Restaurant-Hotel Landhaus mit der Manorfarm oder Werke, wie ein Wörterbuch über «Bödellitüütsch». Gustav Ritschard zählt auch zu den Urvätern des heutigen Freilichtmuseums Ballenberg. 

Immer stärker beschäftigte er sich mit der Malerei, welche sich zu einer Leidenschaft entwickelte. Unzählige, kraftvolle Bergbilder wurden gemalt. Daraus hervor ging schlussendlich die Gründung der Gilde Schweizer Bergmaler in Grindelwald. Im November 1997 starb Gustav Ritschard im Alter von 86 Jahren. 

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