Die Gundelrebe: Zauberhaftes Wundheilmittel und Würzkraut
Die Gundelrebe: Zauberhaftes Wundheilmittel und Würzkraut
Zauberhaftes Wundheilmittel und Würzkraut
Text: Yves Scherer | Fotos: zvg
Das vielseitige Würzkraut
Der mehrjährige Lippenblütler ist ein Kulturfolger. Wie schillernde Schlangen breiten sich seine Ausläufer über den Boden aus. Obwohl die Gundelrebe zu den Wildkräutern zählt, lässt sie sich gut im Garten ziehen. Ich setze sie gerne zwischen die Kulturpflanzen, wo sie den Boden vor Austrocknung und Erosion schützt. Ihre dichten Polster reduzieren auch andere Beikräuter. Im Frühling richten sich die blühenden Sprosse auf und locken mit ihrem aromatischen Duft Bienen und Hummeln an. Und wenn die Gundelrebe doch einmal zu üppig wuchert, lässt sie sich sehr einfach ausjäten. Manche Gärtner:innen sehen in dieser vitalen Pflanze ein Unkraut. Zu Unrecht, wie ich finde, denn sie liefert das ganze Jahr über wertvolle Nährstoffe und lässt sich vielseitig verwenden. Zum Würzen von Suppen, Salaten, Saucen und Eintopfgerichten genügen wenige Blättchen. Sie verleihen jedem Gericht eine herb-aromatische Note. Auch Kräuterweine und Speiseöle lassen sich mit dem Kraut aromatisieren. Vor der Einführung des Hopfens war die Gundelrebe eine beliebte Bierwürze, vor allem in England.
Die historische Anwendung der Gundelrebe
Winterharte, immergrüne Pflanzen symbolisieren das ewige Leben. Hildegard von Bingen nannte diese grüne Lebenskraft «Viriditas». Im frühen 12. Jahrhundert schrieb die heilkundige Äbtissin: «Es ist eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist heilsam.» Die Gundelrebe empfahl sie bei Erkrankungen der Bronchien und zur Behandlung von langwierigen, auszehrenden Erschöpfungszuständen. Auflagen aus abgekochtem Kraut setzte sie gegen Ohrenentzündungen ein. Aus dem späteren Mittelalter sind Gundelrebenanwendungen gegen Nieren-, Leber- und Lungenleiden überliefert. Gemäss der Signaturenlehre deuten die nierenförmigen Blätter auf einen engen Bezug zur Niere hin. Entsprechend wird die Gundelrebe als Heilmittel für den Urogenitaltrakt angesehen. Wenn bei Nieren- und Blasensteinen eine Operation noch nicht erforderlich ist, mag ein kräftiger Gundelrebentee Linderung verschaffen. Dem einfachen Landvolk war das getrocknete, pulverisierte Kraut ein beliebtes Mittel gegen die Schwermut. Um Depressionen aufzulösen, wurde das Pulver dem Schnupftabak beigemengt und in die Nase hochgezogen.
Eine Pflanzenmedizin
mit breitem Wirkspektrum
Sammeltipp: Mit etwas Übung lassen sich die herzförmig gekerbten Blätter der Gundelrebe gut von anderen Wildkräutern unterscheiden. Die Blättchen haben einen Blattstiel, stehen kreuzgegenständig und in weiten Abständen zwischen den Blattpaaren am Stängel. Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht mit dem Kriechenden Günsel (Ajuga reptans), der ebenfalls blau blüht, jedoch deutlich kleinere, ganzrandige Blätter ohne Blattstiel hat. Auch die Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum) ähnelt der Gundelrebe. Doch die Blätter verjüngen sich nach oben und bilden pyramidenförmige Triebspitzen. Die Blüten stehen in dicht gedrängten Scheinquirlen. Aber keine Sorge: Alle drei Pflanzen sind wertvolle Wildkräuter. Eine Verwechslung dieser Lippenblütler ist ohne Folgen.