Vom Sinn der Krankheit

Vom Sinn der Krankheit

Vom Sinn der Krankheit

Wenn wir krank sind, fühlen wir uns schlecht. Und das wollen wir so schnell wie möglich ändern. Doch hat Krankheit vielleicht auch etwas Gutes? Können Symptome nicht auch der Ausdruck von sinnvollen Regulationsvorgängen sein? Oder von ungelösten emotionalen Konflikten? 

Text: Rolf Wenger  Fotos: zvg

Was ist überhaupt Gesundheit? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als «Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohl­befindens». Demgegenüber definiert Wikipedia Krankheit als einen «Zustand verminderter Leistungsfähigkeit, der auf Funktionsstörungen von einem oder mehreren Organen, der Psyche oder des gesamten Organismus beruht und zurückgeht». Solche Definitionen führen oft zu Verwirrungen.

Wenn Sie nun ein Autofahrer geärgert hat, sind Sie vermutlich nicht mehr im «Zustand des völligen Wohlbefindens». Sind Sie also krank?

Oder wenn in Ihnen ein Tumor wächst, der keine Funktionsstörung verursacht und von dem Sie gar nichts wissen, Sie sich sogar pudelwohl fühlen, sind Sie dann gesund?

Demzufolge ist Krankheit nicht die Abwesenheit von Gesundheit und Gesundheit nicht die Abwesenheit von Krankheit. Sie können sich krank fühlen und trotzdem keine Krankheit haben oder eine Krankheit haben und sich trotzdem gesund fühlen. Das scheint im ersten Moment paradox, klärt sich aber, wenn wir davon ausgehen, dass unser Körper mit all seinen Zellen auf Lebenserhaltung programmiert ist. So kann es durchaus sein, dass wir uns unwohl fühlen, weil gerade ein paar Reparaturmechanismen auf Hochtouren laufen. Man spricht dabei von Symptomen – die sinnvoll sind. 

Nun tun viele Menschen alles Erdenkliche, um sich gut zu fühlen. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, was der Sinn hinter den Symptomen sein könnte. Ohne bereit zu sein, die Krankheit erst einmal anzunehmen. Ohne auch nur ein Quäntchen Leidensbereitschaft zu zeigen. Das kann fatal sein. Denn wenn wir anfangen würden, die Dinge zu hinterfragen, könnten wir mit der Zeit eine gewisse Ordnung im Chaos erkennen. Wir entdecken, dass die «bösen» Borrelien uns vor neurotoxischen Metallen schützen und das angeblich krebsauslösende Papillomavirus dafür sorgt, dass unser Immunsystem kranke Schleimhautzellen besser erkennt, oder Schmerzen eine Botschaft des Körpers, gar ein Hilfeschrei der Seele sein können.

Unser Körper funktioniert so, dass er sich selbst am Leben erhält – in jedem Fall! Er ist auf Selbsterhaltung programmiert, auch wenn wir es nicht immer nachvollziehen können. Er reguliert sich selbst. Schaden wir unserem Körper, so muss er gegenregulieren, was wir oft als Symptome wahrnehmen. Dazu ein paar Beispiele:

Bluthochdruck

Selbst unbemerkt kann ein hoher Blutdruck Probleme verursachen. Dazu gehören Schwindel, Übelkeit, morgendliche Hinterkopfschmerzen, Schlafstörungen, Nasenbluten, gerötetes Gesicht und mehr. Doch wieso tut dies der Körper? In den meisten Fällen ist die Durchblutung, die Mikrozirkulation, gestört. Sei dies durch Flüssigkeitsmangel, Stress oder anderes. Organe, Gelenke, Gehirn usw. werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Durch eine Steigerung des Drucks im Herz-Kreislauf-System werden die Funktionen aufrechterhalten. Greifen wir in die notwendigen, sinnvollen Prozesse ein, zum Beispiel mit blutdrucksenkenden Mitteln, kann es in der Folge zu grösseren Gewebeschäden kommen. 

In den allermeisten Fällen kann durch eine Ernährungsumstellung (zuckerfrei, salz- und milcharm, Trinkmenge erhöhen – stilles, nicht gebranntes Wasser), begleitet mit natürlichen Mitteln, die auf die jeweilige Ursache abgestimmt sind, der Blutdruck nachhaltig stabilisiert werden. Dazu gehören zum Beispiel Magnesium, das entspannend und entkrampfend wirkt, oder Vitamin C als wichtiges Antioxidans. Wenn im Labor ein erhöhter Homocysteinwert gemessen wird, können Folsäure, Vitamin B6 und B12 helfen. Ein Tausendsassa ist auch die Aminosäure L-Arginin, welche die Gefässe weitet. Omega-3-Fettsäuren haben sich ebenso bewährt wie zahlreiche Mittel aus dem Schosse der Natur. Dazu gehören Knoblauch, Olivenblattextrakt, Kiefernrindenextrakt, Brennnesseltee, Misteltinktur und Weissdorn. Aber auch Darmbakterien können eine wichtige Rolle spielen (siehe Beitrag «Mikroben – Wegbegleiter des Menschen» in der Frühlingsausgabe). Der richtige Umgang mit Stress, wie er in der letzten Ausgabe behandelt wurde, kann besonders für Choleriker sehr hilfreich sein. Dazu gehören auch die Fragen: Wo staut sich etwas im Lebensfluss? Wie kann ich gezielt Dampf ablassen? Wie kann ich fremde und eigene Interessen besser trennen?

Hilft bei Bluthochdruck: Knoblauch, Olivenblattextrakt, Kiefernrindenextrakt, Brennnesseltee, Misteltinktur und Weissdorn.

Cholesterinämie

Ein hohes Cholesterin ist keine Krankheit und die Ausgangssubstanz für zahlreiche Hormone und auch für das Vitamin D sowie Träger des Coenzyms Q10. Der Grossteil des Cholesterins wird in der Leber synthetisiert. Oxidativer Stress, zum Beispiel durch Umweltgifte, seelische Belastungen, Leistungssport usw., führt dazu, dass wichtige Fette in der Zellmembran ranzig werden. Der Körper muss diese ersetzen, um die Funktion aufrechterhalten zu können. Dazu produziert er mehr Cholesterin. Hindern wir den Körper daran, indem wir es künstlich senken, können sich die Zellen nicht mehr regenerieren. Muskelschmerzen und eine frühe Demenz sind die Folge. 

Unterstützen wir den Körper, indem wir mehr ungesättigte Fettsäuren zu uns nehmen, insbesondere EPA und DHA aus der Omega-3-Gruppe, die Zufuhr von Antioxidantien fördern (mehr Pflanzen- und Ballaststoffe, weniger tierische Produkte und Kohlenhydrate), moderat Sport treiben, Stress minimieren und Umweltgifte (Feinstaub, Pestizide, Elektrosmog, Alkohol, Schwermetalle und vieles mehr) meiden, kommen wir ohne Cholesterinsenker aus. Unterstützend kann auch ein Leberwickel wirken. Nahrungsmittel wie Avocados, rote Zwiebeln, dunkle Beeren, Sojaprodukte, Walnüsse, Hafer oder Kurkuma wirken sich positiv aus. Als Alternative zu Kurkuma kann ein Artischockenextrakt helfen. Regelmässig über mehrere Wochen eingenommen, wirkt er stabilisierend. Folgende Fragen können bei einer Lebensumstellung hilfreich sein: Was mangelt mir im Leben? Wo bin ich einseitig?

Hilft bei Cholesterinämie: Avocados, dunkle Beeren und Walnüsse.

Grippe

Die saisonale Grippe kann bei einem lädierten Immunsystem gefährlich werden. Jedes Jahr sterben in der Schweiz mehrere Tausend Menschen an der Grippe. Nehmen wir in der Winterzeit kühlende Nahrungsmittel wie Zitrusfrüchte oder Milchprodukte zu uns, kann das eine Erkältung oder Grippe begünstigen. Ebenso ein Mangel an Sonne (Vitamin D) sowie eine Überbelastung, sei dies im Beruf oder privat. Bei einem viralen Atemwegsinfekt kommen verschiedene Abwehrstrategien, verschiedene «Verteidigungslinien», des Immunsystems zum Einsatz. Eine der ersten Abwehrmassnahmen besteht darin, die virenbefallenen Zellen auszusondern. Dabei kann es durch die absterbenden Zellen zu Halsschmerzen kommen. Da sich die Viren ab 38,5 Grad weniger schnell vermehren, steigert der Körper seine Temperatur. Fieber ist unangenehm, und wir fühlen uns krank. Doch das ist ein körpereigenes Heilmittel. Das Immunsystem gewinnt dadurch Zeit, um die nächste Strategie hochzufahren: Abwehrstoffe herstellen, die direkt auf die Viren wirken. Versuchen wir hier in die komplexen Prozesse einzugreifen, zum Beispiel mit Schmerzmitteln, die oft auch fiebersenkend wirken, können sich die Viren schneller ausbreiten, und es kann zu einer Lungenentzündung kommen. Ein schwerer Verlauf kann also Ursache einer voreiligen Behandlung sein.

Unser überreiztes System braucht Bettruhe. Schonkost und Suppen (Kraftbrühen) sparen Verdauungsenergie. Mehrmals täglich ein Esslöffel Zwiebelsirup zusammen mit Zink unterstützt unseren Körper bei ­seiner Arbeit. Zypressen- oder Zistrosen­extrakt wirken direkt auf die Viren. Bei Halsschmerzen hilft ein Zitronenwickel. Naturheilkundler passen die Mittel an die entsprechende Konstitution des Menschen an. So empfehlen sie dem hitzigen Choleriker eher den kühlenden Spitzwegerich und dem kühlen Phlegmatiker den wärmenden Thymian. Auch die Homöopathie kennt verschiedenste Mittel, die lindernd wirken. Wenn der Körper kein Fieber erzeugt, kann ein temperaturaufsteigendes Fuss- oder Vollbad das fördern. Im Rahmen der Lebens­ordnung können die Fragen helfen: Wo soll ich mich zurücknehmen? Wo verausgabe ich mich zu stark?

Naturheilkundler passen die Mittel an die entsprechende Konstitution des Menschen an. So empfehlen sie dem hitzigen Choleriker eher den kühlenden Spitzwegerich und dem kühlen Phlegmatiker den wärmenden Thymian.

Etwas anderes gibt mir noch zu denken: Im Rahmen meiner über 25-jährigen Praxistätigkeit konnte ich beobachten, dass oft die Menschen schwer erkranken, die sich rühmen, über Jahrzehnte nie krank gewesen zu sein. Kann es sein, dass die jährliche Grippe dazu dient, das Immunsystem stets auf Vordermann zu bringen? Und damit Entartungen wie Krebs seltener auftreten?

Rezept für Zwiebelsirup

Eine mittelgrosse Zwiebel schälen und in kleine Stücke schneiden. Diese in ein Glas oder eine Tasse geben. Zwei Esslöffel flüssigen Honig darüber giessen (vegane Variante: Birkenzucker). Über Nacht ziehen lassen. Die Flüssigkeit (Zwiebelsirup) danach abgiessen. Fertig.

Krebs / Tumore

Wenn wir uns mit den biochemischen Abläufen in unserem Körper befassen, scheint es so, dass wir sogar dieser schweren Störung etwas Sinnvolles abgewinnen können. Viele Faktoren, zum Beispiel Adrenalinmangel durch chronischen Stress, Insulinresistenz durch hohen Zuckerkonsum usw., zwingen die Zellen dazu, den Stoffwechsel zu verändern, um überleben zu können. Krebs ist eine Stoffwechselerkrankung aufgrund eines entarteten Lebensstils. Für diese Erkenntnis wurde schon vor Jahrzehnten der Nobelpreis an Prof. Dr. Otto Warburg vergeben. Nebst Bewegungsarmut, Ernährungsfehlern und Industriegiften scheint auch das Streben, vor den Menschen (und nicht vor Gott) bestehen zu wollen, eine wichtige Rolle zu spielen. Zudem wirkt ein Tumor wie eine Art Giftmülldeponie für all die toxischen Stoffe, die er nicht ausscheiden kann. Lösen wir ihn in kurzer Zeit auf (sei dies mit pharmazeutischen oder natürlichen Mitteln), gelangen diese Stoffe wieder in den Blutkreislauf. Das kann noch grössere Schäden verursachen und Metastasen provozieren, die schliesslich zum Tod führen. Das noch weiter zu vertiefen, würde den Rahmen hier allerdings sprengen.

Wenn wir davon ausgehen, dass rund 80 Prozent der Krankheiten zivilisationsbedingt sind, dann sind sie die Folge eines ­Natur-Defizit-Syndroms, wie es Prof. Dr. med. Jürg Spitz treffend formulierte. Wir leben nicht mehr artgerecht. Wir hausen in Betonbunkern mit Kunstlicht, füttern den Organismus mit denaturierter Nahrung und lassen uns von der Gesellschaft in Zwänge verstricken. Und die grosse Masse macht blind mit. Das zeigte sich deutlich in der Abstimmung vom Juni, bei der sich rund 70 Prozent der Bevölkerung im Berner Oberland gegen sauberes Trinkwasser und für den Einsatz von Pestiziden entschieden haben. Es wird für unsere Gesundheit nicht ohne Folgen bleiben. Wer seine Gesundheit pflegen und artgerecht leben will, kann nicht mit der Masse treiben. Er muss sich der Herausforderung eines natürlichen Lebens stellen. Und das fängt mit einem ersten kleinen Schritt an. Einem sinnerfüllten Schritt in eine andere Richtung.