Lauberhorn: Skirennen auf der Traditionsstrecke

Lauberhorn: Skirennen auf der Traditionsstrecke

Lauberhorn: Skirennen auf der Traditionsstrecke

Bald ist es wieder so weit: Vom 18. bis 20. Januar 2019 jährt sich das Internationale Lauberhornrennen zum 89. Mal. Mehr als 1000 Helfer werden wieder im Einsatz stehen; rund 350 Soldaten und Angehörige des Zivilschutzes, aber vor allem 650 ehrenamtliche Helfer, viele davon aus der Region.

Text: Christine Winkler Unterberg  |  Fotos: Peter Brunner, Verein Int. Lauberhornrennen

Alles begann mit der Gründung des Skiclubs Wengen im Jahr 1904. Das wettkampfmässige Skifahren erlangte erst in der zweiten Dekade des noch jungen 20. Jahrhunderts eine zaghafte Bedeutung. Es waren vor allem die Briten, die den Skisport ausübten, förderten und organisierten. Im Jahr 1924 gründete Sir Arnold Lunn in Mürren den Kandahar-Skiclub, und ein Jahr später wurde in Wengen der DHO-Skiclub aus der Taufe gehoben. Bereits als kleine Knirpse übten sich die Wengener für spätere Wettkämpfe. Der erste Lauberhornlift wurde im Winter 1941 eröffnet. Die Stützen des Liftes waren damals noch aus Holz. Mit Massenstart ging es auf die Abfahrt. Der Skiclub Wengen erkannte rechtzeitig, dass man tüchtig üben musste, wenn man die nationalen und internationalen Skirennfahrer in Schach halten wollte. Im Herbst 1929 beschloss der Skiclub Wengen daher, künftig gemeinsam und mit grösserer Energie, Abfahrt und Slalom zu trainieren. Im gleichen Herbst wurde auf Vorschlag von Ernst Gertsch beschlossen, am Lauberhorn ein grosses kombiniertes Abfahrts- und Slalomrennen mit internationaler Beteiligung zu organisieren. In diesem Jahr fängt für Ernst Gertsch aus Wengen eine neue Zeitrechnung an. Am 28. November 1929 unterzeichnet er zusammen mit den Mitbegründern vom Schweizerischen Akademischen Skiclub in Bern die Gründungsurkunde des Lauberhornrennens. Mit diesem Rennen beginnt die Erfolgsgeschichte des alpinen Skirennsports. Bill Braken wurde Gewinner dieser ersten Lauberhornabfahrt von 1930.

Otto von Allmen, Jahrgang 1920, bildete mit dem gleichaltrigen Karl Molitor während vieler Jahre die Spitze der erfolgreichsten Wengener Skirennfahrer. Karl Molitor wurde sodann der erfolgreichste Sieger, zweimal gewann er den Slalom und dreimal die Kombination. Zwischen 1939 und 1948 feierte er elf Siege, sechs davon in der Abfahrt. «Nach seinen grossen Erfolgen widmete sich Molitor der Weiterentwicklung seiner Werkstatt und der Schuhfabrikation», berichtet Peter Brunner aus Wengen. Aus der ursprünglichen Ein-Mann-Organisation des Rennens wuchs mit der Zeit eine neue Generation mit Viktor Gertsch heran, der 1970 zusammen mit Fredy Fuchs aus Wengen das Zepter übernahm. Nach 40 Jahren fand am Lauberhorn eine Wachablösung statt. «Viktor Gertsch leitete den Weltcupanlass 44 Jahre lang in bravouröser Weise und führte ihn kameradschaftlich durch Höhen und Tiefen», hält Peter Brunner in dankbarer Erinnerung fest.

 Heute gehört das Lauberhornrennen zu den Klassikern unter den Ski-Abfahrten und lockt jährlich über 60 Tausend Besucher ins Berner Oberland. Die Fahrt vom Lauberhorn hinunter nach Wengen ist das älteste und längste Abfahrtsrennen im alpinen Skiweltcup. Seit 50 Jahren ist das Fernsehen für die weltweite Übertragung dabei. Geprägt ist der Berg von grossen Persönlichkeiten des Sports, die eine besondere Beziehung zu ihm hatten. Karl Molitor, der Wengener, war der Erste. Toni Sailer, «der Blitz aus Kitz», dominierte in den fünfziger Jahren. Von 1955 bis 1958 gewann er viermal in Serie und schaffte 1956 auf der heutigen Weltcup-Abfahrtsstrecke mit einer Zeit von 3:21,6 einen Rekord für damalige Verhältnisse. Zum Vergleich: Zum zweiten Mal in seiner Karriere gewann Beat Feuz 2018 am Lauberhorn mit einer Zeit von 2:26,5 Minuten. Anspruchsvolle und interessante Abschnitte zeichnen die Lauberhornstrecke aus. Eindrucksvoll dokumentiert sich das am Hundschopf. Die enge, felsige Passage erscheint als unpassierbar. Zu eng, zu steil und der Sturzraum zu kurz und zu hart, das heisst anforderungsreich und spektakulär. Hier verbinden sich Mut und Respekt, Risikobereitschaft und Taktik, Sprungtechnik und Linienwahl. Peter Brunner, passionierter Fotograf und Filmemacher über die Bergwelt des Lauterbrunnentals, nennt den Hundschopf das «eigentliche Wahrzeichen der Abfahrten im alpinen Skirennsport». Mit über 100 Stundenkilometern geht es dann auf dem nur 3 Meter breiten und durch das Netz auf der Talseite wie ein Kanal wirkenden Alpweg in die verrückteste Schikane des Weltcup-Zirkus. Eine enge Rechts-links-Kombination über das Brüggli bremst den Fahrer auf einen kritischen Tempobereich hinunter. Die Trilogie der abenteuerlichen Passagen am Lauberhorn findet bei der Wasserstation ihren vorläufigen Höhepunkt. Dieses Nadelöhr lässt nicht nur die Zuschauer, die im Zug diese Bahnüberführung passieren, den Atem anhalten.

Dort, wo alle grossen Rennen bereits zu Ende sind, folgt am Lauberhorn dann noch eine technisch äusserst anspruchsvolle Schlüsselpassage, die alle Resultate auf den Kopf stellen kann. Für die meisten geht es hier nur noch ums Durchkommen. Im Ziel-S und Zielschuss schliesslich liegt alles drin zwischen problemloser Fahrt, Sturz und Zaubereien. Nach rund zweieinhalb Minuten Fahrzeit wird das Aufstehen aus der tiefen Hocke bei Tempo 100 und das Bremsmanöver innerhalb von 100 Metern zur letzten grossen Herausforderung dieser Strecke. Allein diese riesigen Zahlen lassen erahnen, wie wichtig dieser Event für die Region ist. Lag das Budget 1961 noch bei immerhin schon stolzen 17637 Franken, so ist es mittlerweile auf die gigantische Summe von 7100000 Franken angestiegen. Dafür braucht es die gesamte Region. Deshalb gehören dem Trägerverein, der 2010 gegründet wurde, Gemeinden, Tourismusverbände, Bergbahnen und andere Unternehmen aus der Region an, die sich finanziell und ideell dafür engagieren, dass das Lauberhornrennen auch in Zukunft stattfinden kann. In diversen Studien wurde der direkte wirtschaftliche Impuls für die Region auf circa 10 Millionen errechnet. Der Hauptteil wird in den Hotels, Bergbahnen, Busunternehmen, Restaurants und Zulieferbetrieben umgesetzt. Und das in einer sonst wirtschaftlich schwachen Periode zwischen dem Neujahrsgeschäft und den Sportferien. Hinzu kommt ein enormer Werbeeffekt für die gesamte Jungfrauregion, der durch das Weltcuprennen erzielt wird. Das Lauberhornrennen und das Gewerbe in der Region, das ist eine tiefgehende Verbindung.

Auf der anderen Seite wird ein enormer Aufwand betrieben, um solch ein Rennwochenende durchzuführen. Das Rückgrat der ganzen Organisation bilden fast 2000 Helfer. 700 Personen werden zu einem grossen Teil überregional rekrutiert, da die lokale Bevölkerung in der einen oder anderen Form schon für den Ski-Weltcup in Aktion ist. Ohne Armee und Zivilschutz könnte der Anlass gar nicht stattfinden. 1500 Tonnen Material werden jeweils ab November per WAB und Heli transportiert. Der effektive Aufbau wird in 3 Wochen, der Abbau in 2 Wochen bewerkstelligt. Insgesamt 24500 Meter an Netzen und 120 Schaumstoffmatten werden als Sicherheitsmaterial für die 4.5km lange Abfahrt benötigt. Die Pisten bestehen zu 100 % aus technischem Schnee und sind mit Wasser präpariert. Es liegt auf der Hand, dass die Durchführung und das Gelingen dieses Mega-Anlasses einen veritablen Kraftakt bedeuten.