Kleinkunst ganz gross

Kleinkunst ganz gross

Kleinkunst ganz gross

Die Schweizer Künstlerbörse feiert dieses Jahr ihre 60. Ausgabe. Ein Jubiläum steht also bevor und verspricht mit dem diesjährigen Programm wieder unterhaltende und interessante Tage in Thun.

Text: Carmen Frei  |  Fotos: Camenisch, Erwin Stoller, zvg

Dieses Jahr findet vom 11. bis 14. April bereits die sechzigste Schweizer Künstlerbörse statt. Der inoffizielle Auftakt ist die öffentliche Generalprobe der Eröffnungsgala am 10. April, welche sich bei der Thuner Bevölkerung grosser Beliebtheit erfreut. Der Startschuss des Anlasses stellt jeweils die Verleihung des Schweizer Kleinkunstpreises dar. Nach der offiziellen Eröffnung beginnt das dreitägige Programm, welches aus verschiedensten Darbietungen von Künstlerinnen und Künstlern aus dem In- und Ausland besteht. Das Programm dient den anwesenden Veranstaltern als Überblick über die verschiedenen Angebote in der Kleinkunstszene. Gleichzeitig ist es für die Künstlerinnen und Künstler eine Plattform, auf der sie sich einem breiten Publikum präsentieren können.

Hier entstehen wichtige Beziehungen und gleichzeitig bietet sich dem Publikum die Möglichkeit, sich einen Überblick über die aktuellen Programme zu verschaffen.

Alles neu im 2019

Dieses Jahr wird die Veranstaltung erstmals vom Verband t. der Theaterschaffenden Schweiz organisiert. Der Verband ist durch den Zusammenschluss des KTV ATP, der Vereinigung KünstlerInnen – Theater – VeranstalterInnen, und ACT, dem Berufsverband der freien Theaterschaffenden, entstanden. KTV ATP hat die Schweizer Künstlerbörse 1975 erstmals veranstaltet. Die Idee hinter der Börse ist die Kontaktaufnahme zwischen Veranstalter und Künstler. Sie ist die grösste und wichtigste Veranstaltung ihrer Art in der Schweiz. Hier entstehen wichtige Beziehungen – gleichzeitig bietet sich dem Publikum die Möglichkeit, sich einen Überblick über die aktuellen Programme zu verschaffen.

Vernetzt im In- und Ausland

Die Schweizer Künstlerbörse will vernetzen – national wie auch international. Sie will bewusst die Barrieren innerhalb der Schweiz überwinden. So ist es ein zentrales Anliegen, die bestehenden Sprachgrenzen zu durchbrechen und einen angeregten Austausch zwischen den verschiedenen Landesregionen zu gewährleisten. Gleichzeitig blickt man über die Schweizer Grenze hinaus. Dies zeigen die verschiedenen Partnerschaften mit internationalen Festivals, so zum Beispiel mit der Internationalen Künstlerbörse Freiburg im Breisgau. Weitere Partnerschaften unterhält man mit Vereinigungen und Festivals in Frankreich und Kanada sowie in Belgien. 

Neuheiten zum Jubiläum

Die Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltungen und Verbänden führt zu interessanten Erweiterungen: Dieses Jahr wird die Künstlerbörse zusammen mit dem Tanznetzwerk reso zum ersten Mal durch ein Programm mit tänzerischen Darbietungen ergänzt. Ebenso neu ist das Angebot für ein gehörloses Publikum: Einige Kurzauftritte werden in Gebärdensprache übersetzt. Fünf dieser vorgestellten Produktionen werden danach ausgewählt um in verschiedenen Kleintheatern vollständig übersetzt aufgeführt zu werden. Auf dem Gelände der Schweizer Künstlerbörse gibt es noch eine weitere Neuerung: Ein eigens dafür aufgestelltes Zelt beherbergt eine weitere Bühne, die Platz für mehr Auftritte schafft. Der Programmpunkt «10 x 10», bei welchem ausgewählte, kurz vor der Premiere stehende Projekte vorgestellt werden, wird in der neuen Zeltbühne stattfinden. Neben «10 x 10» soll die neue Bühne vor allem für Musikformationen Platz schaffen. Das musikalische Angebot ist schon seit der ersten Künstlerbörse Bestandteil des Programms und wird dieses Jahr wieder eine ansprechende Auswahl aus der Schweizer Musikszene anbieten.

Von Literatur zu Musik 

Eine der musikalischen Darbietungen sind auch Nadja Stoller und Christoph Trummer. Mit ihren gemeinsamen Vertonungen der Texte der Schriftstellerin Maria Lauber sind sie nun schon seit zweieinhalb Jahren unterwegs. In diesem Rahmen konnten wir Christoph Trummer einige Fragen zu dem Programm und seinem Zugang dazu stellen.

Herr Trummer, wie kamen Sie auf die Idee, Gedichte und Geschichten von Maria Lauber zu vertonen?

Innerhalb von kürzester Zeit wurde ich von zwei Leuten unabhängig angefragt, ob ich Texte von Maria Lauber vertonen möchte, wohl auch, weil ich selber aus Frutigen bin. Aufgrund dessen habe ich begonnen, mich mit den Texten zu befassen. Die Textsuche gestaltete sich schwer, die meisten Texte waren nur noch antiquarisch erhältlich. Ihre Werke beeindruckten und berührten mich. Maria Lauber hat eine sehr musikalische Sprache und ihre Texte haben eine sehr klare Form. Innerhalb von kurzer Zeit entstanden daraus erste Songs, danach eine erste Aufnahme für einen Sampler. Das hörte der Thuner Fotograf Reto Camenisch. Er war berührt und wollte auch etwas zum Thema Maria Lauber machen. Daraus entstand zusammen mit der Kulturstiftung Frutigland das Projekt für «Ischt net mys Tal emitts». Reto Camenischs Bilder haben wir nun auch auf der Bühne mit dabei.

Was macht für Sie die Zugänglichkeit von Maria Laubers Texten aus?

Es ist der Heimataspekt, der mich persönlich angesprochen hat. Die Texte weckten Heimweh und Nostalgie, ein Gefühl von Daheimsein in der Sprache. Maria Laubers Texte sind emotional so zugänglich, weil sie nicht in einer abgehobenen, intellektuellen Sprache schrieb. Sie arbeitete nah am alltäglichen Erleben und wob Naturbilder mit ein. Für das Songschreiben sind die Texte durch die vorhandenen Reime und die lyrisch damit eher altmodische Form prädestiniert. Maria Lauber schrieb schlicht sehr gute Poesie, die unprätentiös und feinfühlig daherkommt.

Wie gingen Sie und Nadja Stoller mit der Sprache der Texte um? Wie arbeiteten Sie mit dem «veralteten» Frutiger Dialekt?

Wir haben uns nicht immer strenge Regeln gesetzt. Das heisst, dass wir ab und zu eine modernere Aussprache verwendet haben, die uns näher liegt. Manchmal verhält es sich mit dem alten Dialekt aber wie mit der erfundenen Sprache im «Totemügerli» von Franz Hohler: Obwohl man die einzelnen Worte nicht versteht, ist doch klar, was gemeint ist.

Inwiefern sind die Texte heute noch aktuell? 

Es geht bei Maria Lauber um Menschliches, um das Menschsein. Klar würde vieles heute in einer sehr veränderten äusseren Umgebung stattfinden, man sieht und hört andere Dinge. Die emotionalen Zustände bleiben aber gleich. Die Beziehung zu den Eltern, die bei Maria Lauber eine grosse Rolle spielt, die Sehnsucht, Stimmungsschwankungen, das sind alles zeitlose Themen, die viele betreffen. 

Wie wichtig ist für Sie die Erinnerung an die Texte und, dass diese wieder in das Bewusstsein der Leute rückt? 

Das war sicher ein wichtiger Aspekt. Wir haben Sprachaufnahmen gemacht mit Menschen, die noch den ursprünglichen Frutiger Dialekt reden. Das gibt es jetzt immer weniger – im Moment lebt noch die letzte Generation, die die Sprache in Maria Laubers Texten selber genauso gehört hat. Wir machten Interviews mit ehemaligen Schülerinnen von ihr, diese sind jetzt alle um die 70, 80 Jahre alt. Wir können die Texte jetzt noch originalgetreu konservieren und wollten die Gelegenheit nutzen. Es sind mehr als schöne Geschichten, es ist eine Zeit, eine Welt, die so wieder zugänglich wird und festgehalten bleibt.

Was haben Sie von Maria Lauber schon gekannt und was war neu für Sie? 

Ich habe sehr wenig von ihr gekannt, in der Vergangenheit aber schon einmal etwas von ihr gelesen. Ich wusste, dass eine Strasse in Frutigen nach ihr benannt war, dass sie also irgendwie wichtig war. Zur Zeit meiner Eltern wurden ihre Texte in der Schule gelesen, in meiner Schulzeit nicht mehr. Nun wird wieder vermehrt Maria Lauber in der Schule gelesen. Die Kulturstiftung Frutigland hat inzwischen mehrere Veranstaltungen mit Schulklassen durchgeführt. Dort werden ihre Texte gelesen und Lieder gesungen. Maria Lauber ist dadurch wieder zum Thema geworden.

Sie haben sich in letzter Zeit mit mehreren Projekten von ihrem zuvor gewohnten Pfad abgewandt und sind auch mal in die Richtung des Autors gegangen. Was war ausschlaggebend für diese Entwicklung? 

In der Popmusik geht es oft stark darum, ein grosses Publikum zu erreichen, und mit einem Hit ins Radio zu kommen. Mich interessiert es mehr, Geschichten zu erzählen. Ich setze diese gerne in einen grösseren Zusammenhang. Die Buchform bietet hier die Möglichkeit, zusätzliche Perspektiven aufzuzeigen, für welche die Songform nicht das passende Medium wäre. Auf diese Art kann ein weiterer Bogen gespannt werden und den emotionalen Zugang dazu bietet die Musik.

Mit welchem Programm und welchen Stücken werden Sie an der Schweizer Künstlerbörse auftreten? 

Das Programm ist noch nicht definitiv, wir sind an der Aktualisierung. Wir treten bereits seit zweieinhalb Jahren mit den Liedern auf, im Moment arbeiten wir an neuen Liedern mit Texten von Maria Lauber. Es wird eine leicht aktualisierte Version des Programms an der Schweizer Künstlerbörse zu hören sein.

Maria Lauber ist eine der bedeutendsten Mundartautorinnen des 20. Jahrhunderts. Hauptberuflich als Primarlehrerin tätig verfasste sie Geschichten und Gedichte und erhielt 1951 den Buchpreis der Schweizerischen Schillerstiftung sowie 1966 den Literaturpreis des Kanton Bern. Lange waren ihre Werke nur noch schwer zugänglich, seit 1993 bemüht sich die Kulturstiftung Frutigland darum, sie wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

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