Nach Ihnen wird konkret gesucht

Nach Ihnen wird konkret gesucht

Nach Ihnen wird konkret gesucht

Seit 15 Jahren ist Roland Moser für das Fundbüro in Thun verantwortlich. Es zu finden ist nicht ganz so einfach. Wenn man aber einmal dort ist, sind die Chancen, einen verlorenen Gegenstand wieder zu erhalten, relativ gross – sofern man ihn überhaupt ­vermisst und noch will. Logisch, dass Roland Moser nicht bloss bei den Kisten und Kartons aus dem Vollen schöpfen kann, sondern auch in «Sache Sächeli».

Text: Lisa Inauen  |  Fotos: Nina Ruosch, Annette Weber, zvg 

 

Wer vermutet denn das Fundbüro Thun in der ehemaligen Beiz «Alperösli», zumal es schlecht angeschrieben ist? Es ist das Haus unmittelbar neben dem schweizweit berühmten «Café Mokka». Das Fundbüro und das Café teilen sich sogar den Garten.

 

«Das glaub ich itz aber nööd!»

 

Apropos teilen: Das Fundbüro befindet sich mit der Fachstelle für Arbeitsintegration, im «Atelier Boutique Bistro» (siehe Kästchen). Roland Moser, seit 15 Jahren für das Fundbüro zuständig, ist seit ungefähr drei Jahren an der Allmendstrasse tätig. Zuvor war das Fundbüro an der Hofstettenstrasse, «in einem kleinen Chalet», mit Platzmangel an der Tagesordnung. Roland Moser erzählt, es sei einmal ein Zürcher auf der Suche nach einem verlorenen Gegenstand vorbeigekommen. Als er die Platzverhältnisse gesehen habe, rief er spontan: «Nei, das glaub ich iez aber nööd, da hät ja jedi Brockstube meh Platz. Säget Sie das de Stadt!»

 

Aber auch an der Allmendstrasse verfügt Roland Moser nicht über eine grosse Fläche für seinen Arbeitsplatz und das Lager. «Hier am Fundbüroempfang lagert nur Aktuelles, das in letzter Zeit abgegeben wurde. Im Untergeschoss haben wir zwei Räume, wo jene Gegenstände zu finden sind, die vor Monaten schon vorbeigebracht und noch nicht abgeholt wurden.»

Geld für den Sozialspendefonds 

 

Womit wir bei den Fristen angelangt wären, die im Fundbüro gelten. Wird ein Gegenstand vom Finder abgegeben, so bleibt er ein Jahr dort, bis sich der Besitzer meldet. Ist das nicht der Fall, geht eine Meldung an den Finder. Dieser kann entscheiden, ob er das Gefundene für den eigenen Gebrauch will, was aber ausser bei Bargeld fast nie vorkommt. Darum gehen diese Fundgegenstände einmal jährlich in den sogenannten Fundsachenverkauf, wo Thunerinnen und Thuner die Möglichkeit haben, sich ein Schnäppchen zu sichern. Auch die beiden Brockenstuben der Frauenvereine Thun und Strättligen werden dabei berücksichtigt. 

Ausnahmen gibt es bei Schmuckstücken. Diese kann der Finder zwar nach einem Jahr abholen, falls sie nicht an den rechtmässigen Besitzer vermittelt werden konnten. Von Gesetzes wegen geht das Eigentum rechtlich aber erst nach weiteren vier Jahren an ihn über. Meist gilt auch hier: Was nach einem Jahr nicht vermisst wird, das wird es auch nach fünf Jahren nicht. Ist der Schmuck nach einem Jahr «herrenlos», so verbringt er vier weitere Jahre im Tresor des Fundbüros. Erst dann geht er zu einem Juwelier, der den Tageskurs von Gold oder Silber dafür bezahlt. Dieses Geld kommt anschliessend in den Sozialspendefonds der Stadt.

Die Suche aktiv angehen 

Roland Moser bearbeitet jährlich ungefähr 3000 Fälle in seinem «Lost & Found», mit einer Vermittlungserfolgsquote von rund 50%. Dass diese mit rund der Hälfte aller Fälle relativ hoch ausfällt, hat ihren Grund auch darin zu suchen, dass Roland Moser nicht einfach seine Hände in den Schoss legt und auf "Kundschaft" wartet, sondern wenn immer möglich versucht, den Besitzer – «Ich mag das Wort Verlierer nicht, das hat so etwas Negatives…» – ausfindig zu machen. Eigentlich fungiert er als Detektiv. Bei Handys kann dies anhand der SIM-Karte geschehen, die bei der Telefongesellschaft registriert ist. Der Mobiltelefon-Anbieter informiert seinerseits den Besitzer, dass sein Handy im Fundbüro abgegeben wurde. «Es ist erstaunlich, wie wenig Leute sich da melden», gibt sich Roland Moser enttäuscht. Einmal, so erinnert er sich, sei ein Handy am Freitag abgegeben worden. An diesem Tag konnte Moser den Besitzer nicht erreichen, dafür sofort am Montag. «Doch der sagte mir, ich könne es entsorgen, er habe sich am Samstag bereits ein neues gekauft.» Das nennt man wohl Wegwerfgesellschaft.

Was nach einem Jahr nicht vermisst wird, das wird es auch nach fünf Jahren nicht.

Von einem Zynober, einer Ratte… 

 

Während unseres Gesprächs wird Roland Moser angerufen. Seinen Äusserungen zufolge geht es um einen Bahnreisenden, der im Zug den Rucksack samt Portemonnaie und Ausweise vergessen hat. Der Anrufer will jetzt wissen, was zu tun ist. Und auch ihm wird geholfen: «Bis jetzt wurde uns nichts abgegeben. Melden Sie den Verlust bei der Bahn und geben Sie eine SMS-Kleinanzeige im BZ-Forum auf, unter der Nummer 4488, das hat schon mehrfach geklappt.» Das nennt man Dienstleistung.

Das Fundbüro Thun «hütet» jene Gegenstände, die auf Gemeindeboden Thun gefunden wurden. Ausserhalb der Zone sind hingegen die Gemeinden für Verlorenes zuständig. Es komme aber gelegentlich vor, dass man aushelfe, zum Beispiel wenn jemand etwas auf einem «Hoger» ausserhalb von Thun finde, dieses jedoch nicht bei der dafür zuständigen Gemeinde abgebe. Roland Moser nimmt auch solche Fundsachen entgegen, informiert aber die entsprechende Gemeindeverwaltung über den Fund. 

Und, wie ist das mit nicht ganz alltäglichen Funden? Roland Moser lacht, weil er sich spontan an zwei Fälle erinnert. Einmal sei eine Frau mit einer zahmen Ratte vorbeigekommen. «Eigentlich hätte ich das Tier in eine Tierklink überweisen sollen, aber wer weiss, was dann mit ihm passiert wäre. Vielleicht hätte es als Schlangenfrass geendet.» Weil seine Partnerin eh zwei zahme Ratten zu Hause hatte, kam eine dritte hinzu. «Das Tier hat dann drei Jahre im Asyl überlebt.»

Ausserdem habe ein Finder einmal ein Gebiss vorbeigebracht. Zwei Wochen später die Anfrage des Besitzers: («Ig ha e Zynober im Gring gha und bi uf d’Schnure gfloge…»), ob vielleicht…? Roland Moser bejahte, verbunden mit der Frage, weshalb er so lange mit seiner Suche gewartet habe. Antwort: «Ig ha dänkt, dass das niemer abgäbi, drum bin ig zum Zahnarzt und ha es neus la mache. Aber ig chume verby, das chan ig de no als Ersatz bruuche…».

 

…und einem Robidog-Säckli 

 

Der wohl verrückteste Fund: Zwei Meitli sehen im Wald ein Robidog-Säckli bei einem Baum liegen. Sie gehen hin und schauen nach, weil der Sack nicht zugeknöpft, sondern offensichtlich offen angeknabbert ist. Die Überraschung ist perfekt: Im Sack liegen Banknoten im Wert von 3'500 Franken. Die beiden Modi bringen den Sack zum Fundbüro, das dann mit der Polizei Kontakt aufnimmt. Weil unklar bleibt, woher das Geld stammt, können die jungen Damen nach einem Jahr ihren Fund hochoffiziell in Empfang nehmen. Und was haben sie damit vor? «Das legen wir zur Seite und brauchen es später für Autofahrstunden.»

Eines ist klar: Wenn Roland Moser jemandem Verlorenes zurückgeben kann, «dann ist das für mich immer ein Höhepunkt, eine Befriedigung!»