Von Thun aus für die ganze Schweiz
Von Thun aus für die ganze Schweiz
Zum 30-Jahr-Jubiläum ihres Verlags blättert Annette Weber-Hadorn die Chroniken auf und blickt in die Zukunft: vom Ein-Frau-Betrieb zu einem der grössten Schweizer Sachbuchverlage, der früh neue Medien nutzte
Text: Daniela Dambach | Fotos: Adrian Moser, Andrea Schmutz (Bild mit Hund)
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Die Projektion tritt auf verschiedensten Ebenen mit der Schloss- umgebung in einen Dialog.
«Eigentlich müsste hier ein Teamfoto hin!», sagt Annette Weber-Hadorn gleich zu Anfang des Gesprächs über das Verlagsjubiläum, «denn ohne das Team wäre der Verlag nicht das, was er heute ist». Doch mit Teamfotos ist es immer so eine Sache … Insbesondere, wenn das Team wie jenes des «Werd & Weber Verlag» aus über dreissig «Tuerinnen» und Machern besteht – und derzeit im Homeoffice ist. Als sich Annette Weber-Hadorn vor über dreissig Jahren selbstständig machte, hatte die in Bern aufgewachsene Bernburgerin weder Grafiker noch Texterinnen oder Lektoren an ihrer Seite: Als 29-Jährige startete sie ihr Kommunikations- und Verlagsbusiness auf eigene Verantwortung; damals wie heute kann sie auf die Unterstützung ihres Ehemannes Dr. med. vet. Theodor Weber zählen, der den Verwaltungsrat präsidiert.
Unternehmerische Tatkraft treibt sie an, was sich schon dazumal zeigte, als sie ihre erste Verlagssoftware mangels finanzieller Möglichkeiten kurzerhand selbst programmierte. Seit ihren Anfängen im Jahr 1991 wirkt sie vom Thunersee-Ufer aus. «Seit Tag eins nahe dem See und den Bergen zu arbeiten, ist mein grosses Glück», sagt die Unternehmerin dankerfüllt.
Standort als «grosses Glück»
Es scheint, als wirken Ruhe und Ungestörtheit des südlichsten Teils von Thun, wo die Mitarbeitenden ihre Mittage sommertags im Bonstettenpark verbringen und den Feierabend mit einem Spaziergang im Naturschutzgebiet «Gwattmösli» einläuten, sich positiv auf die Produktivität aus. Mit 100 bis 120 druckfrischen Neuerscheinungen pro Jahr zählt der «Werd & Weber Verlag» zu den grössten Sachbuchverlagen des Landes, der den Umsatz so gut wie vollständig in der Schweiz erwirtschaftet. Von dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – «Band-Breite» zeugen die beeindruckenden Bücherwände im Verlagshaus; so hoch, dass die Besuchenden staunend bis zur Decke hochblicken. Ob Wanderlustige, Biografie-Interessierte oder Krimifans – sie alle können hier den fesselnden Buchrücken zücken und ihre Nase neugierig zwischen die designten Deckel stecken, bis der Mond über dem Niesen aufgeht… Zwischen den Hüllen sind Worte gesetzt, verfasst von Schweizer Autorinnen und Autoren. Augen(ge-)fällig sind zudem die zahlreichen bild- und illustrationsstarken Werke aus und über die Region wie «Natur mit Latour», «Kulturwege Schweiz» oder «Der Niesen im Spiegel der Kunst». Dies rührt daher, dass es für Annette Weber-Hadorn eine «Herzensangelegenheit» ist, «die teils schlummernden Schätze und die Schönheit der Schweiz hochleben zu lassen». Eine Liebe, die sie privat mit einer Kunstsammlung und einer Art Fototagebuch ausdrückt: «Die verewigten Momentaufnahmen sind eine Bereicherung; sie halten die Erinnerungen lebendig.» Geschehnisse oder Geschichten in verschiedenster Form für die Ewigkeit festzuhalten, treibt sie seit jeher an. «Die Nationalbibliothek hütet Druckwerke aus dem 16. Jahrhundert, also wird man unsere Bücher auch in vierhundert Jahren noch betrachten…», führt sie einen Gedanken aus, der ihr sichtlich gefällt. Sie zieht den Vergleich zu Online-Texten, die nach kurzer Zeit überschrieben oder gar gelöscht werden…
«Wer im Heimmarkt nicht erfolgreich ist, dem gelingt es auch im Rest der Welt nicht.»
«Es gibt kaum etwas, was Beständigkeit schöner verkörpert als ein Buch, in dem jahrelange Arbeit steckt.»
Ehen mit Autorinnen und Autoren währen lange
Ein Highlight sei einerseits, wenn es gelinge, ein neues Thema auf den Buchtisch zu bringen, wie beispielsweise den «Alpbeizli-Führer» oder den «Gummiboot-Führer». Andererseits auch, Persönlichkeiten zu ermöglichen, sich in Büchern widerzuspiegeln. «Das ist beidseitig beglückend», so die Bernerin, die jährlich rund 500 Manuskripte sichtet – heute digital, dazumal als Blätterstapel auf dem Pult. Entscheidungen fällt sie auf Empfehlung ihrer Schwester Madeleine Hadorn, der erfahrenen Lektorin im Familienbetrieb. «Nur etwa 26 eingereichte Projekte kommen zur Umsetzung, denn den Grossteil initiieren wir selbst», veranschaulicht Annette Weber-Hadorn. «Die Ehen mit Autorinnen und Autoren halten lange», stellt sie fest, denn auf ein erstes Buch folgen oftmals weitere. «Dabei ziehen gut und gerne fünfzehn Jahre ins Land, wobei Freundschaften entstehen.» Nicht selten gehen an der Gwattstrasse «Den-kenne-ich-doch!»-Charakterköpfe ein und aus, wie Hanspeter Latour, Adolf Ogi oder Daniel Koch. Zu ihrem Netzwerk, das sie seit jungen Jahren pflegt, zählen wegweisende Persönlichkeiten wie etwa François Loeb. «Er hat mich das kreative Denken gelehrt», erinnert sich Annette Weber-Hadorn zurück an ihre allererste Anstellung in der Kommunikationsabteilung von «Loeb».
Sehnsucht nach papierener Beständigkeit
Diese Denkweise führte dazu, dass der Verlag seine Autorinnen und Autoren bald auch «zwischen den Zeilen» betreute: mit Vernissagen, Flyern, Social Media und einem eigenen Buch-Onlineshop, den es schon seit 2007 gibt. «Ich betrachte das Online-Business als zentrales Instrument für die Vermarktung von Print, aber niemals als Ersatz.» Schliesslich wagte sie den Schritt zu eigenen Magazinpublikationen: «Es ging mir auch darum, anhand von eigenen Produkten zu beweisen, was am Markt erwünscht ist.» Den Verlag mit mittlerweile zwanzig Zeitschriften wie «ThunerseeLiebi», «MIS MAGAZIN» oder «Swiss Wedding» leitet seit diesem Jahr ihr Neffe, Dyami Häfliger, der auch ihr stellvertretender Geschäftsführer ist. Gerade das letzte Jahr habe bei Schweizerinnen und Schweizern die Sehnsucht verstärkt, die bildschirmmüden Augen mit gedruckten Genüssen zu verwöhnen. Weiterhin setzt Annette Weber-Hadorn mit ihrem Familienunternehmen auf den Heimmarkt: «Regionalität ist ein nachhaltiger Trend, der seit fünfzehn Jahren anhält – und dessen Gipfel längst nicht erreicht ist.» Was der Niesen für das Berner Oberland ist, ist «Werd & Weber» für die hiesige Verlagslandschaft: ein Wahrzeichen.
30 Jahre Werd & Weber Verlag in Zahlen
1991
Gründung des Buch- und Zeitschriftenverlages und der Kommunikationsagentur «Weber» im Homeoffice
1992
Übernahme der Thuner Kommunikationsagentur «Glob-ad-Vision» mit fünf
Mitarbeitenden. Erste Bücher erscheinen.
1993
Umzug an die Seestrasse 26 in Thun.
1996
Bezug des Neubaus an der Gwattstrasse 125 in Thun.
1997
Erste Ausgabe «Spiez Info»
1998
Erste Ausgabe «Bödeli Info»
1999
Der Buch-Bestseller «Das Hochwasser
am unteren Thunersee» erscheint.
2005
Erste Ausgabe «Thun-Magazin»
2008
Bezug der zweiten Geschäftsstelle in Spiez. Die Buchserie «Alpbeizli-Führer» startet
mit total 11 Ausgaben in verschiedenen
Regionen, inkl. App und Website.
2009
Erste Ausgabe «Brienz Info»
2012
Übernahme des Zürcher «Werd Verlag» (ehemals «Tamedia») mit fünf Mitarbeitenden.
2014
Bezug des neuen Geschäftsgebäudes an der Gwattstrasse 144 in Thun, dadurch Aufgabe des Büros in Spiez. Die Buch-Bestseller «Gummibootführer», «Veloland» und «Thierry Carrell: Von Herzen» erscheinen. Erste Ausgabe «ThunerseeLiebi».
2015
Der Buch-Bestseller «Unser Dölf» erscheint.
2018
Erste Ausgabe «BärnLiebi»
2020
Übernahmen der Zeitschriften
«MIS MAGAZIN», «Hotelier» und «Swiss Wedding». Der Buch-Bestseller «Daniel Koch – Stärke in der Krise» erscheint.
2021
Übernahme der Zeitschrift «BärnMagazin»