Eine moderne Reminiszenz an die Vergangenheit

Eine moderne Reminiszenz an die Vergangenheit

Eine moderne Reminiszenz an die Vergangenheit

In Faulensee in der Nähe von Spiez steht an bester Lage ein äusserst spannendes Gebäude. Das ehemalige Bauernhaus blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück, von der jedoch vieles im Dunkeln liegt. Vor Kurzem wurde es umgebaut. Dabei wurde die alte Baustruktur mit neuen Elementen verbunden, sodass eine elegante Komposition entstanden ist.

 Text: David Heinen, Bilder: Markus Beyeler, zvg

Dem Gebäude in Faulensee ist sein Ursprung als Bauernhaus noch deutlich anzusehen, doch Landwirtschaft wird hier schon lange nicht mehr betrieben. Schon seit vielen Jahrzehnten wird es als Ferienhaus genützt – und 2021 wurde es umfassend umgebaut. Das ehemalige Bauernhaus befindet sich in der Landwirtschaftszone, deswegen war das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) in die Planung des Umbaus involviert. Dabei macht das AGR strikte Vorgaben betreffend die Gestaltung. Um nur einige zu nennen: Das Volumen darf nicht vergrössert werden, die Grösse und Anzahl der Dachfenster ist festgelegt und vor allem muss erkennbar bleiben, dass es sich um ein ursprünglich landwirtschaftlich genutztes Gebäude handelt. Für den Umbau zeichneten die Trachsel Zeltner Architekten verantwortlich, die viel Erfahrung mit solchen Umbauprojekten vorweisen können. Der zuständige Architekt Mario Trachsel hat vor seinem Wechsel ins Architekturwesen eine Lehre zum Zimmermann gemacht und sich viel mit Bauernhäusern auseinandergesetzt. Entsprechend genau kennt er sich mit der Struktur solcher Gebäude aus. Für ihn liegt der besondere Reiz darin, dass Altes mit Neuem verschmilzt wird und dadurch ein ganz eigener Charme geschaffen werden kann. Bevor wir uns aber mit der neuen Gestaltung befassen, wollen wir der Vergangenheit des Gebäudes auf die Spur kommen.


Ein Mysterium

Will man die Geschichte des Gebäudes und seiner Bewohnenden ergründen, gerät man ins Reich des Ungewissen und der Spekulation. Da das Gebäude nicht dem Denkmalschutz unterliegt, wurde nie eine ausführliche Dokumentation erstellt. In den wenigen vorhandenen Dokumenten findet sich einzig eine Jahreszahl: 1960. Allerdings bezeichnet sie mit Sicherheit nicht den Zeitpunkt des ursprünglichen Baus, sondern bezieht sich wohl eher auf einen umfassenden Umbau. Zieht man alte Karten zu Rate, zeigt sich, dass sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts an gleicher Stelle ein Gebäude befand. Doch ob dieses in dem langen Zeitraum bis in unsere Tage nicht einmal ganz abgerissen und komplett neu aufgerichtet worden ist, lässt sich nicht bestimmen. Mit ziemlich grosser Sicherheit kann immerhin gesagt werden, dass die ursprüngliche Bausub- stanz über 100 Jahre alt ist.  Auch über die Personen, die den Grundstein gelegt haben, ist nichts bekannt. Doch aus der architektonischen Gestaltung lassen sich zumindest einige Rückschlüsse ziehen: Im Vergleich mit anderen Bauernhäusern der Region liegt die Dimension mehr oder weniger im Durchschnitt. Das Haus ist nicht pompös, weist keine Malereien auf und die Holzkonstruktion wurde nicht mit Schnitzereien verziert. Diese Hinweise und der Umstand, dass die Grundsteinlegung wohl auf die Zeitspanne zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts datieret werden kann, legen den Schluss nahe, dass es sich um Mitglieder des Kleinbauerntums gehandelt haben könnte. Diese konnten nicht vom Ertrag ihrer Grundstücke allein leben, sondern waren zusätzlich noch auf Lohnarbeit angewiesen. Dieser Lebensart entsprechend bestand das Gebäude aus einem Ökonomieteil und einem Wohnteil. Das Haus wurde in Hanglage erbaut; im Erdgeschoss befand sich die Heubühne, die hangseitig zugänglich war, und gleich darunter, im Sockelgeschoss, die Stallungen. Abgesehen vom Sockelgeschoss bestand das komplette ursprüngliche Gebäude aus Holz. Und auch darin findet sich ein Hinweis auf die eher einfache Herkunft der Erbauenden: Es handelt sich nicht um Massivholz, sondern um eine Ständerkonstruktion mit Holzverschalung. Baumaterial war sehr teuer, und einen Bau aus Massivholz konnten sich nur vermögende Bauersfamilien leisten.


Zurück zum Ursprung

Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Bauernhaus vielfach umgebaut und mit einigen Anbauten ergänzt. Die Leitidee der Trachsel Zeltner Architekten war es nun, dem Gebäude seine ursprüngliche Identität zurückzugeben. Die Anbauten wurden zurückgebaut und das Gebäude wieder zu einem echten Holzhaus gemacht. Beispielsweise war vor dem Umbau im Jahr 2021 die Fassade mit gelben Eternitschindel verkleidet; indem diese durch Lärchenschindeln ersetzt wurden, bekam das Gebäude seine Identität als Holzhaus zurück. Gleichzeitig wurde damit auch die Entwicklung des Hauses dokumentiert, da man weiterhin Schindeln verwendete. Auch bei den Schlafzimmern lautete die Grundidee: Zurück zum Ursprung. Es wurden alle Oberflächen saniert, und das Laminat wurde durch Parkett ersetzt. Natürlich dürfen auch zeitgemässe Annehmlichkeiten nicht fehlen, und so wurde in allen Zimmern eine Bodenheizung eingebaut. Kommen wir zum eigentlichen Herzstück des Umbaus: der Heubühne. Diese war vor dem Umbau nichts weiter als ein Lagerraum, der sich mehr oder weniger in der ursprünglichen Gestalt präsentierte. Nachdem das Bauern aufgegeben worden war, wurde wahrscheinlich nur das Heu herausgeräumt und die Heubühne nach und nach mit allerlei Gerümpel vollgestellt. Sie bildet nun den eigentlichen Wohnraum des Gebäudes. Der sehr grosse und offen gestaltete Raum gleicht perfekt die geringe Raumhöhe der Schlafzimmer im ehemaligen Wohnbereich aus. Der Bereich, in den man ursprünglich mit Ross und Wagen hineinfahren konnte, um das Heu auf- oder abzuladen, wurde durch die Materialisierung des Bodens markiert, um ihn vom Rest abzuheben. Die Pfosten, die die Dachkonstruktion abfangen, betonen dies zusätzlich. Hier befindet sich die Küche, von der man einerseits in den Wohnbereich gelangt und anderseits über eine Treppe in die Schlafräume, bestehend aus drei Schlafzimmern und einem Badezimmer. Mehrere originale Bauelemente konnten erhalten bleiben. So wurden viele der sogenannten Gimmwände – Wände aus Holzbrettern mit Lüftungsschlitzen dazwischen – beibehalten und verglast. Auch die Pfosten und Balken sind ursprüngliche Elemente, teilweise mussten sie einzig etwas versetzt werden. Ein besonderes Highlight ist das Einfahrtstor, das ebenfalls im Original vorhanden ist. Dank den alten Bestandteilen entstand ein äusserst spannendes Nebeneinander von alt und neu: Einerseits befindet man sich in einem hypermodernen Wohnraum mit absolut hochwertigen Materialien – beispielsweise dem schöne Eichenparkett und dem neuen Stahl-Cheminée –, anderseits erblickt man überall die Spuren des über 100-jährigen Baus, in dem früher Landwirtschaft betrieben und der völlig anders genutzt wurde. Diesen Kontrast haben die Trachsel Zeltner Architekten gekonnt in Szene gesetzt und es ermöglicht, dass die reichhaltige Geschichte des ehemaligen Bauernhauses im umgebauten Ferienhaus weiterlebt.

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