Zwischen Wildnis und Zucht

Zwischen Wildnis und Zucht

Zwischen Wildnis und Zucht

Das Pferd ist ein besonderes Tier für den Menschen. Lange Zeit hat es eine wichtige Rolle als Nutztier gespielt, und nicht zuletzt kennen wir es aus Wild-West-Filmen. Für viele Menschen ist das Pferd aber noch etwas mehr: Es ist ein guter Freund. Auf der Mountain Ranch in Aeschi bei Spiez wird genau diese Freundschaft zwischen Mensch und Pferd gelebt. Lassen wir uns also von einem Tier erzählen, das zugleich gezähmt wurde, wie auch wild geblieben ist.

Text: Lars Wyss  |  Fotos: Lars Wyss, zvg

An einem etwas verhangenen Tag besuche ich die Mountain Ranch in Aeschi bei Spiez; die Wetterlage hätte glücklicher sein können, aber die Pferde störe das wenig, wird mir Stefan Heymann, der Besitzer der Ranch, später erzählen. Die Ranch ist gut erreichbar: Sie ist nur ein bis zwei Minuten von der Haltestelle Friedegg entfernt; man benutzt die Buslinie 62, welche einen von Spiez Richtung Aeschiried führt. Und so stehe ich nach kurzer Zeit vor einem Schild, das in mir einen Hauch des Wilden Westens in der Thuner Bergwelt aufkommen lässt. Ich sage mir: Nicht umsonst trägt die Ranch den Namen Mountain Ranch. 

Stefan Heymann erwartet mich und begrüsst mich freundlich; im Verlauf des Nachmittags lerne ich seine Ranch kennen. Dabei wird eines bald ersichtlich: Der eigentliche Name der Ranch lautet «Mountain Ranch – Home of Doc’s Sugar Step», denn so hat alles angefangen.

Doc’s Sugar Step ist der Name des Pferdes, mit dem Stefan seine Ranch beziehungsweise seine Zucht im eigentlichen Sinne begründet hat. Heute ist Doc’s Sugar Step 19 Jahre alt, wirkt aber immer noch munter und wird natürlich auch gut gepflegt. Stefan erklärt mir, dass Pferde maximal um die 30 Jahre alt werden; Doc’s Sugar Step hat also ein stolzes Alter. Wegweisend ist jedoch auch sein Name: Doc steht für die Linie des Vaters, Sugar ist sein eigentlicher Name und Step steht wiederum für die Linie der Mutter. Am Namen lässt sich folglich die ganze Herkunft eines Pferdes ablesen, und damit ist – zumindest für mich – auch endlich das Rätsel dieser eigenartigen Namen, die mir an Springwettbewerben immer wieder aufgefallen sind, gelöst. 

Pferde sind spezielle und für viele Menschen faszinierende Tiere, so natürlich auch für Stefan. Er erklärt mir, dass Pferde eine ganz eigenartige Beziehung zum Menschen haben: Auch wenn sie sich zähmen lassen, sind sie immer noch stark mit der Natur verbunden. Was heisst das genau? Nicht selten kam es vor, dass Stefan ein Pferd vor sich hatte, das verhätschelt wurde und entsprechend nicht in seiner natürlichen Balance war. Man könne Pferde nicht mit Hunden vergleichen: Hunde binden sich stark an den Menschen, sie folgen ihm und geben sich in seine Obhut; beispielsweise warten sie darauf, dass sie gefüttert werden, und wenn das nicht geschieht, sind sie orientierungslos. Bei Pferden sei dies völlig anders: Man kann ein Pferd noch so lange zähmen, wenn es wieder in die Natur zurückkehrt, dann passt es sich an, ja, es wird wieder wild. Stefan erzählt mir von einer Episode aus dem Wallis, in welcher genau dies geschehen ist: Eine Horde Pferde entlief einem Hof und verwilderte in der freien Natur – aber völlig schadenfrei, die Pferde passten sich schlichtweg wieder an und gingen zurück in ihre wilde Identität. 

Doc's Sugar Step ist heute ein schon etwas älteres, aber immer noch munteres Pferd.

Auf der Mountain Ranch geniessen die Pferde weiten Auslauf und die Unberührtheit der Natur.

Doc’s Sugar Step ist der Name des Pferdes, mit dem Stefan seine Ranch beziehungsweise seine Zucht im eigentlichen Sinne  begründet hat. 

Bei der Pferdezucht gilt es folglich einen Mittelweg zu finden: Auf der einen Seite muss das Pferd gepflegt werden, auf der anderen Seite muss man ihm seine Eigenständigkeit lassen. Das heisst aber nicht, dass Pferde nicht viel Zuwendung brauchen, wenn man mit ihnen gut auskommen will; jeder, der jemals ein Pferd geritten hat, weiss dies nur zu gut. So erklärt mir Stefan, dass man als Reiter erst dann ein Pferd richtig virtuos reiten kann, beziehungsweise es endlich gut genug kennt und versteht, wenn man dafür eigentlich schon zu alt ist; das heisst, dass man sich erst genug Erfahrung angesammelt hat, wenn der Körper langsam schwächer und das Reiten zu anstrengend wird. 

Nichtsdestotrotz, auch wenn ein Pferd viel Zuwendung braucht, es kommt viel von ihm zurück. Für Stefan ist sein Pferd – oder jedes seiner Pferde – zu einem Freund geworden, es ist eine enge Beziehung des Vertrauens, welche sich über die Jahre aufgebaut hat. 

Aufgebaut hat sich Stefan auch seine Ranch, und es war nicht immer ein leichter Weg. Im Jahr 2015 durfte man auf der Mountain Ranch das 20-Jahr-Jubiläum feiern; über diese 20 Jahre war Stefans Freizeit zugleich sein Job, wie auch umgekehrt – Herzblut und vollen Elan hat er in seine Ranch gesteckt. Aber in all diesen Jahren hat sich die Ranch auch verändert. Auf ihrem Höhepunkt beherbergte die Ranch 20 Pferde, heute sind es noch deren 13. Die Reitstunden und Ausritte, welche lange Arbeitsstunden am Abend bedeuteten, wurden eingestellt und die Ranch vornehmlich in eine Pferdepension umgewandelt. Stefan arbeitet heute wieder zu 80 Prozent in seinem gelernten Beruf als Schreiner, was jedoch nicht heissen soll, dass ihm die Pferde nicht mehr am Herz liegen. Der parallele Aufbau einer Familie hat schlicht dazu geführt, dass nicht genügend Kraft für beide Welten vorhanden ist. 

Pferde lassen sich zähmen, aber ihre wilde Natur lässt sich nicht unterdrücken.

Stefan führt die Ranch und kümmert sich um Pferde seit über 20 Jahren.

Wer es gerne gemütlich hat, aber auch den Charme des Rustikalen sucht, ist hier bestens aufgehoben.

Die Veränderungen haben jedoch auch zu neuen Aufgaben und Herausforderungen geführt: Stefans Frau Christina hat ein Cabin eingerichtet, welches für Übernachtungen über die eigene Homepage oder Airbnb gebucht werden kann. Das Cabin ist herzhaft ausgestattet; es bietet Platz für zwei Personen und verfügt über eine eigene Küche. 

Wer es gerne gemütlich hat, aber auch den Charme des Rustikalen sucht, ist hier bestens aufgehoben. Stefan erzählt mir, dass sie von dem Erfolg des Cabins begeistert seien; insbesondere Gäste aus Asien oder den USA seien zu Gast, und die Nachfrage übertreffe die Erwartungen. 

Der Nachmittag geht langsam zu Ende und die Sonne neigt sich dem Horizont zu – es ist Zeit für mich zu gehen. Zum Schluss erzählt mir Stefan jedoch noch ein Erlebnis mit einem Pferd, welches ihm besonders in Erinnerung geblieben ist. 

Einmal weilte Stefan auf einer Guest Ranch in Kanada, welche insbesondere auf Wildnis-Reiten ausgerichtet war. Stefan fiel ein besonderes, schon älteres Pferd ins Auge, zu welchem der Ranchhüter jedoch meinte, dass es spinne und nicht reittauglich sei – nichtdestotrotz wählte Stefan es aus. Zu seinem Unglück musste er jedoch als Hinterster in der Reihe mitreiten, und das war gar nicht nach dem Geschmack des alten Hengsts. Sowie Stefan sich also nach vorne bewegte, verfiel das Pferd in einen gespornten Galopp, und es raste zurück nach Hause auf die Ranch. Es blieb dem Ranchhüter darauf nichts anderes zu sagen als: «Stevie ist nicht geritten, sondern geflogen.»   Damit bleibt auch mir der Respekt vor diesem Tier weiter in Erinnerung.

Kontakt
Mountain Ranch
Stefan und Christina Heymann Sandgrubenstrasse
(Postadresse: Scheidgasse 22) 3703 Aeschi b. Spiez
Telefon 033 654 02 81
Mobile 079 286 25 12
www.mountain-ranch.ch
info@mountain-ranch.ch


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