Rehkitzrettung aus Überzeugung

Rehkitzrettung aus Überzeugung

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Wenn sich das Wetter von seiner schönsten Seite zeigt, beginnt nicht nur die Mähsaison, sondern auch die Setzzeit von Rehen und anderen Wildtieren. Die Rehkitzrettung Schweiz sorgt ehrenamtlich dafür, dass der angebo- rene Drückinstinkt den Rehkitzen nicht zum Verhängnis wird. 

Text: Anja Rüdin   |  Fotos: Rehkitzrettung Schweiz, zvg

Jedes Jahr werden unzählige wildlebende Jungtiere in der Heuernte vermäht. Neben dem schlimmen Leiden der Tiere ist es natürlich auch für den Landwirt ein sehr unschönes Erlebnis. Der Mähtod von Rehkitzen kann zudem ernsthafte gesundheitliche Folgen für Nutztiere haben: Geraten Kadaver von Tieren ins Silo, bilden sich in der Heu- und Grassilage Toxine, welche die gesamte Ernte vergiften. Nur durch die gute Zusammenarbeit der Jäger mit unseren Landwirten können viele Rehkitze und Junghasen vor dem Mähtod gerettet werden. Angetrieben durch Überzeugung und viel Herzblut setzen sich die ehrenamtlichen Helfer der Rehkitzrettung Schweiz für die niedlichen Kitze ein. Aus Solidarität und Wertschätzung unserem Wild gegenüber engagiert sich auch die Rehkitzrettung-Gantrisch «SOS KITZ IM BITZ» und setzt seit 2017 für die Rettung der Jungtiere vermehrt eine Drohne mit Wärmebildkamera ein. Es hat sich gezeigt, dass das Rehwild, trotz grossen Anstrengungen, sich an die herkömmlichen Methoden gewöhnt hat. Eine Kombination der neuen und bestehenden Methoden bringt daher Vorteile mit sich und die Fallzahlen der vermähten Jungtiere können reduziert werden. Trotz der guten Entwicklung und der Erkenntnisse der Drohneneinsätze konnte man ebenfalls feststellen, dass die neue Technik die bisherigen Massnahmen nicht ersetzen wird. Durch eine gute Koordination des Hegekreischefs, des Jägers und der Helfer erhoffen sich die Rehkitzretter, die Fallwildzahlen auf ein Minimum reduzieren zu können. 

Grundsätzlich kann jeder und jede bei der Rehkitzrettung mithelfen. So bietet die Rehkitzrettung Schweiz regelmässig Kurse zur Ausbildung neuer Rettungsteams an. Ein Rettungsteam besteht immer aus mindestens zwei Personen: Ein Pilot behält den Multikopter im Auge und fliegt ihn bei Bedarf manuell, während ein Helfer den Bildschirm beobachtet und die Rehkitze aufspürt. Die wichtigste Voraussetzung ist es, gerne mit der Natur zu erwachen und ein wenig fit zu sein – besonders im wunderschönen, aber steilen Gantrisch-Gebiet. Neben dem Frühaufstehen gehört auch eine gewisse Affinität zur Technik dazu, zumindest bei potenziellen Drohnen-Piloten. Ab August finden jeweils Demoveranstaltungen statt, bei denen die Suche Interessierten und Begeisterten gezeigt wird.


Das Versteck im hohen Gras

Rehkitze wiegen bei ihrer Geburt kaum mehr als ein Kilogramm und sind dank den hellen Flecken in ihrem Fell perfekt getarnt. In den ersten Tagen besucht die Mutter ihre Jungen – zwischen ein bis drei Jungtiere kommen auf einmal zur Welt – bei Tageslicht ausschliesslich zum Säugen. Dies passiert ausserhalb des Feldes, damit Fressfeinde dem Geruch der Mutter nicht bis zum Versteck der Jungen folgen können. Rehkitze sind nämlich geruchslos und sollten deshalb nie mit blossen Händen angefasst werden. Die Rehkitze verstecken sich für die restliche Zeit im hohen Gras, Getreide oder Laub und bleiben da nahezu regungslos liegen.

Dieser sogenannte Drückinstinkt wird ihnen während der Mahd zum Verhängnis. Denn anstatt vor einer Gefahr zu flüchten, pressen sich die Jungtiere an den Boden und bleiben regungslos liegen. Zwar verliert sich dieser Instinkt nach zwei bis drei Lebenswochen, trotzdem verlassen sich Rehkitze auch dann noch auf ihre Tarnung und springen erst dann auf, wenn die Gefahr nur noch wenige Meter entfernt ist. Das ist zu spät, um sich beispielsweise vor einer schnell herankommenden Landmaschine in Sicherheit zu bringen. Deshalb ist der Einsatz von engagierten Rehkitzrettern von grosser Wichtigkeit.




Verschiedene Methoden zur Rettung

Während man sonst vor allem mit herkömmlichen Methoden wie dem Vertreiben mit Scheuchen und Duftstoffen oder der Suche mit Menschenketten arbeitet, hat sich die Rehkitzrettung mit moderner Technik weiterentwickelt. Denn die vorher genannten Methoden des Verblendens (Aufstellen von Scheuchen) oder Verwitterns (unangenehme oder Gefahr signalisierende Gerüche) sind sehr zeitaufwändig und auch nicht immer erfolgreich. So wurde schon beobachtet, dass sich sehr junge Rehkitze nicht vertreiben lassen oder sehr ängstliche Geissen sich circa drei Tage nicht mehr in ein verblendetes Feld trauten. Diese Methoden sind dennoch zu empfehlen, bekräftigt Mike Schoch von «SOS KITZ IM BITZ». «Am sichersten und effektivsten ist jedoch die Suche mit der Wärmebildkamera und dem Multikopter aus der Luft.»

Die Rehkitzrettung Schweiz setzt auf die BFH-HAFL-Methode, die im Rahmen einer Studienarbeit an der Berner Fachhochschule in Zollikofen vor einigen Jahren erprobt wurde. Dabei fliegt ein Fluggerät die zu mähenden Wiesen über einen Autopiloten gesteuert ab und macht währenddessen einen Thermofilm. Die Drohne fliegt in überlappenden Bahnen über das Feld und erfasst die Rehkitze so beim Hin- und Rückweg. Das Bild wird live auf einen Bildschirm am Boden übertragen, darauf sind die Kitze aufgrund ihrer Körpertemperatur als helle Flecken leicht zu erkennen. Um solch deutliche Unterschiede auf der Wärmebildkamera zu sehen, muss man früh aufstehen, weiss Mike Schoch. «Ab 4 Uhr morgens bis circa 8 bis 9 Uhr und abends von 6 bis 11 Uhr ist der Temperaturunterschied zwischen Boden und Rehkitz am grössten.»


Sobald ein junges Reh mit der Wärmebildkamera entdeckt wurde, wird es mit einer Kiste gesichert.



Hochsaison zwischen Mai und Juli

Sobald das Gras erntebereit ist, müssen Landwirte dem Wetter entsprechend sehr spontan entscheiden, ob sie mähen oder noch warten können. Teilweise muss so knapp entschieden werden, dass eine Suche mit dem Multikopter nicht mehr möglich ist. Deshalb können Landwirte die Felder auf der Webseite der Rehkitzrettung schon vorher anmelden – diese werden dann bereits vor der Mahd wöchentlich abgesucht. Somit ist bekannt, auf welchen Feldern sich Rehkitze aufhalten und wie alt sie in etwa sind. Diese Jungtiere werden am Mähtag als Erstes gerettet. Sobald ein junges Reh mit der Wärmebildkamera entdeckt wurde, wird es mit einer Kiste gesichert. Diese ist extra hoch, damit das Gras um das Kitz herum nicht plattgedrückt wird. Nur wenn die Distanz zum Wald oder hohen Gras zu gross ist, kann ein Rehkitz – eingepackt in ganz viel Gras – auch einmal deplatziert werden. Sobald der Bauer fertig gemäht hat, werden die Kisten wieder entfernt. Auch Feldhasen wurden schon dank der Drohne verjagt und konnten so gerettet werden. In den Bergen können die Multikopter zudem bei der Suche nach verlorenen Nutztieren helfen – die Möglichkeiten sind vielfältig, wobei die Rehkitzrettung natürlich das grösste Anliegen des gemeinnützigen Vereins bleibt. Dank dem Einsatz der Rehkitzretter von «SOS KITZ IM BITZ» und mithilfe der «BAMBIKIT2», dem Multikopter mit Wärmebildkamera, konnten im Jahr 2020 im Gantrisch-Gebiet und Umgebung über 500 Hektaren abgeflogen und dabei 53 Rehkitze gerettet werden. «Es waren sogar sechs Drillinge dabei», ergänzt Mike Schoch.  Die Statistiken dienen zwar der Übersicht, doch ist den Rettern etwas anderes noch wichtiger: nämlich, dass kein Rehkitz vermäht wird!


2020 hat «SOS KITZ IM BITZ» zudem eine spezielle Reh-KITZ- Rettungs-BOX bei www.bigler-schreinerei.ch herstellen lassen, um dem Tier noch gerechter zu werden… denn mit der Auffindung alleine ist die Mission noch nicht abgeschlossen.


Amsel­ Drossel Fink und Star

Glücksbringer auf sechs Beinen: der Marienkäfer

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