Die Höchmatter Esel –  Filmstars mit starken sozialen Eigenschaften

Die Höchmatter Esel – Filmstars mit starken sozialen Eigenschaften

Die Höchmatter Esel – Filmstars mit starken sozialen Eigenschaften

Esel haben im Volksmund nicht den besten Ruf. In Tat und Wahrheit aber sind es sehr intelligente und sensible Tiere. In der Stiftung Höchmatt in Schwar­zenegg haben Esel gar eine zentrale Rolle bei der Betreuung der Menschen. Und dazu noch viele mehr.

Text: Samuel Krähenbühl  |  Fotos: Samuel Krähenbühl, zvg

Du bist ein sturer Esel!» Schnell mal greift man bei Meinungsverschiedenheiten auf das Tier aus der Familie der Pferde zurück. Die etwa ponygrossen Tiere haben es punkto Image gegenüber den grösseren, als edel geltenden Pferden schwer. Doch tatsächlich bieten diese Tiere den Menschen seit Urzeiten sehr viel. Nicht umsonst wird noch heute bei schweren Nutzfahrzeugen, die besonders viel tragen können, auch von «Lasteseln» gesprochen. In der Stiftung Höchmatt in Schwarzenegg haben die aktuell neun Esel noch eine ganz andere Funktion. Das Wohnheim betreut 21 Erwachsene mit einer geistigen Behinderung. Das Wohnen auf der Höchmatt mit Betreuung, Beschäftigung und Pflege beinhaltet eine Lebens- und Tagesgestaltung, die sich weitgehend nach dem Jahreszyklus und den damit verbundenen Notwendigkeiten richtet, sowie Therapie- und Freizeitangebote, die sich an die individuelle Förderung anpassen und ­persönliche Fähigkeiten und Neigungen berücksichtigen.

nd hier spielen die Esel eine zen­trale Rolle, wie Leiterin Tanja Wulff erklärt: «Der Eselstall ist das Herzstück der Höchmatt und das Hauptbeschäftigungsfeld. Menschen mit einer schweren kognitiven und psychischen Erkrankung finden im Eselstall ein vielseitiges Beschäftigungs- und Therapieangebot. Sie können die Tiere füttern, führen, aber auch streicheln. Mit der Verrichtung der täglichen Arbeiten ­lassen sich Ausdauer, Genauigkeit, Geschicklichkeit und Sensibilität trainieren.»

Jede Woche mehrere ­Trekkings

Um den Eselstall herum gibt es sogar einen eingezäunten Eselstall-­Weg, auf dem die Betreuten gefahrlos die Esel führen können. Mehrmals in der Woche wird mit den Tieren in kleinen Gruppen oder gar als ganzes Heim «spaziert». Diese internen Trekkings bieten den Tieren, aber auch den Menschen mit Behinderung, Bewegung und Freude. «Oft sind es die Esel, welche die Betreuten zum Laufen motivieren und ihnen Halt geben. Denn sie können sich an ihnen festhalten», erklärt Tanja Wulff. 

Genau wie die Heimbewohner unterscheiden sich auch die neun Tiere in Alter, Herkunft und Aussehen. Dennoch bilden sie gemeinsam eine Herde. Sie fressen gemeinsam und sind am liebsten als ganze Gruppe vereint. Und das kann dann ab und zu mal zu Trennungsschmerzen führen: «Werden einzelne Esel zu einem Trekking abgeholt, kann es vorkommen, dass die Zurückge­bliebenen laut schreien. Kommen die vermissten Esel zurück, werden sie freudig empfangen.» Doch die sensiblen und intelligenten Esel erfordern auch einen korrekten und fachmännischen Umgang. Im Eselstall arbeiten Sozialpädagogen, die sich seit über zehn Jahren intensiv mit der Eselhaltung und der Eselpflege auseinandergesetzt und darin weitergebildet haben. David Wulff als verantwortlicher Mitarbeiter macht inzwischen die Hufpflege der Tiere und führt neue Mitarbeitende und Betreute fachgerecht ein. «Die Esel gehören immer noch zu den Tieren, die nicht genügend erforscht sind und oft falsch gehalten werden. Wir achten auf der Höchmatt darauf, dass die Tiere sich wohlfühlen und tiergerecht gehalten werden – Esel sind keine Pferde», betont Tanja Wulff.

Externe Eseltrekkings

Doch nicht nur für interne Spaziergänge werden die neun Esel eingesetzt. Das Wohnheim Höchmatt bietet auch externe Eseltrekkings an, bei denen die Betreuten ressourcenorientiert eingesetzt werden. Wie die Heimleiterin erläutert, steht dabei nicht die Behinderung im Vordergrund, sondern es werden die gesunden Anteile unterstützt und gefördert. Die Eseltrekkings erfreuen sich grosser Beliebtheit. So wurde das Höchmatt mit seinen Eseln in den letzten Jahren an verschiedenen Orten und bei unterschiedlichsten Anlässen gebucht. So beispielsweise schon mehrmals an Veranstaltungen im Freilichtmuseum Ballenberg bei Brienzwiler. Dann auch jahrelang an Adventswochenenden durch die Migros Aare. «Weiter haben uns grosse Schulklassen aus dem ganzen Kanton und darüber hinaus für Trekking mit bis zu 25 Schülern gebucht», fügt Wulff an. Dazu kämen Vereine, Familien und gar Hochzeitspaare, die ein Trekking zur Hochzeit erhalten hätten. Die Esel können von Personen bis maximal 50 Kilo Körpergewicht auch geritten werden. Drei der Esel wurden auch während mehrerer Jahre jeweils an der Oberländischen Herbstausstellung ausgestellt. 

Ja, und die Esel von der Höchmatt haben es sogar schon zu Filmruhm gebracht. Und zwar durch den Film «Unser Kind» von Regisseur Luki Frieden aus dem Jahr 2013 und 2016 im Historienfilm «Gotthard», der den Bau des ersten Gotthard-Eisenbahntunnels beschreibt.

Ja, und die Esel von der Höchmatt haben es sogar schon zu Filmruhm gebracht.

Momo

Geburtstag
1. 2. 1999 

Geburtsort
Wallis

Geschlecht
Stute

Rasse
Hausesel

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel

Stockmass
126 cm

Farbe
grau

Vater
nicht bekannt

Mutter
nicht bekannt

Stärken
läuft gerne

Schwächen
wenn der Tierarzt kommt

Balu

Geburtstag
1. 8. 2002

Geburtsort
Wallis

Geschlecht
Wallach

Rasse
Hausesel

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel

Stockmass
126 cm

Farbe
grau

Vater
nicht bekannt

Mutter
nicht bekannt

Stärken
Kontakt zu Frauen

Schwächen Fressen
Kontakt zu Männern

Morena

Geburtstag
3. 5. 2004 

Geburtsort
Burgistein 

Geschlecht
Stute 

Rasse
Hausesel 

Ferne Abstammung
Andalusischer Esel 

Stockmass 
135 cm 

Farbe
braun

Vater
nicht bekannt 

Mutter
Miranda (†)

Stärken
Wagen fahren

Schwächen
Fressen während des Laufens

Mika

Geburtstag
10. 5. 2002 

Geburtsort
Wallis 

Geschlecht
Stute 

Rasse
Hausesel 

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel 

Stockmass
118 cm 

Farbe
grau 

Vater
nicht bekannt 

Mutter
Momo 

Stärken
hat sehr viel 
Vertrauen

Schwächen
kann beissen

Pippi

Geburtstag
15. 5. 2002 

Geburtsort
Wallis 

Geschlecht
Stute

Rasse
Poitou-Mix 

Ferne Abstammung
Poitou 

Stockmass
130 cm 

Farbe
braun 

Vater
nicht bekannt 

Mutter
nicht bekannt 

Stärken
sehr kontaktfreudig 

Schwächen
Fressen während des Laufens

Verano

Geburtstag
24. 6. 2008 

Geburtsort
Burgistein 

Geschlecht
Wallach 

Rasse
Hausesel 

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel 

Stockmass
135 cm 

Farbe
grau 

Vater
nicht bekannt 

Mutter
Miranda (†)

Stärken
entdeckt immer offene Türen 

Schwächen
ist nicht gerade bescheiden, wenn Türen offen gelassen werden

Maik

Geburtstag
15. 4. 2018 

Geburtsort
Vrin 

Geschlecht
Wallach 

Rasse
Hausesel 

Ferne Abstammung
Andalusischer Esel

Stockmass
115 cm 

Farbe
braun 

Vater
nicht bekannt 

Mutter
nicht bekannt 

Stärken
geht gerne auf Entdeckungsreise

Schwächen
ist etwas schreckhaft

Gianna

Geburtstag
26. 10. 2017 

Geburtsort
Vrin 

Geschlecht
Stute

Rasse
Zwergesel 

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel 

Stockmass
99 cm 

Farbe
grau 

Vater
nicht bekannt 

Mutter
nicht bekannt 

Stärken
läuft gerne 

Schwächen
geht ohne Maik nirgendwo hin

Lino

Geburtstag
24. 8. 2017

Geburtsort
Vrin

Geschlecht
Wallach

Rasse
Zwergesel

Ferne Abstammung
Provenzalischer Esel

Stockmass
99 cm

Farbe
grau

Vater
nicht bekannt

Mutter
nicht bekannt

Stärken
ist sehr neugierig

Schwächen
reklamiert schnell, wenn Kollegen fehlen


Aus dem Esel-Alltag

Drei Müsterchen zu den Eseln auf der Höchmatt, erzählt von Tanja Wulff:

Hunde und Esel
Begegnen wir unterwegs einem Hund, zeigen die Esel keine Spur von Angst oder Scheu. Im Gegenteil: Sie zeigen sich interessiert. Vor Jahren kam es vor, dass sich ein kleiner Welsh Corgi unter dem Zaun durch ins Eselgehege gewagt hat. Eine nicht ganz einfache Situation für den Esel- und den Hundehalter. Kurzerhand nahm einer der Esel den Welsh Corgi ins Maul und hob den Hund hoch. Dort wurde er fallen gelassen (aus Versehen?). Passiert ist glücklicherweise nichts, und der Corgi verschwand sofort zu seinem Halter. Natürlich wissen wir nicht, wie die Reaktion bei einem Rottweiler oder einem Bernhardiner gewesen wäre. Bis jetzt haben wir mit Esel und Hunden keine negativen Erfahrungen gemacht.

Das Drama mit dem Anhänger
Das Einsteigen in den Anhänger ist im Eselstall kein Problem. Sobald wir aber nach einem langen Trekkingtag zurückfahren möchten, wird das Einsteigen zur Geduldsprobe. Aber nur dann, wenn Menschen zusehen (Brauchen die Esel Zuschauer?). Es kam schon zu Situationen, in denen der Eselführer die Zuschauer darum bat wegzugehen, und kurz darauf war das Einsteigen kein Problem mehr. 

Balu wartet auf Pippi
Wenn Pippi in den Anhänger verladen wird, mag dies Balu überhaupt nicht. Es kommt vor, dass er dann über Stunden immer wieder nach ihr laut schreit: Iah, iah, iah! Sobald der Anhänger abends zurückkehrt, springt Balu vor lauter Freude mehrmals um den Eselstall. Balu ist glücklich, die Welt wieder in Ordnung. Pippi zeigt keine grossen Reaktionen.

Stiftung Höchmatt Schwarzenegg

Die Stiftung Höchmatt Schwarzenegg ist seit fast 50 Jahren eine vom Kanton Bern anerkannte Stiftung nach ZGB Art. 80 ff. mit sozialer Ausrichtung. Das Wohnheim betreut 21 Erwachsene mit einer geistigen Behinderung. Das Leitbild des Wohnheims gewährt den Betreuten im Grundsatz einen Aufenthalt bis zum Lebensende. Die Stiftung besteht aus fünf Stiftungsratsmitgliedern und wird von Frau Claudine Tesan präsidiert. Frau Tanja Wulff leitet die Institution.

Kontakt
Wohnheim Höchmatt
3616 Schwarzenegg

Telefon: 033 453 16 63
Email: info@hoechmatt.ch

www.hoechmatt.ch


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