Ein Berg, der die Künstler begeistert

Ein Berg, der die Künstler begeistert

Ein Berg, der die Künstler begeistert

Der Niesen wusste schon lange Künstler zu begeistern und hat sich so zu einem beliebten Sujet in der Kunst entwickelt. Dass die künstlerische Darstellung inzwischen ganze Bücher zu füllen vermag, blieb auch Kunstwissenschaftlern nicht verborgen. Matthias Fischer hatte sich darum der Darstellung des Niesen in der Kunst angenommen und ein beachtliches Buch vorgelegt. Nun erschien die überarbeitete Neuauflage letztes Jahr. 

Text: Carmen Frei  |  Fotos: Bilder aus «Der Niesen im Spiegel der Kunst», zvg

Ganz allgemein gestaltet sich der Einstieg in die Lektüre des doch über 200 Seiten starken Werks. Berge haben die Menschen schon immer begeistert, aber ebenso verängstigt. Erst mit der Zeit wich der Respekt der Aufstiegslust und man erfreute sich am Bergerklimmen. Dabei beeindruckte nicht nur die Höhe des Niesen, sondern vor allem die pyramidenähnliche Form des Berges im Berner Oberland. Verschiedenen Künstlern fiel die Form bereits früh auf, was im Buch von Matthias Fischer auch entsprechend thematisiert wird. Angefangen im 16. Jahrhundert begleitet der Text den Niesen durch die Jahrhunderte. Nicht nur in der Kunst, sondern auch in der allgemeinen Wahrnehmung wird der Berg einer historischen Tour unterzogen.

Der Niesen als Orientierungspunkt 

Natürlich geht es aber vor allem um die künstlerische Darstellung des markanten Berges. Der Niesen diente vielen Künstlern als Anhaltspunkt aber auch als Kulisse für Bilder des Thuner- oder Brienzersees. Da die Gegend bereits früh ein beliebtes Reiseziel darstellte, verbrachten auch verschiedene Künstler am Fusse des Niesen Aufenthalte von verschiedener Dauer. Für die Malerei war die Entwicklung des Tourismus ebenfalls wichtig. Viele Reisende wollten von ihren Ferienerfahrungen Bilder nach Hause nehmen. Bereits im 18. Jahrhundert wandte man sich darum im Kunsthandwerk der seriellen Herstellung von Abbildungen von Urlaubsgegenden zu. Für viele Künstler wie zum Beispiel Johann Ludwig Aberli war der Tourismus darum auch eine wichtige Einnahmequelle. Neben vielen Künstlern, welche die Landschaft mit dem Niesen malten, werden im Buch am Rande auch andere bekannte Persönlichkeiten erwähnt, welche die Gegend besuchten. Johann Wolfgang von Goethe hatte sich auch in Thun und Umgebung aufgehalten und eventuell sogar die Werke Aberlis, welche zu dieser Zeit populär waren, begutachten können.

Das ganze 18. Jahrhundert über wurde der Niesen immer wieder abgebildet, mal mehr, mal weniger markant, mal mehr im Zentrum, mal mehr am Rand der Bilder. Was ausser Frage steht, ist, dass der Niesen immer klar erkennbar blieb durch seine imposante Form. Neben den kunsthistorischen Themen lässt Matthias Fischer immer wieder Anekdoten aus der allgemeinen Geschichte des Niesen einfliessen. Nicht nur die Abbildung des Berges, sondern auch seine genaue Vermessung wird darum erwähnt. 


Umbruch im 19. Jahrhundert 

Dass sich Anfang des 19. Jahrhunderts einiges in der künstlerischen Rezeption des Niesen geändert hat, wird mit vielen Beispielen thematisiert. Sowohl Charles Turner als auch Joseph Mallord William Turner inszenierten den Berg wilder und entfernten sich von der oft romantisierten Darstellung, welche noch die Urlaubserinnerungen des 18. Jahrhunderts ausmachten. Selbst die Niesen-Pyramide wird dramatisch verändert. Näher an der natürlichen Erscheinung bewegt sich da ein Vertreter der musikalischen Romantik, der ebenfalls in Thun weilte: Felix Mendelssohn-Bartholdy hatte von Thun mit dem Niesen im Hintergrund bei seinem Besuch ein weniger von der romantischen Strömung in der Kunst beeinflusstes Aquarell gemalt. Andere Zeitgenossen waren eher Anhänger eines romantischen Bildes der Schweiz. William Henry Bartlett hatte sich zum Beispiel auch für eine idyllische Inszenierung des Berner Oberlandes entschieden. Ein Vertreter der eher realistischen, nüchternen Darstellung ist das Wocher-Panorama, welches ein Beispiel für das Aufkommen des Panoramas Anfang des 19. Jahrhunderts ist. Auch heute begeistert das Werk, welches im Schadau-Park steht, noch das Publikum. Marquard Wocher malte dabei Thun mit seiner ganzen Umgebung.


Der Tourismus nimmt zu 

Mitte des 19. Jahrhunderst wagten sich aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs immer mehr Leute in die Alpen – das Reiseziel war für viele jetzt finanziell möglich. Es kamen auch plötzlich mehr Möglichkeiten zur Inszenierung für die Künstler in Frage – die Litfasssäule und Plakate kamen auf. Mitten im Urlaubstourismus war zuerst auch ein junger Ferdinand Hodler beschäftigt. Durch die Lehre bei Ferdinand Sommer malte er bereits früh die Umgebung von Thun und damit auch den Niesen. Der Niesen sollte allerdings auch später ein wiederkehrendes Sujet in seiner Kunst bleiben, von dem er gleich mehrere Gemälde angefertigt hat. Wie unterschiedlich diese zum Teil daherkommen wird durch die Gegenüberstellung illustriert. Dass hinter den Bildern durchaus längere Studien stecken, ist durch verschiedene Skizzen belegt, welche von Hodler vorhanden sind. 


Fortgesetzte Faszination

Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete dann die Niesen-Bahn, welche den Zugang zum Berg weiter vereinfachte. Auch im 20. Jahrhundert wurde der Berg weiter munter porträtiert. Aus der näheren Vergangenheit sind Bilder von Martha Stettler, Bertha und Ulrich Wilhelm Züricher sowie Cuno Amiet vertreten. Die Veränderungen in der Kunst werden bei den immer flächigeren Kunstwerken erkennbar und lassen eine Tendenz erkennen, welche schliesslich auch bei Paul Klee wieder anzutreffen ist. Paul Klee ist dabei durchaus auch mit Skizzen vertreten, welche viel mehr Perspektive zeigen und nicht vergleichbar sind mit seiner Darstellung des Niesen aus dem Jahr 1915, die die Pyramidenform des Niesen ganz klar hervorhebt. 

Bei einigen Zeitgenossen von Klee wie auch bei Klee selber gibt es Gemälde, welche durchaus eine Verbindung zum Niesen zulassen. Matthias Fischer analysiert die Kunstwerke genau und geht mit der nötigen Skepsis ans Werk. Beim Expressionismus angelangt gestaltet sich die Analyse indes nicht einfacher. Ein Werk, welches von August Macke erhalten ist, hilft hier allerdings mit Namen und markanter Niesen-Pyramide im Hintergrund. «Garten am Thuner See» von 1913 ist klar im Stil von Macke gehalten, welcher sich der Arbeit mit Farbe verschrieben hatte.


Weltkriege und Veränderungen in der 2. Hälfte des
20. Jahrhunderts 

Die beiden Weltkriege nahmen danach Einfluss auf die Kunst, auch in der Schweiz. Die meisten Werke stellen den Niesen darum in dieser Zeit eher wieder in einer traditionelleren Weise dar. Dazu zählen zum Beispiel Werke von Alfred Glas, Alfred Heinrich Pellegrini, Fred Hopf, Hans Jegerlehner sowie Werner Engel. Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren wandte man sich dann eher neuen Strömungen zu. So erkundeten Samuel Buri oder Bendicht Friedli den Berg in einer neuen Art und setzten die Eigenheiten der Kunstströmungen der Zeit, wie zum Beispiel der Pop Art, wirkungsvoll ein.

Im letzten Teil der Erkundungen der Darstellung des Niesen geht Matthias Fischer auf die vielen, zum Teil gegensätzlichen Strömungen der Kunst ein, welche zum Zeitpunkt des ausgehenden 20. Jahrhunderts gediehen. Neben verschiedenen Darstellungsarten mit Farben und Formen tritt hier auch die Fotografie hinzu. Matthias Fischer schlägt mit dem fotografischen Abschluss den weiten Bogen von der Kunst des 16. Jahrhunderts in die Neuzeit und erklärt der Leserin oder dem Leser auf verständliche Weise und am Beispiel des Niesen, wie sich die Kunst entwickelt hat. 

Auch im 20. Jahrhundert wurde der Berg weiter munter porträtiert.

Buchtipp

«Der Niesen im Spiegel der Kunst»

Autor: Matthias Fischer
228 Seiten, 23 × 27 cm, fadenheftung, Hardcover
mit 178 Abbildungen.
ISBN 978-3-03818-237-5, CHF 49.– / EUR 44.– 

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