Alles auf Anfang
Alles auf Anfang
Lukas Wahlich hat sich an ein ambitioniertes Projekt gewagt: Die «Senta», welche lange Zeit schon an der Boje in Oberhofen liegt, soll originalgetreu restauriert werden. Das Projekt hat er bereits im Sommer 2019 begonnen, dieses Jahr soll das Schiff nun wieder ins Wasser.
Text: Carmen Frei | Fotos: Carmen Frei, zvg
Während der Bildhauer früher hauptsächlich Vorlagen für seine Plastiken skizzierte, entstanden ab 1987 eigenständige kreative Zeichnungen.
Weitgereist
Die «Senta» hat schon einiges gesehen. Das Schiff wurde 1916 in der Werft von Hacht in Hamburg gebaut. Die Yacht kam 1926 auf den Zürichsee und lag im Zürcher Yachtclub an der Boje. Auch heute kennt man das Schiff dort noch, es war und ist eine kleine Bekanntheit in interessierten Kreisen. Schliesslich gelangte es in den 1940er Jahren auf den Thunersee. Der Zürcher Besitzer der Yacht kam oft zum Segeln auf den Thunersee, war aber gesundheitlich vermutlich nicht in der Lage, das Schiff selbst zu segeln. Mit den Brüdern Werner und Hans Schneiter sowie Eduard Bühlmann war er froh, erfahrene Schiffsjungen gefunden zu haben, die das Schiff segeln konnten. Nach dem Tod des Besitzers wurde das Schiff von der Segelschule Hilterfingen gekauft. Die 45-Quadratmeter-Yacht, der Binnenkreuzer diente der Segelschule Hilterfingen danach 30 Jahre lang als Schulschiff. So manch ein Segler konnte mit der «Senta» seine ersten Segelerfahrungen sammeln, deshalb ist das Schiff bei vielen noch ein Begriff und mit Erinnerungen aus früheren Jahren verbunden.Nach dem langen Dienst für die Segelschule Hilterfingen wurde die «Senta» anfangs der 1970er Jahre ausgemustert – zur gleichen Zeit wie das Dampfschiff «Blümlisalp». 1975 kaufte Werner Schneiter das Schiff. So wurde der ehemalige Schiffsjunge zum glücklichen Besitzer der «Senta». In den Jahren und Jahrzehnten, die nun folgten, wurde einiges am Schiff umgebaut. Der Unterhalt der Senta wurde mit viel Arbeit und Mühe unternommen.
Besitzerwechsel mit Folgen
Im Jahr 2007 wechselte die «Senta» in den Besitz von Lukas Wahlich. Er ist gelernter Bootbauer, ebenso wie Schneiter. Werner Schneiter war es ein Anliegen, dass die «Senta» auch nach dem Besitzerwechsel an ihrem Platz an der Ländte in Oberhofen blieb. Die Oberhofner, welche mit dem Anblick des Schiffes an der Ländte vertraut sind, sollen sich so weiter an seinem Anblick erfreuen können. Lukas Wahlich hat das Schiff darum an seinem Bojenplatz gepflegt und in Schuss gehalten. Die Unterhaltsarbeiten wurden dabei immer möglichst dem Objekt entsprechend ausgeführt. Da im Lauf der Jahre allerdings doch viele für das Schiff und seine Zeit untypische Elemente dazugekommen sind, hat er sich schliesslich dazu entschlossen, die «Senta» wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen.Historisch korrekte Restauration
Wahlich beabsichtigte, alles an der «Senta» wieder in den Originalzustand zurückzubauen. Dass dieses Vorhaben mit einem enormen Aufwand verbunden sein würde, war ihm schon zuvor bewusst. Der Restaurie-
rungsprozess hatte bereits indirekt an der Hansa Messe in Hamburg begonnen. Hier liess Wahlich bei einem Segelmacher neue Segel aus englischem Segeltuch in Auftrag geben – die Originalsegel dienten als Vorbild. Im Sommer 2019 wurde die «Senta» dann ausgewassert und vorerst in die Bootswerft Hächler in Einigen abgeschleppt und in die Winterhalle gebracht. Bereits über die Sommermonate wurden von Wahlich Arbeiten ausgeführt. So wurde der Innenbordmotor aus dem Jahr 1982 durch einen Elektromotor ersetzt, womit man eine Auflage des Strassen- und Schifffahrtsamtes des Kantons Bern umsetzte. Diese Auflage war es auch, welche die Restauration überhaupt erst anstiess. Da das Schiff sowieso ausgewassert werden musste, entschloss sich Wahlich dazu, dies mit der umfassenden Restauration zu verbinden.
Dazu diente Lukas Wahlich der originale Bauplan für das Schiff aus der Werft in Hamburg. Im Zuge der Restauration wurde viel Recherche über die genauere Geschichte des Schiffes und seine Reise aus Hamburg an den Thunersee betrieben. Mit den Erkenntnissen zum ursprünglichen Erscheinungsbild begann Wahlich, das Schiff wieder seiner Form von 1916 anzunähern. Im Aussenbereich veränderte sich dabei einiges: Viele Erneuerungen, welche durch die Jahre durchgeführt wurden, waren mit moderneren Ersatzteilen umgesetzt worden und hatten somit das ursprüngliche Erscheinungsbild des Schiffes verändert. Dies wollte Lukas Wahlich nun wieder rückgängig machen. Bereits früh wurden grosse Arbeiten unternommen: Wahlich wechselte Spanten im Schiffsrumpf aus. Die Spanten sind die Träger der Beplankung – mit ihnen wird beim Schiff erheblich an Gewicht gespart.
Von 1942 bis zu ihrer Ausmusterung im Jahr 1972 lernten viele Schüler der Segelschule Hilterfingen auf der «Senta» segeln.
Ein Haus für das Schiff
Lukas Wahlich baute für das Schiff sogar eigens eine kleine Hütte, welche die «Senta» in der Zeit der Restauration bei ihm neben dem Haus vor Wind und Wetter schützte. Die Konstruktion hat im Winter einige Stürme überstanden und ihren Zweck voll erfüllt. Zur Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsregulierung verfügte sie sogar über ein kleines «Fenster». Obwohl das Schiff so immer in der Nähe von Wahlichs Haus und Werkstatt war, mussten die Arbeiten jeweils den Umständen angepasst werden – vor allem, was die Temperatur anging. Die Holzarbeiten wurden auf den Winter gelegt. Viele der neu erstellten, grossen Ersatzteile wurden bereits zu dieser Zeit angefertigt. Bei den extra angefertigten Teilen für das Schiff arbeitete Lukas Wahlich zuerst jeweils eine Vorlage aus, welche er danach perfekt angepasst in seiner Werkstatt erstellte. Auch der Kabinenraum des Schiffes wurde nach diesem Modell einer Restauration unterzogen. Alles, was nicht dem Originalzustand entsprach, entfernte Wahlich und erstellte mit viel Arbeit die Ersatzteile in seiner Werkstatt. So wurden zum Beispiel die Türen zur Kabine aufwendig neu erstellt, inklusive der typischen Verzierungen und Schlösser an den Türen – alles im entsprechenden Stil.
Warten auf das Wetter
Es gab einige Arbeiten, welche temperaturabhängig waren, so zum Beispiel die Leimarbeiten. Lukas Wahlich musste immer das passende Wetter abwarten, welches den nächsten Arbeitsschritt erlaubte. Leim- und Streicharbeiten wurden darum erst später, im Frühling, geplant. Vielfach ging es bei der Restauration um Feinheiten: Vor allem die Details des Schiffes gingen bei den Erneuerungen verloren. So wurden verschiedene Verzierungen geändert oder weggelassen. Gerade diese waren aber typisch für die Zeit, in der das Schiff gebaut worden ist. Diese kleinen Feinheiten sollten dem Schiff nun wieder den Charakter verleihen, den es ursprünglich hatte. Zum Schluss wird sogar das Deck des Schiffes wieder bespannt – mit Leinen, genau so wie es ursprünglich war.
Ausfahrt auf dem See
Ziel der Restauration ist es, dass die «Senta» in diesem Jahr wieder auf dem Thunersee gesegelt werden kann. Die «Senta» soll keinesfalls nur als Ausstellungsobjekt dienen, sondern wieder in ihrer Originalerscheinung auf dem Thunersee die segelbegeisterten Leute erfreuen. Da Lukas Wahlich sonst vor allem als Restaurator in seiner Werkstatt tätig ist, freut er sich darauf, mit der «Senta» auf den See und aufs Wasser zu gehen. Mit dem selbst restaurierten Schiff dürfte es noch ein zusätzlich schönes Erlebnis werden.