Aus dem Inneren geschöpft

Aus dem Inneren geschöpft

Aus dem Inneren geschöpft

Ein Raum voller Gegenstände, eine Atmosphäre voller Ruhe, eine Leidenschaft voller Kreativität, eine Arbeit, die erfüllt und befreit. Keramikerin Doris Hirzel schöpft in diesem Kunsthandwerk frei aus ihren gestalterischen Möglichkeiten – ganz aus dem Moment heraus.

Text: Barbara Zanetti | Fotos: Doris Hirzel, zvg

Doris Hirzel hat schon ganz zu Beginn ihrer Geschichte das Mate­rial Lehm erfahren. Nach dem Abbruch der KV-Lehre war sie auf der Suche nach einer neuen Lehrstelle als Keramikerin. Im Haus ihres Cousins im Val de Travers befand sich auch ein Atelier einer Keramikerin – ein Raum voller Gegenstände, angefangener Arbeiten, von einer Atmosphäre der Ruhe und des Friedens erfüllt. Durchs Fenster war der Blick freigegeben auf einen malerischen Garten. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Frau ihre Passion lebte, ohne Einengung durch finanzielle Überlegungen, ihr Selbstvertrauen und ihre Offenheit beeindruckte sie. Sie vermittelte Doris Hirzel einen Ausbildungsplatz an der École des arts appliqués in Vevey. Zu Beginn der Lehre empfand sie das Drehen auf der Töpferscheibe als anspruchsvoll. Es braucht viel Übung, einen langen Atem, bis etwas Brauchbares entsteht. Diese Ausbildung ermöglichte ihr einen vielseitigen Einblick in Bereiche und Techniken. Ihre Erfahrung zeigte ihr jedoch, dass die eigentliche «harte» Arbeit erst danach begann. Auf mein Nachfragen, wie sie denn als junge Frau auf die Idee gekommen sei, Keramikerin zu lernen, zögert sie mit Antworten. Vielleicht waren es die Nachmittage mit Ton-Modellieren, welche sie bereits als Kind besuchte, so wie andere Ballett oder reiten lernten. Sie ging sehr gerne dorthin, es gefiel ihr gut, mit diesem Material zu arbeiten. Dabei stand nicht das Herstellen eines definierten Gegenstandes im Vordergrund, sondern der Prozess. Das Verlassen der alltäglichen Wirklichkeit und das Abtauchen in eine andere Welt, in der nicht der Verstand die Führung übernahm, machte sie glücklich. Dieses Aufgehen im kreativen Tätigsein, ohne zu wissen, was dabei herauskam, erfüllte sie.


Lehr- und Wanderjahre nach der Ausbildung

Damals zirkulierte die Auffassung, Keramikerin sei ein brotloser Beruf. Doris Hirzel beteiligte sich an einem Gemeinschafts­atelier in Zürich, das einen kleinen Ofen besass, mit dem nur im niedrigen Tempe­raturbereich gebrannt werden konnte. Ihr war es wichtig, von Anfang an eine eigene Produktion zu gestalten und den Verkauf zu organisieren. So passte sie sich jahrelang den Gegebenheiten an mit ihren Werken und arbeitete daneben in verschiedenen Jobs. Lange lebte sie mit dem Eindruck, es fehle ihr die Erfahrung, weil sie nie in einem grossen Betrieb gearbeitet und Serien hergestellt hatte. Ein neuer Lebens- und Berufsabschnitt begann mit dem Besuch eines Töpferdorfes in Frankreich – La Borne. Es war für sie wie ein Heimkommen. Und bedeutete ihr eine Befreiung, endlich den geliebten Beruf ganz ausüben zu können. In diesem Dorf wurde in Holzöfen gebrannt, diese für sie neue Technik konnte sie nun erlernen. Die verschiedenen Ateliers im Dorf arbeiteten im Austausch miteinander. So lernte und arbeitete sie an mehreren Orten. Finanziell gestaltete es sich wie ein Praktikum, mit Verpflegung und Unterkunft garantiert, daneben arbeitete sie in Restaurants.

Hier lernte sie auch den Umgang mit dem asiatischen Ofen kennen, einer Technik aus Korea. Dabei wird tagelang gebrannt, der Ofen im Schichtbetrieb geheizt und betreut und dabei Temperaturen bis zu 1300 Grad erreicht.

«Jemand vertraute ihr an, dass ihre Frauen­figur wie eine Therapie für sie sei.»

Eigenes Atelier in Goldiwil

In Goldiwil war der bekannte Keramiker Ueli Schmutz mit seinem Atelier ansässig. Nachdem seine Frau, die Keramikmalerin war, verstarb, beschäftigte er Leute, welche für ihn malten, Formen vordrehten, Ofen einsetzten und sich um die Organisation von Ausstellungen und Verkauf kümmerten. Doris Hirzel erhielt 2004 eine frei gewordene Stelle. Sie begann, auch eigene Produktionen zu machen. Die Ruhe in Goldiwil, hoch über dem Thunersee, kam ihr dabei entgegen. In der Stadt Zürich befand sie sich in einer elitären Umgebung und bekundete Mühe, das Eigene zu finden. Sie kreierte Gegenstände und Skulpturen, welche interessant sein sollten und somit auch besser zu verkaufen waren. Die Weite, der See und die Berge, die Natur, welche sie umgibt, ermöglichten ihr eine heilsame Entwicklung. Die Koryphäe Schmutz inspirierte sie. Sein Leben war die Keramik. Er ging ganz darin auf, es war seine Passion. 


Der Keramikweg von Doris Hirzel 

Man bezeichnet Keramik als Oberbegriff der Werkstoffe Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan in gebranntem Zustand und der Sondermassen, mit welchen Bauteile oder Werkzeuge hergestellt werden. Doris Hirzel unterscheidet zwischen Keramikdesign, dem Gebrauchsgegenstand und der Keramikkunst: einer Skulptur oder einem Objekt. Hier wird aus dem Inneren geschöpft, es ist offen, was entsteht. Der Prozess dabei ist wichtig, das Produkt ist eine Überraschung. Dabei ist sie auch neugierig, wohin sie das Material führt. Der Lehm bietet sehr viele Möglichkeiten, von den Formen und den Farben her gesehen. Dieses Arbeiten ganz aus dem Moment heraus erfüllt sie. Hier ist Hingabe gefragt, der Verstand und die Kontrolle über das, was geschieht, treten in den Hintergrund. Oft wird sie heute mit ihren Frauenfiguren identifiziert. Damit hat sie Erfolg, sie lassen sich gut verkaufen. Einzelne dieser Figuren werden für Menschen ganz wichtig. Jemand vertraute ihr an, dass ihre Frauenfigur wie eine Therapie für sie sei. Sie stellt jedoch auch Tiere wie Affen oder Wölfe her oder spielt mit Resten gedrehter Objekte, die sie für neue Formen und Installationen inspirieren. Im Moment arbeitet sie an modernen Skulpturen für eine nächste Ausstellung. Sie kann aus ihren vielfältigen Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Techniken schöpfen und hat so eine grosse Bandbreite an gestalterischen Möglichkeiten zur Verfügung. Auf meine Nachfrage, ob sie eine Künstlerin sei, erhalte ich zur Antwort, sie verstehe sich im Moment als Kunsthandwerkerin. Die Vorstellung, was ein Künstler sei, ist ja bekanntlich sehr individuell. Ihre eigene Definition tönt anspruchsvoll: Kunst gehe über das Handwerkliche hinaus, sei sehr frei. Frei auch von Strukturen und von Konditionierungen, von Vorstellungen und Zielen. Künstlerin zu sein, sei eine Lebenshaltung, zu welcher auch Bewusstsein gehöre. Eine Klarheit, welche nicht vom Verstand herrührt, eine Freigeistigkeit, die neues Terrain erschliesst. Doris Hirzel ist auch als Coach für Persönlichkeitsentwicklung tätig. Sie bietet Workshops für Institutionen wie auch im eigenen Atelier an – für Teams, Freunde und Freundinnen, Firmen und Familien. Diese Arbeit löst auch bei ihr selber viel aus und gibt neue Impulse.

Kontakt
Doris Hirzel
Hohle 1
3624 Goldiwil

Telefon: 077 407 11 69
E-Mail: info@dorishirzel.ch

www.dorishirzel.ch


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