Fotospot Niederhorn

Fotospot Niederhorn

Fotospot Niederhorn

Die Wanderung zum Schäferhüttli via Burst und retour über die Schafläger zum Schafloch beginnt im Grön am Anfang des Justistals. Die erste Augenweide ist der Aufstieg zum Püfel. Dort öffnet sich das Justistal mit Blick zur Sichel. Von einer beeindruckenden Stille umgeben, geht es durch das Justistal hoch zum Schäferhüttli, wo uns 28 Bündner Strahlenziegen begrüssen.

Text & Fotos: Adrian Schmid

Wir treffen uns gegen Mittag auf dem Niederhorn, essen etwas und geniessen den schönen Ausblick auf das Dreigestirn Eiger, Mönch, Jungfrau. Fotografen und Fotografinnen aus der ganzen Schweiz haben den Weg ins Berghaus gefunden und sind die nächsten zwei Tage Teilnehmende des Fotoworkshops «Tierfotografie auf dem Niederhorn». Alle sind pünktlich da. Nach einer Vorstellungsrunde und einer kurzen Einführung in die Tierfotografie beziehen wir unsere Zimmer und machen unseren vollbepackten Fotorucksack parat. Mit dem Ziel, die ersten Steinböcke aufzustöbern und diese dann bei schönstem Abendlicht fotografieren zu können, marschieren wir mit dem Stativ auf der Schulter in Richtung Burgfeldstand. Auf dem Weg dorthin schaue ich in jeder Felsnische, ob ich auf der Nordseite des Berges bereits einzelne Steinböcke ausmachen kann. Auf dem Wanderweg herrscht noch emsiges Treiben. Viele Wanderlustige sind unterwegs und Hängegleiter fliegen. Deshalb zeigen sich die Steinböcke noch nicht so gerne. Am späteren Nachmittag wird es etwas ruhiger, und wir treffen schon bald auf den ersten «Kindergarten» – eine Gruppe Steingeissen mit ein paar Jungen. Fotografinnen und Fotografen sind in ihrem Element, und die jungen Steinböcke wissen schon gut, wie man Modell steht. Man hat das Gefühl, dass sie gar nicht ungerne im Rampenlicht stehen. Da wir uns ruhig verhalten, haben die Steinböcke Vertrauen in uns gewonnen, und die Jungen toben sich unter ständiger Beobachtung ihrer Mütter so richtig aus. Die ersten guten Bilder von jungen Steinböcken sind im Kasten. Dann geht es weiter in Richtung Burgfeldstand. Inzwischen ist es still geworden da oben. Die Tagesausflüglerinnen und Tagesausflügler sind wieder im Tal, und die Sonne steht tiefer. Nun wird es schon fast stressig. Etwas weiter in Richtung Gemmenalphorn sehe ich durchs Fernglas die ersten Gämsen. Jetzt müssen wir entscheiden. Bleiben wir hier und fotografieren Steinböcke vor Eiger, Mönch und Jungfrau? Wenn wir uns in Richtung Sonne und Abendrot umdrehen, könnten wir exklusive Gegenlichtaufnahmen von Steinböcken machen. Wir haben die Qual der Wahl. Nur, wo sind die Steinböcke? Wo ist die Chance am grössten, zu guten Bildern zu kommen? Da ich nun ein paar Steinböcke entdecke, die den Hang hinaufkommen, entscheiden wir uns, auf dem Burgfeldstand zu bleiben, und nützen so das schöne Abendlicht für herrliche Tieraufnahmen. Auf dem Weg retour ins Berghaus Niederhorn legen wir immer wieder Stopps ein und fotografieren die wunderbare Landschaft in der blauen Stunde, kurz bevor es dunkel wird.

Tagwache 4.30 Uhr! Ja, das ist so bei der Tierfotografie. Früh aufstehen ist eines der Rezepte für gute Tierbilder. Viele Tiere sind frühmorgens aktiver, weil sie auf Futtersuche sind. Mit Stirnlampen und dem recht schweren Fotoequipment ausgerüstet, geht es, noch nicht so gesprächig wie am Vorabend, bergwärts. Im ersten Licht zeigen sich die Sieben Hengste und die Sichel – sensationell! Nun heisst es, ruhig bleiben und nach meinen Anweisungen langsam weitergehen. Wenn wir zu laut sind, verscheuchen wir unsere nächste Zielart. Gar nicht so einfach mit einer Achtergruppe. Wir wollen die Alpenschneehühner ja nicht vertreiben, sondern sie aus nicht allzu grosser Distanz fotografieren. Es braucht ein gutes Auge und einige Erfahrung, um die Schneehühner mit ihrer guten Sommertarnung aufzustöbern. Etwas einfacher ist es, wenn der Hahn ab und zu ruft. Aber heute Morgen ist er ruhig. Doch bald entdecke ich die ersten Alpenschneehühner bei der Nahrungsaufnahme. Super getarnt – fast unsichtbar. Noch etwas weit weg, aber alle Teilnehmenden können die ersten Aufnahmen machen. Für viele ist es das erste Mal, dass sie Alpenschneehühner in der Wildnis zu sehen bekommen – ein beglückendes Erlebnis. Gämsen sind in der Regel scheuer als Steinböcke. Im Morgenlicht gelingt es uns trotzdem, einzelne Gämsen zu fotografieren. Es hat sich also gelohnt, früh aufzustehen. Nach dem Morgenessen aus dem Rucksack geht es dann langsam zurück ins Hotel. Auf dem Rückweg begegnen wir nochmals einer Gruppe Alpenschneehühner und jungen Steinböcken. Etwas müde, aber glücklich lassen wir den Tierfotoworkshop gegen Mittag auf dem Niederhorn ausklingen. Mit vollen Speicherkarten und leeren Kameraakkus geht es auf die Heimreise. Ein letzter Blick auf das Dreigestirn Eiger, Mönch, Jungfrau. Schön war es – ein Top-Fotospot!

Wo ist die Chance am grössten, zu guten Bildern zu kommen? 

Zehn Tage später sieht sich die Gruppe noch einmal – zwar nur via Zoom (Videokonferenz am Bildschirm) – zur Bildbesprechung. Da eine Bildbesprechung vor Ort ökologisch gesehen unverantwortbar wäre, gebe ich den Teilnehmenden das Feedback zu ihren Bildern auf diese Weise. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer hat zu Hause Hunderte Bilder aussortiert, bearbeitet und mir dann die besten digital übermittelt. Diese Bilder schauen wir an diesem Abend gemeinsam an und eruieren das Verbesserungspotenzial. Alle Teilnehmenden haben wunderbare Landschafts- und Tieraufnahmen machen können und sind mit ihrer Ausbeute mehr als zufrieden. Aber auch das Naturerlebnis, am Abend spät oder am anderen Morgen sehr früh auf dem Niederhorn zu stehen und das Erwachen der dortigen Tierwelt erleben zu dürfen, macht diesen Workshop zum einmaligen Ereignis.

Adrian Schmid und Thomas Heitmar Fotografie arbeiten eng zusammen. Sie führen Fotoworkshops und Fotoreisen in der Schweiz und dem Ausland durch. Mehr Infos finden Sie hier:  www.adrianart.net oder  www.thomasheitmar.ch

Adrian Schmid, Naturfotograf und Workshopleiter, lebt in Bolligen (BE) und ist seit Kindheitstagen von Vögeln fasziniert. Er verbringt viel Zeit in der Natur und versucht, andere auf die Schönheit unserer Tierwelt aufmerksam zu machen. 2021 hat er seine beiden Hobbys, Naturfotografie und Ornithologie (Vogelkunde), zu seiner neuen Beschäftigung gemacht und arbeitet seitdem als selbstständiger Naturfotograf. Er bietet in der Schweiz und im nahen Ausland Workshops und Fotoreisen für Natur- und Vogelfotografie an. Zudem führt er zusammen mit seiner Frau Liliane ornithologische Grundkurse durch.

Nach den imposanten Eindrücken starten wir die Reise auf der anderen Gratseite in Richtung Schafloch. Wir ziehen am Bluemhorn vorbei Richtung Hinters Schafläger und durchqueren wunderbare Blumenwiesen. Jetzt geht es hoch zur Schneide, dieser Punkt ist oberhalb des Schäferhüttli. Der Wegweiser zeigt diverse Richtungen an, unsere Wanderung geht weiter zum Vorderen Schafläger. Nun gibt es einen kleinen Abstieg zu bewältigen. Er führt uns zum Eingang des Schaflochs, und im Tal liegen die beiden Alpen Zettenalp und Untere Zettenalp umgeben von wunderbaren grünen Wiesen und Wäldern.

Wenn man sich zu fest auf den Abstieg konzentriert, kann man den Einstieg zum Schafloch verpassen. Wir nähern uns dem Einstieg, ein Holzbrett führt uns zum Einstieg mit einem Seil am Felsen als Handlauf und Sicherung. Nun steigt man ins ungewisse, kalte, feuchte und finstere Schafloch ein. Ohne Taschenlampe sollte man diese Reise nicht antreten, sonst kann es gefährlich werden. Wir queren den 800 Meter langen Stollen. Inmitten des Stollens gibt es kein Tageslicht mehr, da er eine Höhendifferenz aufweist. Das Wasser tropft und fliesst, der Stollen lebt. Wir nähern uns dem Ende des Stollens. Am Schluss übersteigen wir noch einen Wildzaun, der Wild, Ziegen und Schafe abhält, damit der Stollen nicht mit deren Kot verunreinigt wird.

Der Ausstieg ist oberhalb der Alp Obere Flüelauene. Beim Ausstieg hat man ein weiteres Mal eine prächtige Aussicht talein- und talauswärts. Wir geniessen das wunderbare Justistal von oben, bevor wir den steilen Abstieg in Angriff nehmen. Im Zickzack geht es hinunter zur Alp Flüelauene und zur Brätli­stelle bei der Alp Püfel, bei der wir eine Verschnaufpause einlegen und unsere Knie ausschlottern lassen. Wir haben es fast geschafft! Nur noch wenige Gehminuten bis zum Grön, auf dem wir am frühen Morgen unser Fahrzeug parkiert haben. Für mich ist klar: Ich war nicht das letzte Mal in diesem wunderbaren Naturparadies.

Kontakt
Adrian Schmid Naturfotografie
Haldenackerweg 12b
3065 Bolligen
Telefon: 079 468 65 06
adrian.schmid1@bluewin.ch

www.adrianart.net