Wanderung auf den Sigriswiler Grat
Wanderung auf den Sigriswiler Grat
Die Wanderung zum Schäferhüttli via Burst und retour über die Schafläger zum Schafloch beginnt im Grön am Anfang des Justistals. Die erste Augenweide ist der Aufstieg zum Püfel. Dort öffnet sich das Justistal mit Blick zur Sichel. Von einer beeindruckenden Stille umgeben, geht es durch das Justistal hoch zum Schäferhüttli, wo uns 28 Bündner Strahlenziegen begrüssen.
Text & Fotos: Rolf Eicher
Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen möchte, kann dies machen. Von Thun aus nimmt man den STI-Bus Nr. 25 nach Sigriswil oder das Postauto B101 oder B21 von Interlaken via Beatenberg. Man muss sich im Klaren sein, dass die Wanderung im Minimum zwei Stunden länger dauert, da der Ausgangspunkt somit Sigriswil oder Beatenberg sein wird.
Nun beginnt unsere Reise ab Grön, und sie dauert rund sechseinhalb Stunden, mit gefüllten 17 Kilometern und 844 Höhenmetern. Wir ziehen an der Grönhütte vorbei ins Justistal, einige Hundert
Meter höher sieht man zu rechter Hand das Ende des Sendemasts vom Niederhorn. Wir wandern am Grönbach entlang, kommen zum Spycherberg, vorbei an den vier «Chässpycher», wo alle Jahre am dritten Freitag im September der traditionelle «Justistaler Chästeilet» stattfindet. Dieser Anlass lockt jährlich Tausende von Zuschauer:innen an. Weiter geht es hoch zum Püfel, einem Ort, der uns staunen lässt. Eine riesige Ebene und zuhinterst im Tal die bekannte Sichel. Jetzt stehen wir am Ort, wo sich im Herbst etliche Naturfans treffen, um die Hirschbrunft zu bestaunen und dieser zuzuhören.
Das Justistal ist mit neun Sennentümern bestückt, unsere Reise führt an sieben von diesen vorbei. Diese sind Grön, Spycherberg, Püfel, Flüelauene, Klein Mittelberg, Rossschatten, Gross Mittelberg, Sigriswiler und Oberhofner. Alle Sennentümer liegen auf der linken Talseite, der Grund dafür ist wohl die Sonne. Zwischen der Alp Püfel und Flüelauene biegt rechts der Bergweg zum Bärenpfad ab, dieser Pfad geht durch die Felswände hoch auf den Grat unterhalb des Niederhorns.
Wer die Augen und Ohren in diesem wunderbaren Naturparadies offen hält, sieht bestimmt Hirsche oder Gämsen. Die Tiere haben uns schon aus weiter Ferne gesehen und behalten uns immer im Auge. Im Sommer ist es meistens das Kahlwild, das durchs Tal zieht.
Die Wanderung geht weiter durch die Ebene vom Justistal, rechter Hand eine schwarze, lange, hohe Felswand, obenauf der Güggisgrat, der zum Gemmenalphorn führt, und inmitten der Talebene der Grönbach. Bei der Alphütte Gross Mittelberg kommt man ins Staunen, hier wohnt ein Hirtenpaar, das das Brauchtum pflegt. Rund 30 Treicheln hängen an der Hausfront. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass es Treicheln aus den Gabentempeln von Schwingfesten sind. Ja, der Senn ist ein aktiver Schwinger. Das Gebäude nebenan, das früher die Käserei vom Gross Mittelberg war, ist heute «Lilis Beizli». Die Seeländerin Lili Jaberg wirtet hier bereits den achten Sommer.
So können wir uns also freuen – bald ist das «Spiezerli» wieder auf dem Thunersee unterwegs. Auf der Website www.spiezerli.ch können Sie sich über den Zeitplan informieren und zusätzliche spannende Informationen zum Dampfer nachlesen. Ausserdem besteht auch immer noch die Möglichkeit, sich durch eine Spende am Projekt zu beteiligen – jeder Franken kann gebraucht werden. Es steht der Thunerseeregion sicherlich gut zu Gesicht, dass ein solches Stück Schifffahrts- und auch Tourismusgeschichte gepflegt wird und nicht finanziellen Überlegungen geopfert wurde. Gute Fahrt!
Das schmucke Schäferhüttli sieht man erst, wenn man wirklich vor ihm steht.
Nun beginnt die Wanderung erst richtig. Hinter dem Alpgebäude, bei den grunzenden Alpschweinen, geht es steil hoch zum Staffelbüel und weiter zum Oberen Gross Mittelberg. Unser nächstes Ziel ist das Schäferhüttli. Jetzt geht es im Zickzack hoch durch Wald sowie Fels, und immer wieder geniessen wir einen wunderbaren Ausblick in das Tal, und plötzlich zeigt sich in der Weite der Niesen.
Was einen immer fasziniert, ist die wohltuende Ruhe in diesem Naturgebiet. Beim Aufstieg ist linker Hand ein langes Waldstück, in dem es plötzlich raschelte, Äste knackten und lose Steine zu rollen begannen. Was für ein schöner Anblick, rund ein Dutzend Rothirsche streiften durch den Wald. Dieses Erlebnis gibt einem wieder Kraft, und es geht weiter auf dem steilen Bergweg hoch zum Schäferhüttli, das auf 1769 Höhenmetern liegt.
Das schmucke Schäferhüttli sieht man erst, wenn man wirklich vor ihm steht. Das Hüttli liegt in
einem steilen Hang. Wir werden herzlich von der jungen Sennerin Julia Roos begrüsst. Sie betreut
28 Bündner Strahlenziegen, zwei Hinterwälder Kühe und drei Hühner. Die Ziegen und Kühe werden zweimal am Tag gemolken, und die Ziegenmilch wird jeden Tag zu empfehlenswertem Ziegenkäse verarbeitet.
Die Sennerin verkauft Kaffee und Ziegenkäse. Sie erzählt einem, was sie so über den Sommer erlebt hat, oder liest einem ein selbst geschriebenes Gedicht über das Schäferhüttli oder das Justistal vor.
Nach einer kurzen Kaffeepause geht es weiter am Südhang in Richtung Burst. Dieser Bergweg ist nur für gute, schwindelfreie und trittsichere Wanderer:innen. Der Wanderweg geht immer bergwärts. Unter uns die beiden Sennentümer Sigriswiler und Oberhofner. Mit sichereren Tritten kommt man am Abzweiger in Richtung Sichle vorbei.
Wir nähern uns unserem Ziel und kommen auf den Grat, was uns für ein paar Minuten zum Sitzen bringt. Diese Aussicht ist atemberaubend – ein 360-Grad-Panorama, das einen zum Staunen bringt. Das Gemmenalphorn ist zum Greifen nah, die Sichel bestaunt man von oben und die beeindruckenden Sieben Hengste sind auf Augenhöhe.
Wir bewegen uns zum hintersten Punkt unserer Wanderung, der Burst liegt auf 1968 Höhenmetern. Für Naturliebhaber:innen und Wandernde ein besonderer Ort. Östlich hinter uns das Eriz mit dem Hohgant. Vor uns der Sigriswiler Grat mit dem Sigriswiler Rothorn, links das Justistal, vis-à-vis das Gemmenalphorn und zuvorderst Richtung Thunersee das Niederhorn.
Nach den imposanten Eindrücken starten wir die Reise auf der anderen Gratseite in Richtung Schafloch. Wir ziehen am Bluemhorn vorbei Richtung Hinters Schafläger und durchqueren wunderbare Blumenwiesen. Jetzt geht es hoch zur Schneide, dieser Punkt ist oberhalb des Schäferhüttli. Der Wegweiser zeigt diverse Richtungen an, unsere Wanderung geht weiter zum Vorderen Schafläger. Nun gibt es einen kleinen Abstieg zu bewältigen. Er führt uns zum Eingang des Schaflochs, und im Tal liegen die beiden Alpen Zettenalp und Untere Zettenalp umgeben von wunderbaren grünen Wiesen und Wäldern.
Wenn man sich zu fest auf den Abstieg konzentriert, kann man den Einstieg zum Schafloch verpassen. Wir nähern uns dem Einstieg, ein Holzbrett führt uns zum Einstieg mit einem Seil am Felsen als Handlauf und Sicherung. Nun steigt man ins ungewisse, kalte, feuchte und finstere Schafloch ein. Ohne Taschenlampe sollte man diese Reise nicht antreten, sonst kann es gefährlich werden. Wir queren den 800 Meter langen Stollen. Inmitten des Stollens gibt es kein Tageslicht mehr, da er eine Höhendifferenz aufweist. Das Wasser tropft und fliesst, der Stollen lebt. Wir nähern uns dem Ende des Stollens. Am Schluss übersteigen wir noch einen Wildzaun, der Wild, Ziegen und Schafe abhält, damit der Stollen nicht mit deren Kot verunreinigt wird.
Der Ausstieg ist oberhalb der Alp Obere Flüelauene. Beim Ausstieg hat man ein weiteres Mal eine prächtige Aussicht talein- und talauswärts. Wir geniessen das wunderbare Justistal von oben, bevor wir den steilen Abstieg in Angriff nehmen. Im Zickzack geht es hinunter zur Alp Flüelauene und zur Brätlistelle bei der Alp Püfel, bei der wir eine Verschnaufpause einlegen und unsere Knie ausschlottern lassen. Wir haben es fast geschafft! Nur noch wenige Gehminuten bis zum Grön, auf dem wir am frühen Morgen unser Fahrzeug parkiert haben. Für mich ist klar: Ich war nicht das letzte Mal in diesem wunderbaren Naturparadies.