Magische Bergwelten locken auf die Herbstwanderung
Magische Bergwelten locken auf die Herbstwanderung
Herbstlich bunt lockt diese Bergwanderung auf das Niederhorn und von dort über die Chüematte nach Waldegg. Man wird auf dem Weg nicht nur stets von einem Eiger-Mönch-Jungfrau-Panorama begleitet, auch die Flora und Fauna hat so einiges zu bieten.
Text: Rosemarie Schenk | Fotos: Sabine Joss
Die Wanderung beginnt bereits hoch oben, auf knapp 2000 Meter über dem Meer auf dem Niederhorn, weit über dem Thunersee. Um zu diesem Startpunkt zu gelangen, geht es mit Auto, Zug oder Standseilbahn nach Beatenberg und von dort mit der Gruppenumlaufbahn aufs Niederhorn. Die eher kurz gehaltene Wanderung ist perfekt für die kürzer werdenden Nachmittage und kann mit ihren 2 Stunden und 15 Minuten auch gut einmal ein wenig später gestartet werden, wenn die Herbstsonne schon weiter oben am Himmel steht. Dank des hohen Startpunktes weist der Weg nur einen Aufstieg von 85 Meter auf, dafür aber gut 800 Meter Abstieg. Die Wanderung ist als Bergwanderung eingestuft und verlangt daher nach einer gewissen Tretsicherheit, ist aber bei trockenen Bodenverhältnissen auch ohne teure Wanderschuhe begehbar. Der Wanderweg endet in Waldegg, von wo eine Buslinie zurück nach Beatenberg führt.
Technikriesen
Die Luftseilbahn, die auf das Niederhorn führt, ist eine Besonderheit. Die knapp 25-jährige Drei-Seil-Gruppenumlaufbahn ist die Einzige ihrer Art in der Schweiz. Die Bahn besteht aus insgesamt 12 Kabinen, welche jedoch nicht in regelmässigen Abständen, sondern in Dreiergruppen geführt werden. Direkt nach dem Aussteigen aus dieser skurrilen Bahn wird man vom atemberaubenden Bergpanorama begrüsst, welches unter anderem die berühmte Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau bietet. Unterbrochen wird diese 360-Grad-Aussicht einzig von der fast 100 Meter hohen Radio- und Fernsehantenne, welche vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) oberhalb der Bergstation aufgestellt worden ist. Diese Antenne ist zuständig für den Empfang der drei Hauptradiosender des SRF in grossen Teilen des Berner Oberlandes. Mit dem erwähnten Technikriesen hätte es sich dann aber gehabt mit Menschengemachtem für den Rest der Wanderung, welche von hier an vor allem die Natur und das eindrückliche Bergpanorama hervorhebt.
Aussichten und Extremsportler
Nach dem Aussteigen aus der Bahn auf dem Gipfel des Niederhorns merkt man: Von den sich herbstlich verfärbenden Bäumen, welche unten am Seeufer thronen, ist hier nur wenig zu sehen. Das Niederhorn befindet sich bereits über der Baumgrenze, welche sich in diesen Breitengraden auf ungefähr 1800 Meter über Meer befindet. Dafür sieht man umso weiter über die Gipfel der Berner Alpen. Nach einigem weiteren Herumschauen wird schnell klar, dass dieses Bergparadies nicht nur bei Wanderern sehr beliebt ist, sondern auch bei Gleitschirmpiloten und -pilotinnen. An sonnigen Tagen können so einige der bunten Schirme am Himmel vor den Alpen schwebend gesichtet werden. Jährlich starten rund 60000 Gleitschirme auf dem Niederhorn und in dessen Umgebung. Das sind mehr als in irgendeinem anderen Gebiet in der Schweiz.
Bergsee
Nach dem Verlassen der Bergstationsumgebung verläuft der Weg zuerst eine Zeit lang flach annähernd dem Güggisgrat entlang. Nach ungefähr 15 Minuten erreicht man das Hohseil-Seeli. Das kleine Seeli, welches wegen seiner geringen Grösse schon eher einem Tümpel entspricht, ist das Lebensgebiet vieler Bergmolche. Das Hochgewässer ist aber auch für die Bergbauer der Umgebung wichtig. Da das Seeli auf einem Grat angesiedelt ist, auf dem es zu beiden Seiten stark abfällt, ist es der einzige Wasserspeicher so weit oben. Sollte der See mal versickern, so müsste das Wasser für die Kühe von weit unten hochgepumpt werden. Im letzten Jahr war jedoch ein ganz anderes Phänomen zu sehen. Das ansonsten tiefblaue Wasser, in dem sich normalerweise das Bergpanorama spiegelt, hatte sich rot verfärbt. Grund dafür war ein Algenbefall, der dem warmen Wetter zu verdanken war. Die Algen verursachen die rote Verfärbung an der Wasseroberfläche, die die empfindlichen Algen am Grunde des Tümpels vor der Sonne schützt. Einheimische bezeugen, dass dieses Phänomen nicht zum ersten Mal aufgetreten ist. Das Komische dabei ist, dass niemand genau weiss, weshalb sich der rote Film in manchen Sommern bildet und in manchen nicht.
Wer einen Feldstecher, viel Geduld, ein wenig Glück und gute Augen hat, der kann auch ein paar Murmeltiere erspähen.
Alperlebnis
Nach dem Seeli wird der Weg abfällig und der Abstieg beginnt. Langsam werden die den Wanderweg umgebenden Wiesen und Felder weniger steinig und mehr und mehr Bäume und Sträucher tauchen auf. Kurze Zeit später wird die von Weitem sichtbare Alphütte Burgfeld erreicht. Während derAlpmonate kann man hier ein schönes Stück Käse erwerben oder die besonders tolle Aussicht von der Alp aus geniessen. Wegen der Lage am oberen Ende der Talseite kann man von hier aus sowohl den Thunersee als auch Eiger, Mönch und Jungfrau erblicken.
Naturentdeckungen
Wer einen Feldstecher, viel Geduld, ein wenig Glück und gute Augen hat, der kann vom oberen Teil des Wanderweges, entlang des Grates, auch ein paar Murmeltiere erspähen. Jedoch sollte man sich dafür beeilen; die alpinen Nager begeben sich Anfang Oktober in den Winterschlaf, aus dem sie erst im April wieder auferstehen. Es gibt jedoch auch Entdeckungen zu machen, ohne viel Glück zu benötigen. Das Gebiet zwischen Beatenberg und Habkern ist bekannt für die schönen Bergahornbäume, welche in diesem Gebiet häufig vorkommen. Die mächtigsten Bäume werden mehrere Hundert Jahre alt. Im Herbst, wenn sich ihre Blätter verfärben, zaubern sie eine besondere Stimmung in die bergige Landschaft.
Ein weiteres Gewächs, welches man überall auf der Wanderung zu sehen bekommt, ist das Pfeifengras. Es hat seinen Namen von seinem früheren Nutzen als Pfeifenreiniger erhalten. Heutzutage ist es vor allem bekannt, da es auch auf nährstoffarmem Boden gut gedeiht. Die Halme leuchten je nach Sonneneinstrahlung feuerrot oder strahlend gelb.
Nicht nur die Tiere und Pflanzen der Gegend rund um die Rischere, welche am Grunde des zu umwandernden Tals vor sich hinplätschert, zeugen von interessanten Naturvorkommnissen. Die Felsöffnungen, welche man an den Seiten des Rischerentals erkennen kann, zeugen von der imposanten und langen Vergangenheit der Gegend.
Winterwanderung
Auch wer die sonnigen Tage im Herbst verpasst, muss nicht auf das Wandererlebnis verzichten. Die Wanderung Niederhorn-Waldegg kann auch bei winterlichen Verhältnissen begangen werden. Zu der späteren Jahreszeit steht dann nicht mehr der farbenfrohe Bergahorn, sondern die magisch verschneiten Föhrenwäldchen im Vordergrund. Einzig gleich bleibt die jahrtausendealte Bergaussicht auf die Alpen.
Zum Ende der Wanderung erreicht man die ruhige Waldegg, wo sich viele Restaurants und Hotels finden, um den Wandertag ausklingen zu lassen. Praktischerweise fahren von hier Busse zurück zum Startpunkt, was die Anreise mit dem Auto vereinfacht.