Faszination Eiger

Faszination Eiger

Faszination Eiger

Seit jeher übt der 3967 Meter hohe Eiger eine besondere Faszination auf Bergsteigerinnen und Kletterer aus. Doch auch Wandernden bietet der «Eckzahn» der Berner Alpen spektakuläre Erlebnisse: Der wunderschön an- gelegte Eiger Trail führt direkt am Fusse der weltberühmten Eigernordwand entlang und besticht mit herrlichen Aussichten.

Text: Esther Loosli, Fotos: Annette Weber-Hadorn, zvg

Mount Everest, Matterhorn, Mont Blanc: Gewisse Berge üben eine fesselnde, beinahe mystische Anziehungskraft aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Die erhabenen Gipfel ziehen denn auch nicht nur erfahrene Alpinist:innen aus aller Welt in ihren Bann, sondern lösen auch bei Nicht-Klettererprobten Ehrfurcht und Faszination aus. Bestes Beispiel dafür ist der Eiger, der zusammen mit Mönch und Jungfrau ein imposantes Dreigestirn bildet und die Landschaft des Berner Oberlands prägt, und sei- ne berühmt-berüchtigte Nordwand. Seit 1997 lässt sich die legendäre, über 1600 Meter senkrecht abfallende Nordflanke auch ohne Seil und Karabiner aus nächster Nähe erleben. So hat der Grindelwaldner Wanderwegmeister Adolf Gsteiger in nur 39 Arbeitstagen mit Schaufel, Pickel, Hammer und Brecheisen einen wunderschönen Bergwanderweg angelegt, der alle, die einigermassen bergtüchtig sind, in direkten Kontakt mit der beeindruckenden Eigernordwand bringt. Der Eiger Trail führt so nahe daran vorbei wie kein anderer Wanderweg – entsprechend atemberaubend ist die Sicht auf das senkrecht aufsteigende Felsmassiv, aber auch der Blick auf die umliegenden Berge und in das grüne Grindelwaldtal begeistert. Mit einem Feldstecher und etwas Glück lassen sich unterwegs vielleicht sogar die einen oder anderen Seilschaften in der Wand erspähen. 

Die alpine Streckenwanderung führt in rund zweieinhalb Stunden von der Station Eigergletscher (2319 m ü. M.) entlang der Eigernordwand und vorbei an klaren Wildbächen und tosenden Wasserfällen bis nach Alpiglen (1614 m ü. M.). Der gut ausgeschilderte Eiger Trail verläuft grösstenteils bergab, wobei Geröllfelder und steile Alpweiden allmählich saftig grünen Wiesen mit farbenreicher Blumenpracht weichen. Das teilweise unwegsame Gelände setzt eine gewisse Trittsicherheit voraus und bedingt zudem das Tragen von Wander- oder Bergschuhen mit griffiger Sohle. Richtig eingesetzt, können Wanderstöcke den Abstieg – es sind fast 800 Höhenmeter – erleichtern. Ausserdem empfiehlt es sich, einen kleinen Proviant und Trinkwasser mitzuführen, da es unterwegs keine Einkehrmöglichkeiten gibt. Wohl aber locken das Restaurant Eigergletscher am Ausgangspunkt sowie das Berghaus Alpiglen am Zielort des Bergwanderwegs mit lokalen Spezialitäten, die bei fantastischer Aussicht genossen werden können. Was liegt da näher, als der Verlockung nachzugeben, sich am Fusse des Eigers zu stärken und dabei den Blick über die mächtigen Gipfel schweifen zu lassen?

Der Weg verläuft vorbei an tosenden Bächen über steile Alpweiden, Geröllhalden und Felder mit Alpenrosen…

Über Alpweiden und Geröllfelder

Um zum Ausgangspunkt des Eiger Trails zu gelangen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Anreise an. Entweder fährt man mit der Wengern- alpbahn (WAB) von Grindelwald bis zur Kleinen Scheidegg und von dort mit der Jungfraubahn weiter zur Bergstation Eigergletscher. Alternativ lockt die modernste 3S-Bahn der Welt: Der Eiger Express, eine Kombination von Gondel- und Seilbahn, macht seinem Namen alle Ehre und bringt Reisende in nur 15 Minuten von Grindelwald Terminal hoch auf 2319 Meter über Meer. Wer möchte, kann vor Beginn der Wanderung mit der Zahnradbahn weiter aufs Jungfraujoch fahren und dort die hochalpine Wunderwelt aus Eis, Schnee und Fels entdecken. Anderenfalls gilt es, den Start des Eiger Trails zu finden – dank guter Beschilderung funktioniert das mühelos und ohne Kartenlesen oder GPS-Navigation. Der Bergwanderweg beginnt gleich hinter der Station Eigergletscher und führt zunächst am Fusse des Rotstocks entlang. Nach dem Traversieren eines Geröllfelds – es wird nicht das letzte sein – folgt der einzige kleine Aufstieg des Tages. Plötzlich rückt die imposante Eigernordwand ins Blickfeld – und vielleicht auch einige mutige Bergsteiger:innen, die hier ihre ausserordentlichen Fähig- keiten zur Schau stellen und ein Hochgebirgserlebnis der Superlative suchen. Im Gebiet der Wart zeigt eine Tafel den Verlauf einiger der wichtigsten Kletterrouten, und auch die Metallleitern, die den Kletter:innen den Zugang zur Via Ferrata Eiger-Rotstock erleichtern, lassen sich erkennen. Das bietet die ideale Gelegenheit, eine kurze Pause einzulegen und ehrfürchtig die Stellen, Traversen und Couloirs auszumachen, wo seit mehreren Jahrhunderten Alpingeschichte – mit Triumphen ebenso wie mit Tragödien – geschrieben wird. Wandernde mit Adleraugen entdecken womöglich auch die senkrecht in die Eigernordwand gehauenen Fenster der Jungfraubahn – ein wahres Pionierwerk, dessen Spatenstich schon am 27. Juli 1896 erfolgte. 

Von der Wart wandert man eine Stunde lang talwärts am Fusse der Eigernordwand entlang und wird dabei immer wieder mit grandiosen Aussichten belohnt. So eröffnet sich den Wandernden ein wunderschönes Panorama von der Kleinen Scheidegg über das Lauberhorn, den Männlichen und das Grindelwaldtal bis hin zur Grossen Scheidegg und zum Wetterhorn. Anschliessend verläuft der Weg vorbei an tosenden Bächen über steile Alpweiden, Geröllhalden und Felder mit Alpenrosen, wobei ausgesetzte Stellen mit Seilen gesichert sind. Nach einem stiebenden Wasserfall führt der Eiger Trail im Zickzack hinunter nach Alpiglen. Dort lässt sich bis zur Abfahrt der Wengernalpbahn (WAB) zurück nach Grindelwald noch ein letztes Mal die mystische Eigernordwand in ihrer vollen Pracht bestaunen.

Wissenswertes zur Wanderung

Wanderregion: Grindelwald 

Wandersaison: von ca. Mitte Juni bis Oktober 

Ausgangspunkt: Eigergletscher (2319 m ü. M.) 

Endpunkt: Alpiglen (1614 m ü. M.) 

Wanderzeit: 2 bis 2,5 Stunden 

Distanz: 6 km 

Auf- und Abstieg: 50 m bergauf, 754 m bergab 

Schwierigkeit: mittel, Bergwanderweg (weiss-rot-weiss) 

Besonderes: gute Wanderschuhe anziehen, Fernglas mitnehmen 

Weitere Informationen: Grindelwald Tourismus, Tel. 033 854 12 12, info@grindelwald.swiss, www.grindelwald.swiss