Abheben in wenigen Minuten

Abheben in wenigen Minuten

Abheben in wenigen Minuten

Die Rega bringt rasche und professionelle medizinische Hilfe aus der Luft und unterstützt Menschen in Notlagen. Sie ist eine private, gemeinnützige Stiftung, die unabhängig vom Staat oder von finanziellen Interessen handelt. Die Rega wird von ihren Gönnerinnen und Gönnern unterstützt und getragen. Wir haben uns auf der Basis in Wilderswil umgeschaut.

Text: Thomas Bornhauser  |  Thomas Bornhauser, Monica Schulthess Zettel, zvg

Ehrlich gesagt: Einen solchen Empfang lässt sich der Schreibende gerne gefallen – ein reichlich gedeckter Zmorgetisch zum Start in den neuen Tag. Aber, und um jeden Irrtum auszuschliessen, der Tisch wurde nicht ihm zu Ehren gedeckt, dieses Morgenessen ist (beinahe) Alltag auf der Rega­basis in Wilderswil. Das Zusammentreffen gegen acht Uhr dient dazu, damit sich die Crew über den Tagesablauf gegenseitig informieren kann.

Voller Einsatz auch an Feiertagen 

Doch wie kann man etwas untereinander absprechen, wenn man keine Ahnung hat, wie der Tag verlaufen wird? Hier die heutigen Protagonisten: Rick Maurer ist Basis­leiter in Wilderswil und Pilot, Gioia Häusler Notärztin, Marco Lei Paramedic /Rettungssanitäter. Die heutige Berichterstattung ­findet an einem Feiertag statt. Mit anderen Worten: Einzig Rick Maurer, Gioia Häusler und Marco Lei bilden das eingespielte Rettungsteam, das heute den Dienst ab Wilderswil sicherstellt. Weshalb die erste Frage an Rick Maurer nach den Einsätzen an diesem Feiertag geht. «Wir hatten insgesamt zehn Einsätze, der erste um 9.20 Uhr in Richtung Melchsee-Frutt, der letzte war ein Nachtflug nach Guttannen, ein medizinischer Einsatz. 19 Minuten nach Abflug waren wir mit dem Patienten im Inselspital Bern, mit der Ambulanz hätte das 1½ Stunden gedauert und der Patient hätte möglicherweise nicht überlebt.»

In Wilderswil machen Freizeitsportunfälle einen grossen Teil der Einsätze aus. Interessant in diesem Zusammenhang: Auf die ganze Schweiz gesehen bestehen die Rega-­Rettungseinsätze nicht grösstenteils aus Bergrettungen, wie man vielleicht meinen könnte, sondern aus Flügen für medizinische Notfälle, beispielsweise nach einem Herzinfarkt oder einem Hirnschlag, aber auch, um Menschen von einem kleinen in ein grösseres Zentrumspital zu verlegen.

Die Vorbereitungen sind das A + O

«Das Wetter hat den grössten Einfluss auf unsere Einsatzzahlen», sagt Rick Maurer, «bei einer schlechten Vorhersage kommen wenig Leute, selbst wenn das Wetter schliesslich besser als vorausgesagt ist.» ­Entsprechend steigen die Unfallzahlen bei schönem Wetter, wenn viele Leute unterwegs sind. Wer entscheidet eigentlich bei einem Zwischenfall auf der Skipiste, ob die Rega anzufordern ist? Marco Lei: «Der Pistenpatrouilleur weiss aus seiner Ausbildung und Erfahrung, wann seine medizinischen oder rettungstechnischen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen. Sicher ist: Wenn ein Verunfallter bewusstlos ist, wird sofort die Rega alarmiert.» 

Zurück zum Briefing, zu den Vorbereitungen und Berechnungen, die Rick Maurer in sein Tablet eingibt. Wie lauten die Wetterpro­gnosen für den Tag? Wie stark ist der Wind, wie hoch die Temperaturen auf welcher Höhe? Sind alle medizinischen Geräte vorbereitet und installiert? Was gilt es speziell zu beachten?

Von Notärztin Gioia Häusler erfahren wir, dass sie nicht über Jahre hinaus in Wilders wil stationiert ist. «Ich arbeite im Kantonsspital Luzern, eines von vielen Spitälern der Schweiz, das mit der Rega zusammenarbeitet und Ärzten für eine bestimmte Zeit ermöglicht, bei der Rega zu arbeiten.» Bei Gioia Häusler sind es neun Monate. Wie ­andere Notärzte – alle aus der Anästhesie kommend – bei der Rega hat auch sie ­bereits Erfahrungen als Notärztin mit der Ambulanz gemacht und «bergmedizinische» Kurse besucht. Überhaupt zum Thema der Aus- und Weiterbildung: Die Rega-Mitarbeitenden werden durch interne und externe Kurse und Übungen laufend auf den neuesten Stand der Medizin und der Technik gebracht.

Ernstfall… jetzt!

Wie geht man eigentlich mit diesen Ein­sätzen um, bei denen es ja nicht bloss um Frakturen geht? Dazu Marco Lei: «Es ist unmöglich, jeden Unfall mit nach Hause zu nehmen, gedanklich, wenn ich dem so ­sagen darf, aber es gibt Ereignisse, die noch lange nachhallen und einen beschäftigen.» Doch manchmal komme es vor, dass sich Patienten nach ihrem Spitalaufenthalt bei der Regabasis melden – und zum Teil sogar vorbeikommen –, um sich zu bedanken. «Das macht jeweils Freude», sagt er. Über 800 Einsätze hat man letztes Jahr von ­Wilderswil aus geflogen, viele davon Bergrettungseinsätze.

Gerade, als uns Rick Maurer die Infrastruktur der Basis in Wilderswil zeigen will, unterbricht ein Funkspruch aus der Einsatzzentrale in Zürich-Flughafen sein Vor­haben. Ein verunfallter Skifahrer in der Lenk. Der Pilot ist noch am Telefon, als Marco Lei mit einem kleinen Traktor bereits den Rettungshelikopter aus dem Hangar schiebt. Und vier Minuten nach Eingang des Anrufs ist unser Trio bereits in der Luft.

Bescheidenheit als Tugend 

Erst nach dem Schreiben dieser Zeilen hat der Autor die DOK-Serie über die Rega vom Fernsehen SRF nachgeschaut – und ­gemerkt, dass er in Wilderswil die Hauptprotagonisten samt Heli HB-ZRT getroffen hat. Niemand hat davon ein Wort erwähnt. Bescheidenheit ist bekanntlich eine ­Tugend.

«Über 800 Einsätze hat man letztes Jahr von ­Wilderswil aus geflogen, viele davon Bergrettungseinsätze.»