Nicht nur für Tiere ein Garten Eden

Nicht nur für Tiere ein Garten Eden

Nicht nur für Tiere ein Garten Eden

Bereits vor dem Gartentor locken verschiedene Düfte in den Garten. Am Aumattweg in Steffisburg trifft man auf einer Fläche von knapp fünfhundert Quadratmetern auf einen natürlichen Hausgarten. Das Farbenspiel in Ursula Andrists Garten ist bunt und wird von einer grossen Artenvielfalt ausgezeichnet und auch zahlreiche Heilkräuter sind anzutreffen.

Text & Fotos: Christine Hunkeler

Seit gut zwanzig Jahren hegt und pflegt Ursula Andrist ihren Garten am Aumattweg in Steffisburg. Nachdem sie ihn von ihren Eltern übernehmen konnte, begann sie intuitiv, den Garten um- und neu anzupflanzen. Es gab kein Konzept, ausser beim Gemüseanbau. Einer der ersten Schritte bei der Umgestaltung war, verschiedene Wege mit Steinen und Platten anzulegen. Der Garten ist sehr sonnig gelegen und daher ein ideales Ziel für Vögel, Igel, Schmetterlinge und Eidechsen. 

Viele Wildbienen bevölkern bereits im Frühling dank der früh blühenden Katzenminze (Nepeta cataria) den Garten. Es steht sogar ein Wildbienenhotel zur Ver- fügung. Lange wurde die Bedeutung der Wildbienen als Bestäuber unterschätzt. Dank ihrer grossen Artenvielfalt haben Wildbienen eine Reihe von Vorteilen gegenüber der Honigbiene; so fliegen gewisse Wildbienen auch bei schlechtem Wetter oder bestäuben Blüten, die von Honigbienen nicht besucht werden. Wildbienen reinigen ihr Territorium selber, daher sind solche Gäste sehr willkommen und ebenso praktisch. Je mehr ein Garten zu einem Naturgarten umfunktioniert wird, umso überraschter kann man sein, was sich da so alles herumtummelt. Es lohnt sich immer, auch ein Auge auf die etwas unscheinbareren Insekten, Käfer und Raupen zu werfen.

Die Heilkräuter haben es Ursula Andrist besonders angetan. Ihre Bewunderung gilt der Heiligen Hildegard von Bingen, welche eine ganzheitliche Lehre, die die Gesundheit von Körper, Geist und Sinnen als voneinander abhängig betrachtet, vermittelt hat. In den medizinischen Schriften, welche sie verfasste, beschreibt sie Arzneien und Naturheilmittel sowie Krankheitsursachen und deren Behandlungsmethoden. Sie war überzeugt, dass ein Mensch sich umso schlechter fühlt, je weiter er sich von Gott entfernt. Hildegard von Bingen hatte daher das Ziel, betroffene Menschen zu heilen und wieder in die göttliche Ordnung einzufügen. 

Mit den Heilkräutern aus ihrem Garten füllt Ursula Andrist kleine Säcklein oder Gläser ab und verwendet sie frisch für das tägliche Essen. Aus den Blättern der Katzenminze kann zum Beispiel Tee zubereitet werden. Er wirkt lindernd bei Erkältung, grippalem Infekt, bei Magenverstimmung und er gilt in der Naturheilkunde als fiebersenkend, schweisstreibend, entgiftend, harntreibend, krampflösend und sogar euphorisierend. Aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften soll er auch bei chronischer Bronchitis helfen und Infektionen vorbeugen. In einem Kräuterbuch aus dem Jahre 1820, dem «Universal Herbal», steht zur Katzenminze geschrieben: «Wenn man sie pflanzt, wird sie von Katzen umtanzt; wenn man sie sät, kommen die Katzen zu spät. Wenn man beim Pflanzen oder Ernten das Laub verletzt, kommen die Katzen von überall her, wälzen sich, zerfetzen die Blätter und fressen sie.» Aufgrund der betörenden Wirkung auf Katzen wird getrocknete Katzenminze auch manchem Katzenspielzeug beigegeben. Ein Rascheltunnel zum Beispiel, dessen Stoff nach Katzenminze duftet, macht müde Stubentiger munter und lässt bei zu molligen Miezen die Pfunde purzeln.

In der Mitte des Gartens steht ein grosser Kirschbaum. Um die Ernte zu sichern, werden ein paar Äste mit einem Netz geschützt. Sonst würden nämlich die Spatzen und Amseln sämtliche Kirschen verzehren. Daneben finden sich zahlreiche weitere Bäume und Strauchbestände. An diesem schön sonnig gelegenen Platz gedeihen Pfirsiche, Aprikosen, Minikiwis, Nektarinen, ganz alte und auch neue Traubensorten, Feigen, Zwetschgen, aber auch Äpfel und Pflaumen.

Hildegard von Bingens Lebensmaxime war, das Himmlische mit dem Irdischen zu verbinden. So propagierte sie, dass äussere Schönheit von innen kommt.

Ursula Andrist hat auch Artischocken angepflanzt. Diese distelartige Pflanze aus der Familie der Korbblütler hat ganze zwei Jahre gebraucht, um sich in ihrer prächtigsten Form zu zeigen. Ursprünglich stammt die frostempfindliche Artischocke aus dem Mittelmeerraum. Man erntet die Blütenköpfe, wenn sie noch geschlossen sind und die Schuppen aussen leicht abstehen. Wird dieser Zeitpunkt der Ernte verpasst, zeigt sich eine grosse violette Blüte. Der in der Artischocke enthaltene Bitterstoff Cynarin regt den Stoffwechsel von Leber und Galle an.

Im Garten trifft man auch auf Agnus Castus, den Mönchspfeffer. Er wird – anders als der Name es vermuten lässt – nicht von Männern, sondern vor allem von Frauen sehr geschätzt. Diese sommergrüne Heilpflanze wirkt vor allem auf den weiblichen Hormonspiegel und lindert die Symptome beim prämenstruellen Syndrom und bei Wechseljahrbeschwerden. Unsere Grossmütter wussten noch, welche Kräuter bei welchen Beschwerden helfen. Dieses Wissen wird zum Glück von vielen heute wieder neu entdeckt. Vor allem Frauen möchten am Wissen teilhaben, welches ihre Ahninnen jahrhundertelang weiter- gaben und dafür oft als Hexen verschrien wurden. 

Neben der Arbeit im Garten bietet Ursula Andrist Nachhilfeunterricht in Mathematik und Französisch an. Sie kann dank ihrer vielfältigen Ausbildung ihr Wissen optimal weitergeben. Die Kinder schätzen es, dass sie in dieser schönen Umgebung mit ihr lernen dürfen. Oftmals sind die Kinder reiz- überflutet und unausgeruht, wenn sie bei ihr eintreffen. Der Naturgarten hier lässt sie zum Glück ziemlich schnell runterfahren und wieder bei sich in der Mitte ankommen. Jeden Monat wird etwas Neues im Garten angepflanzt. Für den Pflanzeneinkauf besucht Ursula Andrist regelmässig die Märkte in der Umgebung. Damit will sie mit einheimischen Pflanzen auch die Biodiversität fördern und einen Beitrag zur Erhaltung der Natur und deren Wertschätzung leisten. Biodiversität bezeichnet die Vielfalt der Lebensräume, der Arten und Gene sowie deren Wechselwirkung untereinander. Für das Leben auf der Erde unverzichtbar. Um wirkungsvoll gegen allfällige Pilze und Insektenschädlinge vorzubeugen, verwendet Ursula Andrist Pflanzenbrühen und Steinmehl. Im Obst- und Gemüseanbau verstärkt dieses Mehl die Aromen in den Früchten. Je kleiner das Mehl gekörnt ist, umso schneller gehen die Inhaltsstoffe in den Boden und stehen den Pflanzen zur Verfügung. Ursula Andrist hat ihren wunderschönen Naturgarten komplett auf Bio eingestellt.

Die Besichtigung eines fremden Gartens gibt Ideen für den eigenen und ist ein willkommener Anlass für den Austausch von Wissen, Erfahrung – und vielleicht auch ein bisschen Gärtnerlatein. Ursula Andrist öffnet am 16. und 17. Juni 2018 ihren Garten für die Öffentlichkeit und lädt Sie ganz herzlich zu einem Besuch ein.