Im Frühling durch die Gummischlucht
Im Frühling durch die Gummischlucht
Die Gummischlucht eignet sich ideal für eine gemütliche Wanderung hinauf nach Sigriswil. Beginnend beim Riedli in Gunten, einem idyllisch gelegenen Grillplatz am Ausgang der Schlucht, führt auf beiden Seiten je ein Weg nach oben, wo die eindrucksvoll hängende Panoramabrücke Sigriswil auf Schwindelfreie wartet.
Text: Diana Huber, Monica Schulthess Zettel | Fotos: Monica Schulthess Zettel
In Gunten fliesst das Wasser des Guntenbachs in den Thunersee. Während Jahrtausenden hat sich das kühle Nass seinen Weg durch das Gestein gebahnt und die Guntenbachschlucht – die sogenannte Gummischlucht – geformt. Beim Dorfeingang werden wir Wanderer vom sanften Plätschern des Bachs begrüsst. In geregelten Bahnen fliesst dieser hier an alten Holzhäusern vorbei in das weite Gewässer des Thunersees.
Ausgangspunkt dieser Wanderung ist der Grillplatz Riedli, der am unteren Ende der Schlucht am Waldrand liegt. Ausflügler finden hier zwei Feuerstellen – eine gedeckte sowie eine im Freien –, Tische und Bänke für ungefähr 35 Personen, eine Toilette sowie einen Wassertrog. Es gibt einen grossen Platz für Ballspiele, eine Schaukel sowie ein Sputnik-Klettergerüst. Die Anlage kann über das Info-Center Gunten von Sigriswil Tourismus reserviert werden.
Hinter dem Häuschen schützt eine Mauer aus dickem Beton vor dem Bach, beziehungsweise vor dem Geschiebe, das bei Unwettern daherkommen kann. Weiter hinten in der Schlucht wurde zudem ein Stahlnetz gespannt, welches zusätzlich Steine und Baumstämme aufhalten soll.
Der Grill- und Spielplatz Riedli in Gunten eignet sich für ein Picknick gerade auch für Familien.
Wir entscheiden uns, auf der rechten Seite der Schlucht hinauf nach Sigriswil zu laufen, das rund 120 Höhenmeter weiter oben liegt. Trotz Sonnenschein ist es jetzt im Frühling noch zu kühl, um kurzärmlig herumzulaufen. Zudem haben wir im kleinen Rucksack eine Thermosflasche mit Tee dabei, sowie zwei Äpfel und etwas Schokolade.
Der schmale Wanderweg führt bereits nach wenigen Metern in den Wald hinein und steigt im Schatten der Bäume stetig an. Links erhebt sich der Laub- und Tannenwald bis hinauf nach Aeschlen, in Richtung Schlucht fällt das bewaldete Gelände steil ab. Zwischendurch gibt das dichte Blätter- und Nadelwerk den Blick frei auf den im Sonnenlicht stahlblau glänzenden Thunersee. Hier im Wald ist es angenehm frisch und ruhig, einzig das Rauschen des fernen Bachs und das Gezwitscher heimischer Vögel wie Amseln und Buchfinken ist zu vernehmen.
Der Weg führt über knirschenden Kies, knorrige Wurzeln und raschelndes Laub. Der Boden und die umliegenden Hänge sind an vielen Stellen mit sattgrünem Moos bedeckt. Jetzt im Frühling spriesst die Vegetation. Sowohl die Blätter von Laubbäumen, aber auch die zarten Blättchen von Heidelbeersträuchern und anderen Pflanzen. Auch Blumen findet man bereits, sei dies gelbblühender Löwenzahn, weisse Erdbeerblüten oder bläuliches Wiesenschaumkraut. Eine Wanderung später im Jahr – im Sommer – würde sich deshalb auch eignen, um vielleicht ein paar süsse Walderdbeeren oder dunkelblaue «Heiti» zu ergattern. Eine Gruppe junger Leute mit hechelndem Hund kommt uns entgegengelaufen, und wir machen ihnen auf dem schmalen Weg Platz, auch weil wir es nicht eilig haben. Wir trinken etwas Tee und essen je einen Apfel, denn auch wenn diese Wanderung nicht sehr anstrengend ist, ist ein kleines Zvieri doch immer ein Genuss. Immer wieder entdecken wir Kleinigkeiten wie einen grossen gelben Pilz, welcher auf einem abgesägten Baumstamm einen idealen Platz gefunden hat, oder Efeu, das sich einen Baumstamm emporwindet. Mancherorts raschelt es im Laub, ohne dass wir erkennen können, ob dies nun ein Vogel war, eine Eidechse oder einfach nur der Wind.
Der neugierige Wanderer hebt den Blick und entdeckt hoch über sich eine elegante, filigrane Konstruktion aus Stahl.
Plötzlich sind Stimmen zu vernehmen. Wir heben unsere Köpfe und entdecken über uns die elegante Konstruktion einer Hängebrücke aus Stahl. Die im Jahr 2013 errichtete Panoramabrücke von Aeschlen nach Sigriswil dient Kindern als Schulweg, während Touristen sie als eindrückliche Alternative nutzen, um nicht den Umweg hinunter in die Schlucht machen zu müssen. Da die Brücke ohne Steuergelder realisiert wurde, muss vom Verein Panorama Rundweg Thunersee ein zinsloses Darlehen der Gemeinde Sigriswil zurückbezahlt werden, sodass für die Querung der Brücke ein kleiner Betrag zu entrichten ist.
Oben angekommen geniessen wir mit vielen weiteren Leuten die Aussicht von der Brücke über den Thunersee und die noch schneebedeckten Berge. Wer nicht schwindelfrei ist, hält sich am Geländer fest und schaut am besten nicht hinunter. Wer jedoch einen Blick in die Schlucht hinunter wagt, ist beeindruckt: Weit unten in der Tiefe braust das Wasser kraftvoll über den Felsen und sucht sich unermüdlich seinen Weg. Welch eindrückliches Naturschauspiel! Aus dem Felsen, der am Rand der Schlucht steil abfällt, schauen unzählige abgerundete Steine unterschiedlicher Grössen hervor. Die Nagelfluh ist hier in der Gummischlucht häufig anzutreffen. Im Verlauf der Alpenfaltung wurden verschiedenste Granit-, Gneis- und Kalksteine in den alpinen Urtälern abgelagert und in Flüssen ins Unterland transportiert. Die Gesteins-Schlamm-Mischung lagerte sich dann im Molassebecken ab und kommt heute unter anderem in Schluchten wie hier wieder zum Vorschein.
Nachdem wir genug gestaunt haben, verlassen wir die Brücke in Richtung Aeschlen ob Gunten. Ein Greifvogel zieht am blauen Himmel seine Runden. Fast ohne Flügelschlag gleitet er über die Schlucht und lässt uns Menschen – die wir zu Fuss unterwegs sind – vom Fliegen träumen. Während in Sigriswil die Möglichkeit bestünde, mit dem Bus wieder hinunter nach Gunten zu fahren, beschliessen wir, auf der anderen Seite wieder hinunter zu laufen, denn für den Aufstieg haben wir nur rund eine Dreiviertelstunde benötigt und haben sowieso genügend Zeit eingeplant.
Der Weg ist hier nicht viel anders als beim Aufstieg, aber es hat weiter unten ein paar eingebaute Treppenstufen, die das Laufen erleichtern. Als wir zuunterst den Wanderweg verlassen und aufs Trottoir gelangen, entdecken wir doch noch zwei Eidechsen, die sich in der Frühlingssonne aufwärmen. Sie lassen sich von uns nicht stören, sodass wir sie fotografieren können. Beim Grillplatzhäuschen setzen wir uns nochmals auf eine Holzbank, trinken den restlichen Tee und lassen diese gemütliche Wanderung Revue passieren. Wir sind uns einig, dass dies eine sehr interessante Tour gewesen ist, ohne dass wir gleich in die Berge fahren mussten. Wir packen unsere Sachen zusammen und laufen hinunter zur Hauptstrasse, wo wir den nächsten Bus Richtung Thun nehmen werden.
Der Frühling lockt mit frischem Grün in den verschiedensten Schattierungen.